Aumühle. Laut Polizei habe sich der 54-Jährige von ihr bedroht gefühlt: Nach einer Familienfeier am Weltfrauentag eskaliert ihr Streit.
Ungeheuerlich klingt die Nachricht, die am 9. März dieses Jahres Polizei und Rettungskräfte alarmiert und zur Breiten Straße in Aumühle ausrücken lässt: Der Anrufer erklärt in gebrochenem Deutsch, seine Frau liege tot in der Küche. „Was ist passiert?“, will der Mitarbeiter der Rettungsleitstelle wissen. „Meine Frau ersticken. Ich war das, ich habe sie gewürgt“, erklärt der Anrufer, wie jetzt als Beweis während des ersten Prozesstages zu hören war.
Alexander S. (alle Namen geändert) muss sich seit Freitag, 3. November, vor dem Strafgericht Lübeck wegen Totschlags verantworten. Der damals 53 Jahre alte Russe kommt den Polizeibeamten am 9. März entgegen, lässt sich bereitwillig festnehmen. Die Polizisten finden den Leichnam der 41-Jährigen im Schlafzimmer in eine schwarze Plane eingehüllt, die mit Klebeband fixiert war.
Vor dem Landgericht schweigt der Angeklagte, der seine Frau erwürgt haben soll
Der Angeklagte sitzt im Parka in Handschellen auf der Anklagebank. Anfangs, als die Medienvertreter ihre Fotos machen, trägt Alexander S. unter seiner Brille noch eine medizinische Maske, die nur seine Nase bedeckt und hält sich zusätzlich noch einen blauen Hefter vor das Gesicht. Während der Verhandlung hört er konzentriert der Simultanübersetzung seiner Dolmetscherin zu, er lugt über seine Brille hinweg aus dem Fenster, sein Gesicht verrät keine Regung. Warum der Streit mit seiner Frau aber derart eskaliert ist, bleibt auch nach dem Prozessauftakt unklar.
Denn obwohl Alexander S. sich gegenüber der Polizei stets kooperativ gezeigt hatte und auch nie geleugnet hat, seine Frau Olga H. erwürgt zu haben, schweigt er vor Gericht. „Mein Mandant wird vorerst keine Aussage machen“, sagt sein Anwalt Eric Goldbach. Denn während des Verhörs durch die Kriminalpolizei habe es Übersetzungsfehler gegeben, die zuerst geklärt werden sollten. So werden während des ersten von insgesamt sechs Verhandlungstagen in Lübeck nur die Aussagen der Polizeibeamtinnen und -beamten gehört.
Beide Eheleute haben auf der Feier Alkohol getrunken
Getötet soll der heute 54-Jährige seine Frau bereits in der Nacht zum 9. März haben, nachdem die gesamte Familie gemeinsam am Vorabend den Internationalen Frauentag mit einem Essen gefeiert hatte. Die älteste Tochter des Opfers aus ihrer ersten Ehe und deren Freund hatten gekocht, die Stimmung war heiter. Die Mutter von zwei erwachsenen Kindern und den beiden gemeinsamen Söhnen, drei und zwölf Jahre alt, hatte Karaoke gesungen. Beide Eheleute hätten Alkohol getrunken. „Er fast eine Flasche Wodka, seine Frau Cocktails und Martini“, erinnert sich der Lübecker Kripobeamte aus der Vernehmung nach der Festnahme von Alexander S.
Offenbar sei die Stimmung nach der Feier aber gekippt. Da seien die Kinder bereits in den Schlafzimmern ein Stockwerk höher gewesen, der Freund der Tochter nach Hause gefahren. Den Kriminalpolizisten gegenüber berichtete der Angeklagte, seine Frau sei nach einem Telefonat mit einem Ex-Freund aggressiv geworden, er hätte sich durch sie bedroht gefühlt.
Angeklagter behauptet, seine Frau sei aggressiv geworden
„Er hat ausgesagt, sie sei auf ihn losgegangen: Sie habe gebrüllt: ‚Ich töte Dich, ich töte Euch alle!‘ Sie hätte ihn gewürgt und mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen und mit Flaschen beworfen“, sagte der Kripobeamte. Der Angeklagte habe ihm erzählt, dass er etwa eine Woche vor der Tat mit ihrem Bademantel-Gürtel um den Hals aufgewacht sei: „Eigentlich wollte ich Dich töten“, habe sie zu ihm gesagt.
Auch interessant
- Illegaler Welpenhandel: Angeklagte dankt Richterin für mildes Urteil
- Überfall auf Avia-Tankstelle: Hartes Urteil für Angeklagten
- RAF-Terrorist Klar gefasst – als der Sachsenwald Geschichte schrieb
Aus dem Augenwinkel habe er in der Tatnacht die Küchenmesser gesehen, schließlich habe er einen Blackout gehabt und gedacht, einer von ihnen beiden müsste jetzt dran glauben. „Er hat ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen, sie hat sich wieder aufgerappelt und dann hat er sie wieder zu Boden gebracht, sich auf ihren Brustkorb gesetzt und sie gewürgt – fünf Minuten lang. Bis sie nicht mehr gezuckt habe“, so der Kripobeamte.
Während seiner Aussagen hat der Beschuldigte geweint
Reglos hört der Angeklagte den Ausführungen zu, starrt aus dem Fenster. „Hat er denn nicht einmal Reue gezeigt?“, fragt die vorsitzende Richterin der Strafkammer Gesine Brunkow. „Ein Eingeständnis seiner Schuld, ja das gab es“, berichtet der Lübecker Beamte. „Und er hat geweint, aber wir wissen nicht, warum.“
Nach der Tat hat der Familienvater die Tote in eine schwarze Plane gehüllt, sie mit Klebeband befestigt und eine Decke darübergelegt. Seine Begründung: „Er wollte nicht, dass die Kinder sie so entdecken“, sagt der Polizist. Die Nacht habe er mit seinem jüngsten Sohn auf dem Sofa verbracht, am nächsten Morgen hat er beide Jungen zur Großmutter nach Hamburg gebracht und um 12.53 Uhr den Notruf an die Polizei abgesetzt.
20-jährige Tochter des Opfers war ahnungslos
Eine Glinder Polizeibeamtin hat während der Suche nach der Leiche in der verwinkelten Wohnung an der Breiten Straße die 20 Jahre alte Tochter in ihrem Bett im Obergeschoss entdeckt. Sie war ahnungslos. „Ich musste ihre die Nachricht überbringen“, erzählt die Polizistin. „Sie stand unter Schock, fragte nach ihren kleinen Brüdern und weinte immer wieder.“ Den Zwölfjährigen wähnte sie in der Schule.
Die Tochter sei in dieser Situation zuerst nicht vernommen worden, aber im Gespräch habe sie die Beziehung ihrer Mutter zum Angeklagten so beschrieben, dass es auch zuvor schon gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben habe. „Aber ihre Mutter habe nie die Polizei rufen wollen, sie habe immer wieder Gewalt in Beziehungen erlebt und dies als normal angesehen.“ Die Familienangehörigen werden am nächsten Prozesstag, am 10. November, als Zeugen gehört.