Bargteheide. Stadtverwaltung und Kommunalpolitik sehen viele Schwachpunkte und Ungereimtheiten. Wo die Bahn vor allem Widerspruch provoziert hat.

Der Deutschen Bahn bläst hinsichtlich ihrer S4-Planungen ein eisiger Wind aus den Städten im Kreis Stormarn entgegen. Nachdem es schon in Ahrensburg viel Kritik gegeben hat, wird nun auch Bargteheide in der abgeforderten Stellungnahme für das laufende Planfeststellungsverfahren im dritten Bauabschnitt auf zahlreiche Schwachpunkte und Ungereimtheiten hinweisen. „Die geplante Verlagerung eines Großteils des Fahrgastverkehrs von der West- auf die Ostseite des Bahnhofs hat auch zahlreiche Auswirkungen auf das Bahnhofsumfeld, die teure und aufwendige Umbauten nach sich ziehen“, sagt Jürgen Engfer, Planungschef der Stadtverwaltung. Kosten von mehr als zehn Millionen Euro stünden im Raum, die nicht komplett auf die Stadt abgewälzt werden dürften.

Wie bereits berichtet, füllen die Einwendungen der Stadt Ahrensburg gegen das 1,85 Milliarden Euro teure Bahnprojekt üppige 67 Seiten. In zehn Kapiteln mit 64 Unterkapiteln wird auf die verschiedenen Aspekte der geplanten Baumaßnahmen eingegangen, angefangen vom Lärmschutz über die Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln und infrastrukturellen Anlagen bis zu Querungsmöglichkeiten für Mensch und Tier.

Gravierende Änderungen für den Fahrgastverkehr

Die Stellungnahme aus dem Rathaus Bargteheide umfasst zwar nur 21 Seiten samt Sachdarstellung, ist deshalb aber nicht weniger kritisch und brisant. „Natürlich begrüßt die Stadt den Bau der S4 und die Einbindung des Bahnhofs Bargteheide grundsätzlich“, erklärte Engfer. Es sei indes unverständlich, warum die Bahn lange Zeit nur eine „relativ unkonkrete Vorplanung“ vorgelegt habe. „Unser Angebot, möglichst frühzeitig in die S4-Planungen eingebunden zu werden, ist leider nicht angenommen worden“, konstatierte Engfer.

Aus den nunmehr ausliegenden Planfeststellungsunterlagen ergäben sich „gravierende Veränderungen in den Abläufen und der Abwicklung des Fahrgastverkehrs“, die mit „enormen strategischen, organisatorischen und baulichen Anpassungen“ einhergingen. Das die daraus resultierenden Kosten der Stadt aufgebürdet werden, sei nicht hinnehmbar. Die Bahn könne nicht ernsthaft argumentieren, nur für Arbeiten auf eigenen Flächen zuständig zu sein.

Bahn-Planungen tangieren gesamtes Bahnhofsumfeld

„Es wird verkannt, dass das S4-Projekt nicht an der Grundstücksgrenze zu den städtischen Flächen aufhört. Durch die vollständige Verlagerung der Hauptverkehrsabläufe auf die Ostseite werden auch Maßnahmen im Hinblick auf Infrastruktur und Barrierefreiheit notwendig, deren Verursacherin einzig und allein die Vorhabenträgerin Bahn ist“, stellte Engfer klar.

Weil die Bahn plant, den gesamten S4-Verkehr zu 80 Prozent über zwei neue Bahnsteige auf der Ostseite abzuwickeln, muss die Stadt entlang der Straße An den Stücken einschneidende Veränderungen vornehmen. Neben einer höhengleichen Anlage von Rampen zu den Bahnsteigen müssen dort unter anderem neue Bushaltestellen, Kioske, Toiletten sowie Anlagen für Park+Ride- und Bike+Ride-Plätze geschaffen werden.

Keine Lösung für das Konfliktpotenzial im Tunnel

Doch nicht einmal die Planungen auf dem Bahngrundstück selbst halten aus Sicht von Stadtverwaltung und Kommunalpolitik einer eingehenden Prüfung stand. „So hat sich die Bahn bislang nicht dazu geäußert, wie das Konfliktpotenzial in der Gleisunterführung behoben werden soll“, monierte etwa Norbert Muras, Fraktionschef der Wählervereinigung WfB. Weder sei das Problem des Kreuzungsverkehrs von Fußgängern und Radfahrern im Tunnel geklärt noch die bereits seit Langem geforderte Entschärfung der Ein- und Ausfahrten.

Darauf hatte die Stadt bereits 2019 hingewiesen, ohne dass die Bahn darauf reagiert hätte. Angesichts einer von der Bahn prognostizierten Zahl von mehr als 3200 S-Bahnnutzern täglich werde sich das Konfliktpotenzial nun sogar noch verschärfen, so die Stadtverwaltung in ihrer Stellungnahme. „Weil es ohnehin zu wenig Querungsmöglichkeiten für die Bahntrasse gibt, ist der gegenwärtig vorhandene Tunnel aus unserer Sicht definitiv unzureichend“, machte Engfer deutlich.

Bahn will keine Bahnsteigzugänge aus Unterführung

Statt direkte Bahnsteigzugänge aus der Unterführung heraus vorzusehen, setzt die Bahn lieber auf kostengünstigere Rampen außerhalb, für die natürlich die Stadt sorgen soll. Die wäre dazu auch bereit, wenn es dafür Kofinanzierungen gibt. Bahnsteigzugänge aus dem Tunnel heraus seien laut Bahn aus statischen und abdichtungsbedingten Gründen „nur sehr aufwendig umsetzbar“. Außerdem sei die Verkehrssicherheit im Tunnel ja dadurch gefährdet, weil er von Fußgängern und Radfahrern gleichermaßen genutzt werde.

Doch selbst bei der Variante Rampen außerhalb ist die Bahn von fehlerhaften Prämissen ausgegangen. So soll die Zuwegung zum S4-Bahnsteig Nord laut Planungsfeststellungsunterlagen an einen vorhandenen Gehweg angeschlossen werden, den es dort aber gar nicht gibt. „Der vermeintliche Gehweg ist eine befestigte Fläche, auf der eine Fahrradabstellanlage montiert ist und über die Personen die Rampe benutzen, um zu ihren parkenden Autos und Fahrrädern zu gelangen“, so Stefan Schröter vom Fachbereich Planung, Umwelt und öffentliche Sicherheit der Stadtverwaltung.

Planer sorgt für großes Erstaunen bei Ausschussmitgliedern

Eine Anbindung an das Gehwegenetz der Stadt Bargteheide sei folglich nicht vorhanden. Mehr noch: Sollte die Rampe an der betreffenden Stelle erhalten bleiben, müsse sie für Fußgänger sogar gesperrt werden, da ihre momentane Breite von 3,5 Metern für eine Trennung der Verkehre nicht ausreichend sei.

Johannes Krumm vom Planungsbüro Petersen Partner in Kiel, das die Stadt seit vielen Jahren bei Infrastrukturplanungen berät, warf unterdessen noch eine neue Bahnsteigvariante ins Rennen und damit ein Schlaglicht auf ein weiteres gravierendes Problem. Statt einer Trennung der beiden Bahnsteige auf der Ostseite regte er einen gemeinsamen S4-Bahnsteig an, der von zwei Gleisen aus nutzbar ist.

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Und wo halten dann die Regionalzüge, wollten Mitglieder des Planungsausschusses wissen? „Nirgends“ ließ Krumm wissen. Schließlich sei es erklärtes Ziel der Bahn, dass mit der Fertigstellung der S4 der Regionalbahnverkehr zwischen Hamburg und Bad Oldesloe entfalle. Vor allem, um dadurch den Hamburger Hauptbahnhof zu entlasten.

Diese Konsequenz war offenbar mehreren Kommunalpolitikern bislang nicht klar. „Die Regionalbahn als Option darf Bargteheide auf keinen Fall verloren gehen“, forderte Christdemokrat Christian Fischer. Zumal die geplante Taktung Richtung Norden ohnehin völlig unzureichend sei. Werden die bisherigen Bahn-Planungen umgesetzt, endet der 20-Minuten-Takt nämlich in Bargteheide. Züge in Richtung Lübeck würden es nur noch alle Stunde geben. „Ob man damit mehr Menschen zur Mobilitätswende und zur Nutzung der Schiene motiviert, muss bezweifelt werden“, so Fischer.