Reinbek. Der Museumsverein bietet einen neuen historischen Stadtrundgang an. Was an diesem Angebot von Frank Manzel besonders reizvoll ist.

Der Herr am Mühlenteich, gekleidet mit Zylinder, Gehrock und Spazierstock, echauffiert sich: „Haben Sie heute schon die Bergedorfer Zeitung gelesen? Eine Unverschämtheit!“ Er zieht ein Exemplar aus dem Jahr 1877 hervor und zitiert daraus, dass Hotelier Specht zu 50 Mark Geldstrafe wahlweise auch fünf Tage Gefängnis verurteilt worden war. Denn Wilhelm Specht hatte es gewagt, öffentlich die Worte des Vogtes anzuzweifeln.

Nachdem der vornehme Herr – in dessen Kleidern übrigens Frank Manzel, Vize des Museumsvereins steckt – sich noch ein wenig aufgeregt hat, gib er einen Schnelldurchlauf durch Reinbeks Entstehungsgeschichte. Mit dem Zisterzienserinnenkloster im 13. Jahrhundert, der Zeit der Dänen bis zum Ende des dreißigjährigen Krieges 1648, während der 1576 das Reinbeker Schloss erbaut wurde, einer Zerstörung und Plünderung jedoch entging. „Das mag auch daran gelegen haben, dass das Reinbeker Schloss an keiner strategisch wichtigen Stelle lag, vielmehr unbedeutend im Dreieck der Handelswege von Hamburg nach Lüneburg und nach Lübeck und Lüneburg nach Lübeck“, stellt der vornehme Herr fest.

Den Stadtrundgang durch Reinbek gestaltet Frank Manzel vom Museumsverein

Seinen Namen möchte er allerdings nicht verraten. Nur soviel, dass er ein Zeitgenosse des guten Specht sei. Nachdem der Regierungsbaumeister Christian Frederik Hansen verhindert hatte, dass das zunehmend vernachlässigte Schloss abgerissen wurde, kaufte es 1874 die Familie Specht. Sie habe es zum Hotel umgebaut, berichtet der Zeitreisende. „Der alte Reichskanzler Bismarck kommt gern zum Dinieren hierher und trinkt ein gutes Glas Wein“, erzählt er. „Denn sein Weinkeller im Schloss Friedrichsruh ist noch nicht fertig.“ Dann flaniert der distinguierte Herr mit seinen Zuhörergruppe über die Straße in Richtung alte Dänenbrücke.

„Ab jetzt bewegen wir uns in dem Reinbek meiner Zeit: ungefähr um 1880“, erzählt er. Mit Hilfe von Abbildungen erläutert er, wie Reinbek damals ausgesehen hat: Über die alte Brücke habe damals der einzige Weg nach Reinbek hinein geführt. Schon zu Zeiten des Klosters gab es hier eine Wassermühle. Die Radkuhle, zu der das Wasser aus dem Mühlrad unter der 1793 errichteten Dänenbrücke floss, war mit einer Mauer aus Findlingen befestigt. Bis 1815 habe ein weiterer Wasserlauf eine Walkmühle angetrieben.

Straße war durch das „sächsische Thor bei Reinbeck“ bis 8148 versperrt

Noch zu seiner Zeit habe ein Schild am Ende des Mühlendamms, über den die Straße stadtauswärts führte, erklärt: „Einpassierende Waren sind direkt nach dem Zollhaus in Reinbeck zur Anmeldung zu bringen“. Denn die Straße war durch das „sächsische Thor bei Reinbeck“ bis 1848 versperrt. Es markierte die Reichsgrenze des dänischen Königreiches, das bis an die Bille reichte. Bevor der Pförtner den Durchgang freigab, mussten Passanten ein Torgeld zahlen.

„Übrigens, die Kornmühle betrieb zu meiner Zeit Heinrich Wilhelm Lange als modernen Industriebetrieb mit Wasserturbine und Dampfmaschine in einem vierstöckigen Fachwerkbau“, erläutert der Flaneur. „Ganz entscheidend für die umfangreiche Modernisierung und Erweiterung war der nahe Güterbahnhof der seit 1846 bestehenden Eisenbahnstrecke Hamburg-Berlin.“ Reinbeks erstes Elektrizitätswerk an Stelle der Mühle wird erst 1899 errichtet. Aus dem Amtsbezirk reist man mit Pferd und Wagen oder der Droschke an um Geschäfte zu erledigen. Außerdem wurde das Korn zum Mahlen gebracht. Drumherum entwickelten sich Gewerke wie Radmacher, Schmiede, Ausspann, aber auch Gasthöfe und Handelshäuser.

Manches Gebäude von damals ist noch heute zu sehen

„Zu meiner Zeit kamen auch Geschäfte hinzu, die uns Hamburger Sommerbewohner mit dem Nötigsten versorgten“, berichtet der anonyme Herr. „Nachdem 1846 die Eisenbahnstrecke mit unserem Bahnhof angelegt wurde, veränderte sich das Leben langsam aber sicher zu dem Reinbek Ihrer Zeit.“ Frank Manzel führt die Gruppe die Bahnhofstraße entlang bis zum Landhausplatz. Er erklärt die Geschichte der wenigen Häuser, die schon damals im späten 19. Jahrhundert dort standen: Die Geschäfte im Haus Nummer eins der Bahnhofstraße, daneben Rathmann, die Kate mit Tabakverkauf, die Gasthäuser und Häuser zum „Ausspannen“ nicht nur der Pferdefuhrwerke. Das Haus des alten Fuhrunternehmens Niemann steht noch im Original.

Zum Abschluss erntet Frank Manzel (60) viel Applaus von den Vereinsmitgliedern. Der Museumsverein will die historischen Stadtrundgänge ab Herbst auch öffentlich gegen eine Spende anbieten. Der erste Termin ist am 16. Oktober um 15 Uhr. Im Laufe der Woche ist eine Anmeldung über die Website www.museumsverein-reinbek.de möglich – auch für Familienfeiern und Firmen.„ Die Frage war, wie wir als Verein wieder sichtbar werden können“, erzählt Frank Manzel. „Und ich denke, die Menschen sind bereit, sich für kurzweilige Unterhaltung Zeit zu nehmen.“