Oststeinbek. Auch eine Gedenktafel soll an die Opfer des Absturzes eines US-Bombers 1944 in Oststeinbek erinnern. Was damals geschah.

Thorsten Kelm sagt, er sei mit dem Thema Frieden die ganze Zeit seines Wirkens beschäftigt, nicht nur jetzt wegen des Krieges in der Ukraine. Allein schon von Berufs wegen. Der Mann ist seit neun Jahren Pastor in Oststeinbek. Jetzt hat er sich vom früheren Gemeindearchivar Karlheinz Schmidt überzeugen lassen, ein Mahnmal in der evangelisch-lutherischen Auferstehungskirche an der Möllner Landstraße aufstellen zu lassen. Der Bezirksausschuss hat bereits zugestimmt. Dabei handelt es sich um eine aus mehreren Teilen bestehende Zielvorrichtung eines US-Bombers, der im Zweiten Weltkrieg im Ort abgestürzt war. Wie berichtet, waren die Utensilien erst vor wenigen Wochen aufgetaucht und konnten dem Flugzeug zugeordnet werden. Das Unglück am 30. Oktober 1944 überlebte kein Insasse der Maschine. Acht Soldaten kamen ums Leben.

Die Erinnerungsstätte wird in der Kirche im Eingangsbereich jedoch nur vorübergehend eingerichtet – während der Ökumenischen Friedensdekade vom 6. bis 16. November. „Zu diesem Anlass organisieren wir mehrere Veranstaltungen, darunter einen Gottesdienst und einen Abendtreff mit Herrn Schmidt“, sagt Kelm. Dem 52-Jährigen schwebt vor, die Zielvorrichtung danach dauerhaft im Rathaus oder im Bürgersaal auszustellen. Er habe diesbezüglich mit Bürgermeister Jürgen Hettwer geredet, der eine Prüfung zugesagt habe und sich mit den Fraktionsvorsitzenden besprechen wolle. Bis Montag waren die Gegenstände aus Eisen in einem Nebenraum der Kirche gelagert. Jetzt hat sie Julián Péter mitgenommen, um sie zu reinigen. „Außerdem werde ich eine Gedenktafel mit den Namen der Absturzopfer anfertigen“, sagt er.

Todesflug von Oststeinbek: Pilot verlor in 28.000 Fuß Höhe die Kontrolle

Der 31-Jährige und Schmidt (83) haben die Umstände des Todesflugs erforscht. Dafür sprachen die Hobby-Historiker mit Zeitzeugen und studierten diverse Dokumente. Schmidt, von 2000 bis 2006 ehrenamtlicher Gemeindearchivar, begab sich vor mehr als 20 Jahren auf Spurensuche, kontaktierte Menschen, die zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs in Oststeinbek gelebt hatten. Vieles blieb jedoch unklar. Was er herausbekam: Der Bomber stürzte um die Mittagszeit ab. 2021 schaltete sich Péter mit ein. Der junge Mann ist Slowake und lebt seit 2014 in Hamburg. Sein Vater war früher Pilot bei der Luftwaffe. Schon im Kindesalter las Péter Bücher über Kampfflugzeuge, das weckte sein Interesse für Kriegsgeschichte.

Er recherchierte den Fall auf Basis der Gesprächsprotokolle im Internet, suchte nach Listen von verunglückten Flugzeugen und ließ sich von Forschern aus den USA Dokumente schicken. So konnte er die damaligen Geschehnisse lückenlos rekonstruieren. Der B-24-Bomber mit dem Namen BAR’T und der Seriennummer 44-10523 war Teil der 693. Mission der achten US-Luftwaffe über Europa, der Angriff an jenem Tag galt Ölwerken in Hamburg. Gegen 13 Uhr wurden Bomben abgeworfen, danach geriet das Flugzeug in eine dichte Wetterfront, konnte den Abstand zu einer anderen Maschine nicht halten. Der Pilot Clifford J. Bentcliff aus Chicago verlor die Kontrolle, drei der elf Besatzungsmitglieder retteten sich mit dem Fallschirm, während das Flugzeug aus 28.000 Fuß der Erde entgegen sank und in der Nähe von Gut Domhorst zerschellte. Bentcliff und sein Co-Pilot Charles L. Gempel steuerten den Bomber noch über Häuser hinweg, um Schlimmeres zu verhindern und die Zivilbevölkerung zu schützen.

Todesflug von Oststeinbek: Flügel, Motor und Zielvorrichtung landeten im Teich

Beim Aufprall katapultierten ein Flügel, ein Motor sowie die Zielvorrichtung in einen Teich, der in den 80er-Jahren entschlammt wurde. Ein Bergedorfer, der bei den Arbeiten dabei war, meldete sich ob eines Artikels in dieser Zeitung bei Schmidt und berichtete von Fundstücken. Daraufhin kontaktierte der Oststeinbeker den Eigentümer des Gutes. Der hatte das auseinandergefallende Gerät in einer Garage aufbewahrt. Dann kam wieder Péter ins Spiel. Er verglich Zeichnungen von Bombenzielvorrichtungen mit dem Original und kam zu der Erkenntnis, dass Knöpfe, Kompass und zum Beispiel der Kurs-Kreis übereinstimmen.

Schmidt hatte sofort die Idee, die Teile der Öffentlichkeit zugänglich zu machen zwecks Erinnerung an schreckliche Zeiten und Warnung zugleich – lange bevor Russland die Ukraine überfiel. Sein erster Ansprechpartner war Thorsten Kelm. In der Kirche liegt bereits ein von Schmidt angefertigtes Totenbuch. Darin sind Opfer der beiden Weltkriege aufgeführt. Die Namen der US-Soldaten, die bei dem Absturz ums Leben gekommen sind, hat er nun hinzugefügt. In dem Werk können auch längere Texte über Personen nachgelesen werden.

Kelm sagt: „Herr Schmidt arbeitet die Geschichte des Dorfes und von Familien auf, das hat eine seelsorgerische Komponente.“ Die beiden Männer funken auf einer Wellenlänge. Daher verwundert es nicht, dass der Pastor das Ansinnen des Seniors unterstützt. Der Volljurist wird demnächst im Männerkreis der Kirche auch einen Vortrag über den Nationalsozialismus im Zeitraum von 1933 bis 1945 halten. Thorsten Kelm schlägt indes vor, an der Absturzstelle des US-Bombers, wo heute ein Wohngebiet ist, eine Gedenktafel aufzustellen und diese mit der Internetseite des Kreises Stormarn zu verbinden.