Ahrensburg. Der Vorwurf: Beleidigung. Was der Kreispolitiker über die FDP-Verteidigungsexpertin getwittert hat – und wie er sich jetzt erklärt.
Ein Tweet des Sprechers der AfD-Fraktion im Kreistag Stormarn, Karl-Heinz Lenz, auf dem Nachrichtenportal Twitter hat jetzt ein juristisches Nachspiel. In einem Beitrag vom 27. Februar hatte Lenz die Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, als „Gauleiterin“ bezeichnet. Deshalb erstattete der Anwalt der Politikerin kürzlich Strafanzeige wegen Beleidigung und stellte zugleich einen Strafantrag.
Anfang August war Lenz daraufhin eine Aufforderung zur Stellungnahme der Bezirkskriminalinspektion Lübeck zugegangen, die in dem Fall ermittelt.
Strack-Zimmermann lässt Stormarner AfD-Politiker anzeigen: „Hat mich verwundert“
„Das Schreiben hat mich aus mehreren Gründen sehr verwundert“, sagte Lenz unserer Redaktion. Die juristische Intervention der FDP-Politikerin sei für ihn ein „durchschaubarer Versuch“, die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. „Sollte mein Tweet tatsächlich strafbar sein, wäre eine Verurteilung für mich geradezu eine Auszeichnung. Und ein Nachweis meiner Teilnahme am Widerstand gegen eine Regierung, die demokratische Grundrechte missachtet“, meint der 71-Jährige.
Er bezweifelt entschieden, dass die Bezeichnung „Gauleiterin“ den Tatbestand der Beleidigung erfüllt. Das Wort Gau sei „eine uralte deutsche Bezeichnung“ für ein Gebiet und habe beim allseits bekannten Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC) bis vor einigen Jahren sogar in dessen Satzung gestanden. 2014 wurde Gau dann nach vielen Protesten wegen der Nähe zur nationalsozialistischen Terminologie durch den Begriff Region ersetzt.
Lenz spricht von einem Missverständnis: Statt Gau sei der GAU gemeint
In seinem Tweet sei es unterdessen gar nicht um einen Gau als Gebiet, sondern um den GAU als größten anzunehmenden Unfall gegangen. Als solchen sieht Lenz den von Strack-Zimmermann „geförderten Krieg gegen Russland“, der Tag für Tag viele Menschenleben auf beiden Seiten fordere.
Wenn die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses aber unbedingt auf einen Vergleich mit dem Dritten Reich hinaus wolle, dann sollte sie zunächst einmal „ihren eigenen lockeren Umgang mit militärischen Bezeichnungen aus dieser Zeit“ überdenken. Dazu hatte Lenz auf seiner Facebook-Präsenz einen Link zu einer Sendung des ZDF-Satiremagazins „heute-show“ gesetzt.
Lenz beruft sich auf Satire
In dem Ausschnitt wurde Strack-Zimmermann von Reporter Lutz van der Horst zur Personallage der Bundeswehr befragt. Worauf die Freidemokratin wissen ließ, sie sei noch gut für den „Volkssturm“. Wenn nichts mehr ginge, kämen die Frauen 60plus. Und dann müssten sich vor allem die Russen in Acht nehmen.
Wenn das durch den Hinweis auf einen Wortbeitrag in einer Satiresendung opportun sei, dann reklamiere Lenz das auch für sich. Denn bei seinem Kanal auf Twitter handele es sich seiner Ansicht nach „um eine ausdrücklich als Satire gekennzeichnete Seite“, weil er dort in erster Linie als Autor und Satiriker schreibe. Schon allein aus diesem Grund sei der Strafantrag der Gegenseite abzulehnen.
Auch selbst schon Opfer von Beleidigungen gewesen
Dass die FDP-Politikerin bei ihm so dünnhäutig reagiere, überrascht Lenz sehr. Er selbst habe nach „wirklich justiziablen Beleidigungen“, insbesondere über die sozialen Netzwerke, ebenfalls mehrfach Anzeige erstattet. In der Regel sei diesen Fällen aber nie ernsthaft nachgegangen worden. Stattdessen habe er immer wieder zu hören bekommen, dass er dies als Politiker auszuhalten habe.
„Offenbar sind Beleidigungen nur von oben nach unten zulässig, während das Volk die Schnauze zu halten und alles zu ertragen hat“, schlussfolgert Lenz und fragt: „Haben wir jetzt zwei Grundgesetze in Deutschland? Eines für die da oben und eines für die da unten?“
Auch Stormarns Klimaanpassungsmanagerin verbal attackiert
Stormarns AfD-Vize ist bekannt dafür, mit seinen Wortbeiträgen zu provozieren und zu polarisieren. In der zurückliegenden Wahlperiode sorgte er in der finalen Sitzung des Umweltausschusses Mitte Mai dieses Jahres für einen Eklat, als er die Klimaanpassungsmanagerin des Kreises, Sarah Hartwig, mehrfach verbal attackierte.
Viele Maßnahmen seien „purer, überflüssiger Aktionismus“ und die Schaffung immer neuer Planstellen in diesem Bereich eine Verschwendung von Steuergeld, kritisierte Lenz, der sich selbst als „Umweltschützer der ersten Stunde“ bezeichnet und früher sogar Mitglied der Grünen war. Die im Herbst 2022 geschaffene Stelle einer Klimaanpassungsmanagerin bezeichnete er expressis verbis als „absolut sinnlos“.
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Den Klimawandel habe es immer schon gegeben und es werde ihn auch weiterhin geben, was immer in Stormarn passiere, meint Lenz. Mit erzwungenen Gasheizungswechseln, teuren Abflussrohrkontrollen und ständig verschärften Bauvorschriften würden die Bürger aber lediglich gegängelt und bevormundet.
Um Lenz, der bei besagter Sitzung noch bürgerliches Mitglied der AfD-Fraktion war, von einer nichtöffentlichen Kenntnisnahme auszuschließen, ist seinerzeit sogar ein Tagesordnungspunkt abgesetzt worden. Worauf Lenz trotzig mitteilte, nach der Kreiswahl werde er als vollwertiges Kreistagsmitglied wieder im Umweltausschuss sitzen. Seit dieser Wahlperiode hat die AfD fünf Abgeordnete im Kreistag.