Bargteheide. Streit um Neustrukturierung der 158 Jahre alten Anlage. Warum Bürgerinitiative die Ostseite unter allen Umständen schützen will.

Mit dem Bau der S-Bahn-Linie 4 zwischen Hamburg und Bad Oldesloe soll der 158 Jahre alte, antiquierte Bahnhof Bargteheide vollkommen neu strukturiert werden. Weil die Deutsche Bahn die neuen Bahnsteige auf der Ostseite plant, wird sich auch ein Großteil der Umfeldverkehre dorthin verlagern. Neben P+R-Parkplätzen sowie B+R-Abstellplätzen für Fahrräder (Bike and Ride) betrifft das zudem einen Großteil der Busverbindungen. Das geht aus einem Parkraumkonzept hervor, das jüngst vom Planungsbüro SBI Hamburg im Ausschuss für Planung und Verkehr präsentiert worden ist. Wo es von Anwohnern und Mitgliedern der Bürgerinitiative Basta (BIB) scharf kritisiert wurde.

„Wie kann es eigentlich sein, dass die Grünflächen auf der Ostseite des Bahnhofs in den Planungen der Stadt offenbar gar keine Rolle mehr spielen“, fragte Bianca Walter von der BIB. Mit jedem neuen Konzept würden die Aussichten schlimmer. Ihr Mitstreiter Carsten Schröder verlangte deshalb ein Gutachten zu den Auswirkungen der Neustrukturierung auf das Stadtklima.

Mehr als 1000 Unterschriften gesammelt

Für Basta sind die von ihr so benannten Hochzeitswald und Krähenwald wichtiger Teil des einzig verbliebenen Grünzugs auf der Ostseite des Bahnhofs. Um diesen zu schützen, hatte die BIB vor sieben Jahren innerhalb kurzer Zeit mehr als 1000 Unterschriften gesammelt. Sie führten 2018 letztlich zu einer Aussetzung des Bebauungsplanverfahrens, das unter anderem die Bebauung des Wacker-Areals mit drei mehrstöckigen Wohnblöcken und einem Parkdeck zum Ziel hatte.

Letzteres ist offenbar vom Tisch, seit die Obere Denkmalschutzbehörde die alte Villa auf besagtem Grundstück als schützenswertes Bauwerk einstufte. Nun will sich Basta mit Macht auch gegen jedwede anderen Eingriffe in die bestehenden Grünflächen rund um die Straße An den Stücken stemmen. Laut BIB gebe es überhaupt keinen Grund, die Ostseite des Bahnhofs durch noch mehr ruhenden und rollenden Verkehr zu belasten.

Fahrgastaufkommen seit Corona stark rückläufig

Bestärkt sieht sich die Initiative durch aktuelle Zahlen, die das Hamburger Planungsbüros SBI im Zusammenhang mit seinem Parkraumkonzept erhoben hat. Danach erhöhte sich die Zahl der Auspendler aus der Stadt und dem Amt Bargteheide im Vergleich zu 2015 zwar um 1920 auf 8870 im Jahr 2021. Das Fahrgastaufkommen ist laut dem Verkehrsverbund NAH.SH im gleichen Zeitraum indes von 4498 um 2380 auf 2118 Bahnfahrer gesunken.

„Natürlich spielt hier die Corona-Pandemie eine maßgebliche Rolle“, sagt Torsten Schubert vom SBI. Dennoch sei gemäß verschiedener Prognosen nicht davon auszugehen, dass sie bis 2030 wieder über 4300 Fahrgäste (so NAH.SH) steigen werde. Die Deutsche Bahn rechnet nach Betriebsaufnahme der S 4 für Bargteheide ab 2028 mit rund 3200 Reisenden.

Einwohnerzahl stagniert seit 2015 bei 16.000

„Diese Annahme wird unter anderem dadurch gestützt, dass die Einwohnerzahl von Bargteheide seit 2015 bei rund 16.000 stagniert und für das Amt sogar leicht rückläufig ist“, so Schubert. Hinzu komme, dass sich das pandemiebedingt verstärkte mobile Arbeiten, etwa im Homeoffice, so schnell kaum nivellieren werde.

So könnte die Neuordnung der Verkehre nach der Verlagerung auf die Ostseite des Bahnhofs (hier unten) aussehen.
So könnte die Neuordnung der Verkehre nach der Verlagerung auf die Ostseite des Bahnhofs (hier unten) aussehen. © HA Infografik | Frank Hasse

Das Büro SBI zieht daraus den Schluss, dass perspektivisch 230 P+R- sowie 480 B+R-Stellplätze benötigt werden. Einer Bestandsanalyse vom 3. November 2022 zufolge, stehen im Umfeld des Bahnhofs aktuell 410 öffentliche Parkplätze (davon 200 P+R) und 440 Fahrradstellplätze zur Verfügung, davon aber nur 25 Prozent auf der Ostseite. Bei den Pkw-Stellplätzen beträgt die Gesamtauslastung 70 Prozent, bei den Bike-Plätzen liegt sie gar nur bei 68 Prozent.

Zwei neue S 4-Bahnsteige von je 210 Metern

So weit, so gut. Doch das alles ändert nichts an den konkreten Planungen der Bahn, die zwei neuen, jeweils 210 Meter langen S 4-Bahnsteige auf die Ostseite des Bahnhofs verlegen zu wollen. „Dass die Stadtverwaltung eine weitgehende Konzentration des P+R- und B+R-Angebots sowie des Linienbusangebots auf der Ostseite beabsichtigt, ist logisch und nachvollziehbar“, erklärt Torsten Schubert.

Deshalb soll die geplante Parkpalette für mindestens 176 Plätze ausgelegt werden, 24 ebenerdige gibt es bereits. Zudem sind dort 360 Bike-Stellplätze sowie weitere Fahrradboxen und Schließfächer geplant, um mindestens 75 Prozent der B+R-Nachfrage auf der Ostseite zu decken. In dieser Größenordnung soll sich auch die Verlagerung der Buslinien bewegen.

Keine Landesförderung für Parkpalette am Kreisel

„Ich vermisse ernsthafte Konzepte, die die Bürger zum Umdenken hinsichtlich ihrer Mobilitätsgewohnheiten bewegen“, beharrte Basta-Sprecher Lutz Hansen trotz aller Zahlen und Fakten trotzig. „Bargteheide ist ein Unterzentrum mit einem Versorgungsauftrag auch für das Umland“, hielt ihm Jürgen Engfer, Planungschef des Rathauses, entgegen. Dass alle Pendler aus den Dörfern des Amtes mit dem Fahrrad zum Bahnhof kommen könnten, sei schlicht unrealistisch.

Den immer wieder ins Spiel gebrachten Bau der Parkpalette auf dem Kreiselparkplatz westlich des Bahnhofs klassifizierte Engfer unterdessen einmal mehr als reines Wunschdenken. Dem stünden zum einen besitzrechtliche Gründe entgegen, zum anderen gäbe es durch das Land wegen der Entfernung zu den neuen Bahnsteigen keine Förderung.

CDU-Stadtvertreter Martin Flaig wies noch darauf hin, Bäume seien nicht die einzigen Klimaschützer: „Jeder Nutzer des ÖPNV ist ebenfalls ein Klimaschützer“, so Flaig. Deshalb müsse es das erklärte Ziel sein, dass wieder mehr Leute Bus und Bahn fahren. „Das erreichen wir aber nur, wenn der Umstieg durch möglichst kurze Wege erleichtert wird“, argumentierte der Christdemokrat.

Das beurteilte auch Norbert Muras, Fraktionschef der Wählergemeinschaft WfB, so. „Die Ostseite des Bahnhofs zu entwickeln, ist schlicht alternativlos. Dort wird künftig der Bär toben“, sagte Muras. Allerdings regte er an, die Parkpalette erst einmal nur mit einer Ebene zu bauen, aber mit der Option einer Aufstockung. „Dann könnten wir schauen, wie sich die Nachfrage tatsächlich entwickelt und bei Bedarf nachsteuern“, präzisierte er seinen (Kompromiss-)Vorschlag.