Reinbek. Tickets gab es aus Pappe am Schalter, im Stellwerk wurden mit Hebeln Weichen gestellt. Neuer Reinbek-Kalender ist dem Bahnhof gewidmet.

Nur der Gleisverlauf gleicht noch dem heutigen Bild: Der Bahnhof, der 1846 als Initialzündung für Reinbeks Entwicklung gewirkt hat, hat sich stark gewandelt. Das verdeutlichen die historischen Fotos, die der Geschichts- und Museumsverein Reinbek der Kalender-Manufaktur für den Reinbek-Kalender 2024 bereitgestellt hat. Allein schon das Titelbild (von etwa 1932/33): Die Schilder sind aus Emaille, das schlichte Ziffernblatt würde man immer als das einer Bahnhofsuhr erkennen, das hohe Wellblechdach, getragen von schmiedeeisernen, schmalen Säulen wirkt im wahrsten Sinne des Wortes zugig.

„An der Kleidung, aber beispielsweise auch an dem Stellwerk im Hintergrund, das 1932 errichtet worden war, lässt sich die Zeit der Aufnahme recht gut einschätzen“, erläutert Klaus Müller, der im Verein die Vorauswahl für die Fotos getroffen hat. 2005 sei das Stellwerk abgerissen worden. Der 70 Jahre alte Eisenbahnfan schätzt, dass die Fotografie noch vor dem Kriegsausbruch 1933 entstanden ist.

Eisenbahngeschichte: Kalender mit historischen Fotos vom Bahhof Reinbek

Stellt man dem Titelfoto des Kalenders für 2024 die heutige Ansicht des Bahnsteigs aus dem Jahr 2023 gegenüber, erfasst man gleich die Unterschiede: Schon die Struktur, bei der man zunächst eine Treppe hinuntersteigt, um wieder hinauf auf den zentralen Bahnsteig zu steigen, von dem die Fahrgäste die Gleise 1 und 2 in beide Richtungen erreichen können.

Der Reinbeker Bahnsteig im Jahr 2024: Bis auf den Gleisverlauf hat sich fast alles verändert. 
Der Reinbeker Bahnsteig im Jahr 2024: Bis auf den Gleisverlauf hat sich fast alles verändert.  © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Das Betondach wirkt ungleich niedriger und massiver als in den 1930er-Jahren, statt einer Uhr und Emaille-Schildern gibt es ein digitales Display, das sich ständig ändert, die ankommenden Züge, aber auch Verspätungen, Ausfälle und Baustellen ankündigt. Und es gibt Bänke mitten auf dem Bahnsteig. Die Menschen haben es lieber bequem, wenn sie schon auf ihre Bahn warten müssen.

Reinbek war früher auch Güterumschlagplatz der Eisenbahn

Interessant ist auch das Juli-Blatt: Dort ist ein Bahnmitarbeiter im Stellwerk-Ost abgebildet, dessen Name nicht überliefert ist. Er steht an einer beeindruckend langen Reihe von Stellwerkhebeln. Er trägt eine dunkle Weste über einem weißen Hemd, eine Uhrkette blitzt an seiner linken Seite aus der Tasche hervor.

Im Stellwerk-Ost hinter der Herzog-Adolf-Brücke wurden die Rangierweichen gestellt, wie auf diesem Foto von Anfang des 20. Jahrhunderts. 
Im Stellwerk-Ost hinter der Herzog-Adolf-Brücke wurden die Rangierweichen gestellt, wie auf diesem Foto von Anfang des 20. Jahrhunderts.  © Susanne Tamm | Susanne Tamm

„Das muss Anfang des 20. Jahrhunderts gewesen sein“, erklärt Klaus Müller. „Dieses Stellwerk stand bis 1909 etwa 100 Meter hinter der Herzog-Adolf-Brücke Richtung Wohltorf. Von dort wurden die Rangierweichen gestellt. Von denen gab es einige in Reinbek. Denn hinter dem Schloss an der Ladestraße gab es noch bis Ende der 1990er-Jahre einen Güterschuppen und eine Laderampe.“ Dort seien beispielsweise auch über Jahrzehnte die Panzer aus den Wentorfer Kasernen verladen worden. Das Stellwerk von 1932 wurde 2002 außer Betrieb genommen und 2005 abgerissen. Heute fahren die Fernzüge nur noch am Reinbeker Bahnhof vorbei. Dort hält nur noch die S-Bahn.

Früher konnte man Menschen nach dem Tarif fragen

Ein anderes interessantes Kapitel der Eisenbahngeschichte illustriert eine Fotografie aus Mitte der 1950er-Jahre: Sie zeigt die repräsentative Schalterhalle. An zwei Schaltern konnten die Reisenden ihre Fahrkarte kaufen. An die Zeiten, als Menschen, die man etwas fragen konnte, die Billetts aus fester Pappe verkauften, kann sich Klaus Müller noch erinnern.

„Als Kind, wenn ich mit meinen Eltern zu den Großeltern nach Bergedorf gefahren bin, haben wir noch Fahrkarten am Schalter gekauft. Wo genau der war und wie viele es gab, weiß ich aber nicht mehr“, erzählt er. 1960 sei das alte Bahnhofsgebäude durch einen gelben Klinkerbau ersetzt worden. 2007 waren auch die alten gelben Klinkerbauten: Damals wurde der neue S-Bahnhof Reinbek eingeweiht.

Beim Fahrkartenkauf 1957 konnten die Fahrgäste am Schalter noch einen Menschen nach dem korrekten Ticket fragen. 
Beim Fahrkartenkauf 1957 konnten die Fahrgäste am Schalter noch einen Menschen nach dem korrekten Ticket fragen.  © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Der Ticketkauf – einst eine aufregende Angelegenheit

Schon in den 70ern wurden die ersten Fahrkartenautomaten aufgestellt. Heute sind diese fest in die Mauer der Unterführung zwischen Sophienstraße und Ladestraße eingebaut. Dieser Tunnel wirkt recht dunkel und hat eine niedrige Decke. Manchmal wird er als Unterschlupf von Obdachlosen genutzt. Tageslicht dringt nur durch die Aufgänge zu den Straßen und zum Bahnsteig nach unten.


Vor etwa 13 Jahren wurden die Schalter an den Automaten durch Touchscreens ersetzt. Hat man es eilig, ist es jedoch nicht immer einfach, an den Bildschirmen durch Fingerberührung die korrekte Stelle zu treffen. Mittlerweile haben viele Fahrgäste das Deutschlandticket auf dem Handy und brauchen nicht einmal mehr eine andere Fahrkarte.

Wer heute noch ein Ticket für die Bahn kaufen muss, erledigt dies quasi im Vorbeigehen.. 
Wer heute noch ein Ticket für die Bahn kaufen muss, erledigt dies quasi im Vorbeigehen..  © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Der Museumsverein Reinbek hat um die 4000 historische Fotos

„Klaus Müller versteht mehr von der Bahn als wir“, lobt Frank Manzel, Vorsitzender des Vereins. „Es ist das erste Mal, dass wir bei unserem historischen Kalender einen Themenschwerpunkt gesetzt haben. Denn wir wollen nicht ein ums andere Mal die gleichen Motive zeigen. Wir haben einen großen Fundus, etwa 4000 historische Aufnahmen über Reinbek und von Reinbekern.“ Kriterien seien die Eignung für einen Kalender, die Bildqualität, das Format und die Bildrechte für die Veröffentlichung gewesen.

Außer der Werbung für den Verein und einige 100 Exemplare hat der Verein übrigens nichts von dieser Vorarbeit. Aber Frank Manzel weiß auch, wie beliebt die historischen Kalender sind. „Und wir sind froh, dass die Kalender-Manufaktur sich für uns um den Druck und den Vertrieb kümmert“, erklärt der Vereinschef. Und auch darüber, dass der Verein nicht auf einer Restauflage sitzen bleiben könne.

Der Kalender des Museumsvereins im Din-A3-Format kostet 19,90 Euro und ist im Buchhandel oder im Online-Shop der Kalender-Manufaktur erhältlich.