Ahrensburg. VCD kritisiert Entwurf der Deutschen Bahn und befürchtet dramatische Folgen fürs gesamte Hamburger S-Bahn-Netz. Die Gründe.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) befürchtet, dass die derzeitige Planung für die S4 bei Ahrensburg ins Chaos auf der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck führt. Auslöser sei das Nadelöhr hinter dem Bahnhof Gartenholz, an dem die S4 in Richtung Bargteheide und Bad Oldesloe von ihren eigenen Schienen auf die beiden bestehenden Fernbahngleise einfädelt. Der VCD-Landesverband Nord hat deshalb eine offizielle Einwendung im laufenden Verfahren zum Planfeststellungsabschnitt 3 (Landesgrenze Hamburg/Schleswig-Holstein bis Ahrensburg-Gartenholz) eingereicht.

Der Verein, der sich für eine sozial- und umweltverträgliche Verkehrswende für alle Menschen einsetzt, fordert eine Änderung der Planung. Laut Antrag der Deutschen Bahn wechselt die S4 zwischen Gartenholz und Bargteheide „höhengleich“ von ihren Extra-Gleisen auf die vorhandene Strecke nach Lübeck. Das bringt die ebenerdige Kreuzung mit dem gesamten Gegenverkehr in Richtung Hamburg inklusive Regional-, Fern- und Güterzügen Richtung Skandinavien mit sich. Darin sieht der VCD ein großes Risiko für Verspätungen, die sich auf das gesamte S-Bahn-Netz der Hansestadt auswirken werden.

VCD-Einwendung zum Bau der S4: Verspätungen ziehen sich ins Hamburger S-Bahn-Netz

„In unserer Einwendung machen wir deutlich, dass mit der bisher geplanten Infrastruktur die S-Bahn ständig verspätet sein wird und sich diese Verspätungen auch in das Hamburger S-Bahn-Netz übertragen werden. Alternativ kommt es zum Chaos im Güter-, Regional- und Fernverkehr“, sagt Janna Schulte, Vorstandsmitglied des VCD Nord. Sollten die Planungen tatsächlich so umgesetzt werden, wäre der einzige Weg, den S-Bahn-Takt bis Bargteheide zu verringern. „Und das ist nicht im Sinne der Fahrgäste und der Mobilitätswende“, so Schulte.

Hinter dem Bahnhof Ahrensburg-Gartenholz endet das Extragleis für die S4.
Hinter dem Bahnhof Ahrensburg-Gartenholz endet das Extragleis für die S4. © Stormarn | db

In der Hauptverkehrszeit wird die S4 bis Ahrensburg alle zehn Minuten und bis Bargteheide im 20-Minuten-Takt fahren. Das bedeutet, dass in einer Stunde drei S-Bahnen das Gleis Lübeck–Hamburg kreuzen müssen. Der VCD hat ausgerechnet, dass es laut Fahrplan in einem zweistündigen Zeitraum zwischen 18 und 20 Uhr bei fünf von sechs Einfädelungen zu zeitlichen Konflikten mit anderen Regionalexpress- oder Güterzügen kommen wird.

VCD fordert Brücke oder Tunnel statt Kreuzung der Gleise

Selbst bei einer eventuell möglichen Anpassung der Abfahrtszeiten ist es für den VCD „höchst zweifelhaft“, ob ein neuer Fahrplan mit der notwendigen Betriebsqualität umzusetzen wäre. Schließlich sollen die S4-Waggons in Hamburg-Hasselbrook in eine mit zwei anderen Zügen pro zehn Minuten belastete Strecke einfädeln. Ab Hamburg-Hauptbahnhof fahren dann vier Züge pro zehn Minuten. „Eine Verspätung von zwei Minuten im S-Bahn-Verkehr hätte also schon erhebliche Rückwirkungen auf das gesamte S-Bahn-Netz“, so das Resümee des Verkehrsclubs.

Der VCD Nord fordert einen Entwurf, der die Engstelle am Ahrensburger Stadtteil Gartenholz vermeidet. Beispielsweise könne ein sogenanntes Überwerfungsbauwerk – eine Brücke oder ein Tunnel – errichtet werden. Damit könnten die S-Bahnen kreuzungsfrei über die Gleise der Fernbahn geführt werden. „Dies ist deutlich günstiger als der von der Bahn ursprünglich geplante dreigleisige Ausbau bis Bargteheide und löst das Problem“, sagt Janna Schulte.

Schlimmstenfalls werden Bargteheide und Bad Oldesloe von S4 abgeschnitten

In ihrer Vorplanung hatte die Bahn tatsächlich noch die Variante mit einem separaten S-Bahn-Gleis bis Bargteheide favorisiert. Diesen Ausbau, der aus Kostengründen gestrichen wurde, bringt der VCD Nord ebenfalls als Lösung ins Spiel. Auf jeden Fall sollte eine spätere Ergänzung zumindest planerisch berücksichtigt werden, um aufwendige Gleisverlegungen und Anpassungen an der Oberleitungsanlage zu vermeiden.

Sollte die Bahn an ihrer Planung festhalten, erwartet der VCD drastische Konsequenzen für Stormarn: Mit der Infrastruktur könne ein technisch und wirtschaftlich vertretbares Betriebsprogramm nur erreicht werden, wenn die S4 in Gartenholz ende. Um die wegfallenden Kapazitäten auszugleichen, müsste der Regionalexpress zusätzlich in Bargteheide, Bad Oldesloe und auch Kupfermühle halten.

Die Stadt Ahrensburg mahnt ebenfalls Lösung des Problems an

Der VCD kritisiert zudem, dass die Bahn ihre eisenbahnbetriebswissenschaftlichen Untersuchungen, die genau solche Probleme zeigen würden, nicht veröffentlicht habe. Stattdessen sei den ausgelegten Unterlagen „eine Powerpoint-Präsentation mit 15 Folien ohne inhaltliche Aussagekraft“ beigefügt worden. Dieses grundsätzliche Problem müsse dringend behoben werden.

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Unterstützung erhält der VCD von der Stadt Ahrensburg. Diese erinnert in ihrer Einwendung daran, dass die S4 ganz zu Beginn sogar zweigleisig bis Bargteheide und eingleisig bis Bad Oldesloe geplant war. Die Stadt prognostiziert ebenfalls große Schwierigkeiten an der Gleiskreuzung hinter Gartenholz.

„Wir fordern, die ursprünglich zweigleisig bis in den Bahnhof Bargteheide geplante Streckenführung der S4 mindestens eingleisig im weiteren Streckenverlauf in die Planfeststellung wieder mit aufzunehmen, weil wir bei der jetzigen Variante erhebliche Fahrplanstörungen erwarten, die sich negativ auf den S-Bahnbetrieb für Ahrensburg auswirken werden“, heißt es in der Stellungnahme.

Mit der S4 sollen sich die Fahrgastzahlen weit mehr als verdoppeln

Die S4 soll Ende 2029 zwischen Hamburg-Altona, dem Hauptbahnhof, Ahrensburg, Bargteheide und Bad Oldesloe pendeln. Der Abschnitt bis Rahlstedt soll bereits Ende 2027 eingeweiht werden. Zwei neue Gleise führen von Hamburg-Hasselbrook bis zum Ahrensburger Regionalbahnhof, ein zusätzliches Gleis im Anschluss bis Gartenholz. Von den geschätzten Gesamtkosten von 1,85 Milliarden Euro übernimmt der Bund rund 84 Prozent.

Laut Prognose soll die Zahl der Fahrgäste zwischen Wandsbek und Bad Oldesloe von knapp 30.000 (Regionalbahn 81 im Jahr 2018) mit der S4 auf fast 72.000 steigen. Allein für die neue Haltestelle Ahrensburg-West werden 4200 Ein- und Aussteiger erwartet. Deutliche Zuwächse soll es auch für Bad Oldesloe (3700 Fahrgäste/plus 1700), Kupfermühle (600/plus 400), Bargteheide (5500/plus 1500), Gartenholz (1900/plus 300) und Ahrensburg (9300/plus 2500) geben.