Barsbüttel. Mobilitätsangebot für Reinbek, Glinde, Wentorf und zwei weitere Orte wird geprüft. Entscheider vor Ort haben einen Wunschbetreiber.
An 65 Orten in der Region hat das E-Werk Sachsenwald mit Sitz in Reinbek bereits Ladesäulen für Elektroautos errichtet und treibt den Ausbau voran. Womöglich erweitert der Energieversorger bald sein Geschäftsfeld. Neben den klassichen Bereichen, Strom und Gas an Haushalte zu liefern, hatte man zuletzt ein Gemeinschaftsunternehmen mit den Vereinigten Stadtwerken aus Ratzeburg gegründet für den Glasfaserausbau. Dabei werden die Kabel bis in die Gebäude der Kunden gelegt. Jetzt wird geprüft, ob E-Carsharing im größeren Stil machbar ist. Die Initiative geht von Barsbüttel aus.
Politiker aus der 13.700-Einwohner-Gemeinde wünschen sich das Mobilitätsangebot in allen Kommunen, die Gesellschafter des E-Werks sind: neben Barsbüttel also Reinbek, Glinde, Oststeinbek auf Stormarner Gebiet sowie Wentorf im Kreis Herzogtum Lauenburg. Um einen zeitnahen Check wird Bürgermeister Thomas Schreitmüller bitten. Den Auftrag dazu erhält er von der Barsbütteler Gemeindevertretung am 14. Dezember. Einen entsprechenden gemeinsamen Antrag haben CDU und Grüne gestellt, der zuvor im Planungsausschuss am 30. November auf der Tagesordnung steht. Das Gremium gibt eine Empfehlung für die Sitzung des Plenums. Das Parteien-Duo hat eine Mehrheit. Insofern ist die Sache klar.
Idee mit E-Werk kam bei Veranstaltung in Barsbüttel auf
„Wenn ein Gesellschafter an uns herantritt, prüfen wir das Anliegen natürlich. Wir werden unsere Hausaufgaben machen. Elektro-Carsharing muss sich für uns aber positiv darstellen und für den Nutzer bezahlbar sein“, sagt E-Werk-Vertriebsleiter Moritz Manthey. Soll heißen: Das Unternehmen will damit Gewinne einfahren. Und für die Menschen müssen die Konditionen so attraktiv sein, dass sie aufs eigene Auto verzichten und stattdessen das Prinzip des Teilens bevorzugen. Mit der Anschaffung von Fahrzeugen allein ist es nicht getan. Manthey erwähnt Investitionen in einen IT-Dienst zum Beispiel zwecks Buchung. Er betrachtet das Thema ohne Euphorie. „Ich will keine Versprechen machen.“
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Zumindest aber hat er den Barsbüttelern signalisiert, dass so ein Vorhaben unter der Vorraussetzung eines wirtschaflichen Betriebs durchaus interessant wäre für sein Unternehmen. Anlass zur Hoffnung gab Manthey vor Kurzem eine Veranstaltung der Grünen, wo zudem der Vorstand des Vereins Dorfstromer sprach. Die seit August 2018 existierende Organisation aus Hollern-Twielenfleth (Niedersachsen) hat ihre Flotte von anfangs drei auf 23 Fahrzeuge ausgebaut. Der Verein ist auch in Hamburg aktiv. Wer eines seiner Autos bewegt, ist Mitglied und zahlt einen Monatsbeitrag. Die Nutzung kostet fünf Euro die Stunde. Pro Miete sind 250 Kilometer frei, für jeden weiteren werden 30 Cent berechnet. Ladesäulen und Parkplätze werden Dorfstromer zur Verfügung gestellt.
Gute Konditionen beim Fahrzeugkauf durch Mitgesellschafter Thüga
Eine Kooperation ist für Grüne und CDU zwar denkbar. Sie soll für Barsbüttel aber erst forciert werden, wenn die priorisierte Variante mit dem E-Werk Sachsenwald scheitern sollte. „Ziel ist es, das Angebot in beiden Fällen spätestens Ende 2024 zu starten. Über die Gemeinde und mit dem E-Werk als verlässlichem Partner hätten wir natürlich eine viel breitere Außenwirkung, um das Modell zu bewerben“, sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Angela Tsagkalidis.
Zu den Anteilseignern des an der Hermann-Körner-Straße ansässigen Betriebs zählt neben den Städten und Gemeinden auch die Thüga Aktiengesellschaft. Sie ist an rund 100 kommunalen Unternehmen der Energiebranche beteiligt. „Durch die Größe bekommt man gute Konditionen beim Fahrzeugkauf sowie beim Abschluss von Versicherungen“, so Henri Schmidt, Fraktionschef der Christdemokraten. Er und Tsagkalidis betonen, dass das E-Werk für nachhaltige und langfristige Lösungen stehe. Ein weiterer Vorteil sei, dass Barsbüttel als Miteigentümer unmittelbaren Einfluss auf die Steuerung des Geschäftsfelds habe. Hinzu kommt der stetige Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur.
Neue Carsharing-Angebote gibt es vor allem im ländlichen Raum
Damit begonnen hatte das E-Werk Sachsenwald 2016. Für kommendes Jahr sind 20 weitere sogenannte AC-Stromtankstellen mit zwei Anschlüssen und jeweils 22 Kilowatt Leistung, vier davon in Barsbüttel, sowie zwei Turbosäulen mit bis zu 150 Kilowatt in der Region geplant. Die Gemeinde und Nachbarkommunen hatten in der Vergangenheit versucht, Carsharing-Unternehmen und zum Beispiel den Sammeltaxi-Anbieter Moia für ein Engagement zu gewinnen. Die Bemühungen blieben erfolglos.
Das Carsharing-Angebot hierzulande wächst stetig. Die Zahl der in Deutschland bereitgestellten Fahrzeuge erhöhte sich laut Bundesverband Carsharing (bcs) bis zum Stichtag 1. Januar 2023 innerhalb eines Jahres um 3730 auf 33.930. Zum Jahreswechsel gab es in Deutschland 1082 Städte und Gemeinden mit solch einer Offerte und damit 147 mehr als zwölf Monate zuvor. Neue Angebote sind vor allem in Kommunen mit weniger als 50.000 Einwohnern im ländlichen Raum hinzugekommen.
Das bestärkt die Barsbütteler Initiatoren und macht Hoffnung auf Umsetzung im Süden Stormarns. Der Vorstoß kommt bei Patrick Ziebke, Frationsvorsitzender der Reinbeker CDU, gut an. Er sagt: „Natürlich ist Carsharing interessant. Ich bin allerdings kein Freund davon, Dinge auszuprobieren. So ein Projekt muss sich mittelfristig tragen und nicht nur ein bis zwei Jahre Bestand haben.“ Frank Lauterbach, Fraktionschef der SPD in Glinde: „Eine Prüfung ist in Ordnung. Ich persönlich sehe es aber skeptisch und bezweifel, dass eine ausreichende Zahl an Menschen auf das Angebot zurückgreift.“ In Oststeinbek ist man schon einen Schritt weiter. Im jüngsten Bauausschuss wurde beschlossen, der Barsbütteler Initiative zu folgen. Der formale Weg zu Carsharing im Südkreis gestaltet sich so: Neben der Prüfung mit positivem Ausgang bedarf es politischer Beschlüsse in den Kommunen. In einem letzten Akt entscheiden dann die Gesellschafter.