Bad Oldesloe. Rechtspopulisten im Kreis Stormarn Zünglein an der Waage. Debatte über Brandmauer entbrannt. Sozialdemokraten erwägen krasse Reaktion.

Wie hoch, breit und undurchlässig sollte die Brandmauer zur AfD sein? Vor dieser drängenden Frage steht Stormarns SPD-Kreistagsfraktion seit der jüngsten Sitzung des Verkehrsausschusses Ende Oktober. Anlass ist der eigene Antrag auf zusätzliche Finanzmittel für das Mobilitätsprojekt HVV hop im Raum Trittau für das kommende Haushaltsjahr. Mit knapper Mehrheit von sechs zu fünf Stimmen war die Initiative für die finale Beschlussfassung im Finanzausschuss am Montag, 20. November empfohlen worden.

Doch statt Freude über das Ergebnis machte sich bei den Sozialdemokraten umgehend blankes Entsetzen und Hektik breit. Der Grund: Für die entscheidende Stimme hatte René Velarde-Rast gesorgt. Und der ist Mitglied der AfD-Fraktion.

Stormarn: SPD-Antrag kommt nur mit AfD-Stimme durch – und nun?

„Die AfD durchbricht Brandmauer zur SPD“, feierte AfD-Fraktionssprecher Karl-Heinz Lenz das Abstimmungsergebnis im Verkehrsausschuss prompt am nächsten Tag in den sozialen Netzwerken. Diese Interpretation konnte die SPD offenbar nicht auf sich sitzen lassen.

„Dass ausgerechnet die Rechtsaußenpartei für die ausschlaggebende Stimme gesorgt hat, können wir nicht einfach so hinnehmen“, sagte SPD-Fraktionschef Frank Schmalowsky dieser Redaktion. Man spekuliere nicht auf die Stimmen der AfD und werbe nicht um deren Unterstützung. „Wir lehnen jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ab und wollen ihr auf gar keinen Fall eine Bühne bieten, Brandmauer ist Brandmauer“, so Schmalowsky.

SPD: „Desaster“ wäre vermeidbar gewesen

Dabei hätte sich das „Desaster“ aus seiner Sicht leicht vermeiden lassen. Zu einer Abstimmung hätte es eigentlich erst gar nicht kommen dürfen, weil der Antrag sehr kurzfristig gestellt worden war. Eine Vertagung mit dem Hinweis auf weiteren Beratungsbedarf wäre deshalb ebenso eine Option gewesen wie eine Sitzungsunterbrechung. Hier habe sich jedoch deutlich die Unerfahrenheit einiger junger Ausschussmitglieder gezeigt.

Andererseits habe die SPD-Faktion mit einer Zustimmung der FDP gerechnet. Deren Bekundungen zufolge sei sie ja für eine Fortsetzung des Pilotprojekts HVV hop im ländlichen Raum. Dennoch hatten die Freien Demokraten den SPD-Antrag abgelehnt wie die CDU, weil über eine Aufstockung der finanziellen Mittel des Kreises erst am Ende der laufenden Förderperiode befunden werden sollte.

Halbierung des Kreiszuschusses wäre eine Option

Doch wie nun umgehen mit der „verfahrenen Situation“, das bereitet den Sozialdemokraten einiges Kopfzerbrechen. „Wir werden jetzt mit CDU und FDP Kompromisse ausloten, um im Finanzausschuss vielleicht doch noch eine deutliche Mehrheit für unseren Antrag zu bekommen“, sagt Schmalowsky. Das sei vielleicht möglich, wenn die SPD die beantragten zusätzlichen Geldmittel von 100.000 auf 50.000 Euro absenke.

Meinung: Stormarns SPD steckt in einem Dilemma

Nicht ausschließen wollte Schmalowsky unterdessen, dass die Sozialdemokraten ihren eigenen Antrag sogar zurückziehen. „Wir werden künftig bei wichtigen Anträgen auf jeden Fall vorfühlen, ob wir mit der Unterstützung aller demokratischen Parteien rechnen können“, so der SPD-Fraktionschef. Dass die AfD zum „Zünglein an der Waage“ werde, dürfe sich jedenfalls nicht wiederholen.

FDP: Werden uns von AfD nicht abhängig machen

Einen vergleichsweise harmlosen Antrag wegen einer AfD-Stimme möglicherweise im Nachhinein zu kassieren, stößt bei den etablierten Parteien unterdessen auf Unverständnis. „Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, dass gewählte AfD-Abgeordnete das Recht haben, abzustimmen. Ob und wie sie das tun, sollte für die eigene Entscheidung nicht ausschlaggebend sein“, sagt CDU-Fraktionschef Joachim Wagner. Es sei doch dem Bürger kaum zu vermitteln, wenn man zu seinem selbst eingebrachten Antrag nicht stehen könne.

So beurteilt das auch FDP-Fraktionschef Thomas Bellizzi. „Wenn wir liberale, weltoffene Anträge gemäß unserem Wahlprogramm stellen, um wichtige Themen für den Kreis und seine Bürger voranzubringen, können wir mit Stimmen der AfD leben, auch wenn es mal knapp wird“, erklärt Bellizzi.

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Was werde aber für ein Signal ausgesendet, wenn man in solchen Fällen, eigene Anträge und Ideen einfach wieder kassiere, fragt er. Da keine Partei im Kreistag eine absolute Mehrheit habe, müsse immer um Mehrheiten gerungen werden, zuweilen auch mit Kompromissen. „Wir werden uns vorab aber gewiss nicht mit der AfD abstimmen, so viel ist sicher. Sich von deren Abstimmungsverhalten jedoch abhängig zu machen, hieße, das Heft des Handelns aus der Hand zu geben. Dafür sind wir aber nicht gewählt worden“, stellt Bellizzi klar.

Ähnlich fällt auch das Statement der Grünen aus. „Absprachen mit der AfD wird es für uns nicht geben, da sind wir klar und eindeutig“, sagt Fraktionschefin Sabine Rautenberg. Man müsse lernen, mit den Rechtspopulisten umzugehen, ohne die eigene Linie zu verlassen. Gute, konstruktive und sinnvolle Anträge aber erst gar nicht zu stellen, wenn sie womöglich von der AfD unterstützt werden könnten, sei jedoch nicht der richtige Weg. Hier müssten sichere Mehrheiten gesucht werden, um erst gar nicht von der AfD abhängig zu sein.