Ahrensburg. Viele Hausärzte impfen nicht mehr gegen Covid-19. Wer sich immunisieren lassen will, muss oft etwas suchen. Was Experten raten.
Sobald das kalte Wetter dafür sorgt, dass Menschen sich vorwiegend in Gebäuden treffen, sind Erkältungskrankheiten wieder auf dem Vormarsch. Die engen Kontakte in Räumen wirken sich auf die Viren wie ein Booster aus und sorgen derzeit für eine regelrechte Krankheitswelle. Damit steigt auch die Zahl der Corona-Fälle an – nahezu jeder kennt jemanden, der aktuell an Covid-19 erkrankt oder gerade genesen ist. Wer dem Virus ein Schnippchen schlagen und sich und andere schützen will, kann sich seit September mit dem an die neuen Virusvarianten angepassten Impfstoff impfen lassen.
Das Robert Koch Institut (RKI) empfiehlt die Auffrischungsimpfung für Risikogruppen. Dazu zählen Menschen ab einem Alter von 60 Jahren und solche mit Vorerkrankungen. „Durch die Auffrischimpfung wird das Risiko für schwere Krankheitsverläufe, Hospitalisierungen und Covid-19-bedingte Todesfälle verringert“, heißt es vonseiten des RKI. Ein Blick auf die aktuelle Statistik zu Neuinfektionen gibt für den Kreis Stormarn eine Sieben-Tage-Inzidenz von 18,8 aus, zum Vergleich: Im Kreis Steinburg liegt sie bei 42,8, für Schleswig-Holstein wird sie mit 21,6 angegeben (Stand 14. November). Klar ist aber auch: Die Dunkelziffer liegt weit höher. Das könnte unter anderem auch daran liegen, dass PCR-Tests, die eine sichere Diagnose liefern, nicht mehr von allen Laboren angeboten werden, womit auch die Weitermeldung positiver Testergebnisse an das Gesundheitsamt entfällt.
Corona auf dem Vormarsch – wo es jetzt noch Impfungen gibt
Doch wer ist für die Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoff zuständig? Prof. Henrik Herrmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, sagt: „In der Regel werden Impfungen von niedergelassenen Ärzten wie Hausärzten oder Kinder- und Jugendärzten durchgeführt.“ Doch so mancher Impfwillige stellt überrascht fest, dass sein Hausarzt die Impfung generell ablehnt. „Ein Arzt oder eine Ärztin hat keine Behandlungsverpflichtung, außer bei Notfällen“, erläutert Herrmann. „Sollte die eigene Hausarztpraxis keine Impfung gegen das Corona-Virus anbieten, haben Patienten die Möglichkeit, in anderen Arztpraxen nachzufragen, ob diese die Impfung anbieten.“
Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn in vielen Praxen gilt: Geimpft werden nur Bestandspatienten. Verständlich, warum sollte ein Arzt für einen Kollegen einspringen, der der die Corona-Impfung schlichtweg verweigert, und sich so zusätzliche Arbeit aufhalsen? Auf die Nachfrage nach einem Impftermin teilte die Mitarbeiterin einer Ahrensburger Hausarztpraxis mit, dass sich das Impfen für die dort tätigen Mediziner nicht lohne. Zu gering sei der Verdienst, der Aufwand zu groß. „Die Impfung erfolgt aus medizinischen Erwägungen heraus. Vergütungsaspekte sollten dabei sekundärer Natur sein, auch wenn eine auskömmliche Finanzierung ärztlicher Leistungen eine Selbstverständlichkeit ist“, meint Herrmann.
Corona: Hausarzt vollzieht Wende vom Impfbefürworter zum Skeptiker
Doch auch mit den medizinischen Erwägungen ist das so eine Sache. Axel Linz praktiziert seit 17 Jahren als Allgemeinmediziner in Wentorf. Er sei alles andere als ein unverantwortlicher Querdenker und habe die ersten drei Booster-Impfungen noch mit Enthusiasmus verimpft. „Das hat schwere Verläufe verhindert, aber mehr nicht“, stellt er fest. Mittlerweile impfe er nicht mehr gegen Covid. „Das hat zwei Gründe“, so Linz. „Im Vergleich: Eine Masernimpfung, die reiße ich auf und impfe, fertig. Für den Covid-Impfstoff, den ich selbst anmischen muss, brauche ich sechs Patienten.“ Dies sei aufwendig und gehe zulasten der anderen Patienten. Nikolaus Schmidt, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH), hat Verständnis für die Kritik. „Der bürokratische und organisatorische Aufwand beim Covid-Impfstoff für die Bestellung und Verwendung ist unverändert hoch, und es sind ausschließlich Mehrfachdosen verfügbar.“ Weil bei einer geringen Zahl von Impfinteressenten ungenutzter Impfstoff vernichtet werden müsse, habe sich möglicherweise ein Teil der Praxen entschieden, keine Covid-Impfung anzubieten.
Doch der organisatorische Mehraufwand ist nicht der einzige Grund, warum Linz die Impfung ablehnt. Medizinisch betrachtet sei er mittlerweile ebenfalls skeptisch: „Nach der Immunisierung gegen die Masern, nach zwei Impfungen, kann ich niemanden mehr anstecken“, erläutert der Mediziner. „Das ist bei Covid anders, obschon wir jetzt schon bei der vierten, fünften Impfung sind.“ Zudem sehe er die Covid-Impfung als „Zeitbombe“: „Wir sehen Nebenwirkungen wie die Herzmuskel-Schwäche bei jungen Menschen oder auch Augen-Venen-Thrombosen. Die Uni-Kliniken in Süddeutschland haben damit schon reichlich zu tun.“ Er betont: „Wir wissen nicht, was noch an Langzeitfolgen der Impfungen auf uns zukommt. Den Masernimpfstoff gibt es seit den 1970er-Jahren, den Covid-Impfstoff seit zwei Jahren.“
Impfzentren wie zur Zeit der Pandemie wird es nicht mehr geben
Zur Versorgung der Patienten mit dem Vakzin sagt Nicole Brandstetter, Pressesprecherin der Ärztekammer Schleswig-Holstein: „Der Sicherstellungsauftrag liegt bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Das bedeutet, dass die Kassenärztliche Vereinigung die
ambulante medizinische Versorgung organisiert.“ Eine Neuauflage der Impfzentren schließt Marius Livschütz, Sprecher des schleswig-holsteinischen Gesundheitsministeriums, aus. Er sagt: „Während der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung eine staatliche Impfstruktur und Impfangebote ermöglicht und gemeinsam mit den Ländern finanziert, um die Immunisierung gegen eine damals neue Virenerkrankung voranzutreiben.“ In dieser Phase sei es notwendig gewesen, zusätzlich zu den Impfmöglichkeiten bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten staatlich organisierte Impfangebote zu schaffen, da die ganze Bevölkerung aufgerufen gewesen sei, „sich durch eine Corona-Impfung vor schweren und schwersten Krankheitsverläufen zu schützen“.
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„Heute ist das Coronavirus endemisch. Impfungen zum Schutz vor Corona, wie auch bei Influenza und anderen Erkrankungen, finden insbesondere in Hausarztpraxen statt – das ist also keine Neuigkeit, sondern der Normalfall“, so Livschütz weiter. Eine Verschiebung der Verantwortung hin zu den Ärzten kann er in diesem Vorgehen nicht erkennen. Vielmehr sei der Staat während der Pandemie eingesprungen. Zwar könnten die Ärzte selbst entscheiden, welche Impfungen sie anbieten. „Andererseits kann es aber nicht sein, dass man dann sagt, wir bieten keine Impfungen für Menschen an, wo sie notwendig sind.“ Dass die Impfungen nicht in Einzeldosen verfügbar seien, könne nur dann ein Problem darstellen, wenn nicht genügend Nachfrage bestehe.
Ahrensburger Apotheke richtet spezielle Impftage ein
Über mangelnde Nachfrage kann sich Apothekerin Anna Köhler von der easyApotheke in Ahrensburg wirklich nicht beklagen. „Wir haben mehr Anfragen, als wir zurzeit bewältigen können.“ Die nächsten freien Termine gebe es am 6. Dezember. Doch auch dieser Impftag kann schnell ausgebucht sein. Notfalls müssten weitere Tage eingeschoben werden. „Das war bislang dreimal der Fall“, berichtet Köhler. Auch ein Sonntag sei dafür schon in Betracht gezogen worden. Für die Entscheidung, sich in einer Apotheke impfen zu lassen, mag es viele Gründe geben. Patienten berichteten ihr jedoch manchmal, dass deren Ärzte sie nicht impfen wollten.
Wer in Stormarn eine Praxis sucht, die Corona-Schutzimpfung anbietet, kann außerdem die Ärztesuche der KVSH unter arztsuche.kvsh.de nutzen. „Wir bieten als KVSH den Ärzten die technische Möglichkeit, ihre Leistung der Covid-Impfung direkt im Portal zu hinterlegen“, so Nikolaus Schmidt. Er könne jedoch nicht sagen, ob alle Mediziner, die das anbieten, „hierfür auch diese Möglichkeit der Bekanntmachung nutzen“. Gleiches gilt für die Online-Apothekensuche unter apoguide.de/apothekensuche, denn die Einträge werden von den Apotheken selbst gepflegt. Georg Zwenke, Geschäftsführer des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, appelliert daher an alle Apotheken, die sich an den Impfungen beteiligen, diese Leistung auch im Portal einzustellen. Wer auf diesen Wegen noch immer nicht fündig geworden ist, für den hat Livschütz noch einen Tipp parat: „Einfach den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter 116 117 anrufen, der hilft weiter.“