Ahrensburg. 19-Jähriger gründet Initiative und gibt Tipps, wie Räder besser gesichert werden können. Er stellt Forderungen an Stadt und Polizei.

Wem schon einmal ein Fahrrad gestohlen wurde, weiß, wie sich das anfühlt. Kilian Bürger aus Ahrensburg hat diese unschöne Erfahrung sogar zweimal kurz hintereinander gemacht: Als er am U-Bahnhof Ahrensburg-West auf sein Rad steigen wollte, fehlte davon jede Spur. Das Einzige, was er vorfand, war das Panzerkabelschloss, mit dem er es gesichert hatte. Für die Diebe war es offensichtlich ein Leichtes, es zu knacken. Zehn Tage später erlebte er dasselbe mit einem anderen Rad am gleichen Ort. Beide Vorfälle ereigneten sich am helllichten Tag. Als er die Diebstähle bei der Polizei angezeigt habe, seien die Beamten nett gewesen, hätten ihm aber zugleich keine großen Hoffnungen gemacht, so Bürger. „Sie sagten, dass es eher die Ausnahme sei, dass die Räder wiederentdeckt werden“, berichtet er.

„Am Anfang war da besonders der Ärger über den Klau der Fahrräder. Ich habe mich gefragt, wie das sein kann, dass mir innerhalb von wenigen Tagen zwei Räder abhanden kommen.“ In der Folgezeit habe er jedes Mal, wenn er an Bahnhöfen vorbeigekommen sei, auf Anzeichen für weitere Diebstähle geachtet. „Ich wollte wissen, ob ich der Einzige bin, dem so etwas passiert ist.“ Und er wurde fündig, entdeckte immer wieder geknackte Schlösser, die Fahrraddiebe achtlos weggeworfen hatten, und Räder, denen Teile fehlten. Aber auch solche, die nur unzureichend oder gar nicht gesichert waren. Das ganze Ausmaß der Taten veranlasste ihn zur Gründung der Initiative „Schutz vor Fahrraddiebstahl Ahrensburg“. Mit dem Ziel, solchen Taten langfristig einen Riegel vorzuschieben.

Fahrraddiebstähle in Ahrensburg: Umfragen sollen Daten liefern

Kilian Bürger dokumentiert seine Funde im Zusammenhang mit Fahrraddiebstählen fotografisch. Bei einer ersten Erkundung am U-Bahnhof Ahrensburg-West entdeckte er etliche kaputte Fahrradschlösser und Teile.
Kilian Bürger dokumentiert seine Funde im Zusammenhang mit Fahrraddiebstählen fotografisch. Bei einer ersten Erkundung am U-Bahnhof Ahrensburg-West entdeckte er etliche kaputte Fahrradschlösser und Teile. © Kilian Bürger | Kilian Bürger

Mit seiner Initiative wolle er eine Veränderung in Ahrensburg bewirken, so Bürger, und erreichen, „dass es durch das Zusammenspiel von Politik, Stadt, Polizei und Bevölkerung sicherer für Räder wird“. Für das Vorhaben stellte der 19-Jährige, der eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklungen absolviert, eigene Erhebungen an. Er befragte Passanten in der Innenstadt und startete eine Online-Umfrage.

Um eine möglichst hohe Beteiligung zu erreichen, hängte er an den Bahnhöfen Ahrensburg-West und Gartenholz Zettel auf. Der darauf abgebildete QR-Code enthielt einen direkten Link zur Erhebung. „Die Mehrheit der Teilnehmer kommt über den Code“, sagt Kilian Bürger. Zwölf Fragen sind mittels Ankreuzen schnell beantwortet. Gefragt wird unter anderem nach der Art der Fahrradnutzung und nach Angaben zu den Diebstählen. Wer bei der Umfrage mitmachen will, findet auf der Website der Initiative kilihd.de/svf/ einen entsprechenden Link.

Die Täter sind in Ahrensburg vorwiegend tagsüber aktiv

Auf Grundlage seiner Beobachtungen sowie der Befragungen von 84 Personen erstellte Bürger einen Bericht zu den Fahrraddiebstählen. Die Umfrageergebnisse stellte er anschaulich mittels Grafiken dar. Einer der Schlussfolgerungen, die der Initiator daraus zieht, lautet: „Der Aberglaube, dass Diebstähle von maskierten Personen im Schutz der Dunkelheit begangen werden, wird hier deutlich zurückgewiesen.“ Seine Aussage untermauert Kilian Bürger mit einem Tortendiagramm. Daran lässt sich ablesen, dass die Täter in Ahrensburg vorwiegend tagsüber auf Beutezug gehen. Als Hotspots ihrer Aktivitäten gehen aus der Statistik der Regionalbahnhof, der U-Bahnhof West sowie das häusliche Umfeld der Geschädigten hervor.

Bürger begibt sich zudem auf die Suche nach Sicherungssystemen, die eine echte Barriere für potenzielle Fahrraddiebe darstellen. Er verlässt sich nicht auf Ergebnisse der Stiftung Warentest, sondern steigt tiefer in die Materie ein. Er informiert sich durch unzählige Videos auf YouTube, weitet seine Recherche auf unabhängige ausländische Testinstitute wie aus den USA, Polen oder den Niederlanden aus. Die Erkenntnisse, die er daraus gewinnt, fließen in seine Empfehlungen für geeignete Schlösser und Vorsichtsmaßnahmen ein, die er zusätzlich zu seinen Informationen über seine Kanäle auf Instagram, YouTube und Discord verbreitet (Links auf der Website). Auf seinem Instagram-Account sind neben Videos zu Themen wie „Die stärksten Schlösser der Welt 2023“ und „Top Fails: Wie man das Fahrrad gestohlen bekommt“ außerdem Fotos von Rädern zu finden, die kürzlich gestohlen worden sind oder deren Besitzer gesucht werden.

Initiator nimmt Bevölkerung, Stadt und Polizei in die Pflicht

Um an die Beute zu gelangen, haben Unbekannte einen Fahrradanlehnbügel am U-Bahnhof Ahrensburg-West angesägt.
Um an die Beute zu gelangen, haben Unbekannte einen Fahrradanlehnbügel am U-Bahnhof Ahrensburg-West angesägt. © Kilian Bürger | Kilian Bürger

Aus seinen Untersuchungen leitete Bürger Handlungsfelder für die Bevölkerung, Stadt und Polizei ab. Er ist überzeugt, dass sich nur etwas ändert, wenn alle an einem Strang ziehen. So fordert er die Kontrolle von Rahmennummern beim Verkauf von Rädern auf Flohmärkten und bei Verkehrskontrollen, das Aufstellen weiterer Fahrradständer, eine Aufstockung der Anzahl von Mietboxen und weitere Maßnahmen präventiver Art. Fahrradbesitzer sollen ihr Rad immer abschließen und jeden Diebstahl oder auffällige Beobachtungen, beispielsweise wenn sich jemand an einem Fahrrad auf ungewöhnliche Weise zu schaffen macht, sofort bei der Polizei melden. Auf Anfrage steht Bürger auch für persönliche Beratungen zur Verfügung. Die Kontaktdaten finden sich ebenfalls auf der Website der Initiative.

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Einen ersten Lagebericht stellte er Bürgermeister Eckart Boege im Februar vor. Darin heißt es: „In den wenigen Rundgängen durch die Stadt zwischen dem 14.11.2022 und dem 21.02.2023 wurden rund 57 gewaltsam geöffnete und zurückgelassene Schlösser gefunden.“ Er habe von dem Bürgermeister wissen wollen, „ob er das Problem auf dem Schirm hat“. Boege habe sich Zeit für sein Anliegen genommen und Besserungen bei der Anmietung von Fahrradboxen zugesichert. Denn Bürger hatte deswegen mehrfach bei der Stadt angefragt. „Aber keine Antwort bekommen.“

In Ahrensburg stehlen Banden in großem Stil Fahrräder

Boege stellte Kontakt zu Felix Schmidt, Leiter der Kriminalpolizei Ahrensburg, her. Der lud Kilian Bürger zum Gespräch ein und lobte die Initiative. Sie hätten verschiedene präventive Möglichkeiten wie den Einsatz von so genannten Bait-Bikes, Lockvogelrädern, die mittels GPS getrackt werden können, diskutiert, so Bürger. Der Kripo-Chef wolle sich bei der Staatsanwaltschaft erkundigen, ob ein solches Vorgehen auch für Ahrensburg denkbar sei. Neu sei für ihn gewesen, dass in Ahrensburg auch Banden agieren, die in größerem Stil Fahrräder stehlen und dabei Winkelschleifer zum Einsatz kommen, so Bürger. Nach seiner Wahrnehmung werden eher abmontierte Fahrradsitze und -ständer zu Hilfe genommen, um die Schlösser durch Verdrehen aufzubrechen. Er gehe davon aus, dass die meisten Diebstähle von wenigen oder gar einem Intensivtäter begangen würden.

Die Dimension der registrierten Diebstähle lässt sich anhand der polizeilichen Kriminalstatistik ermitteln. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Dunkelziffer wesentlich höher ist. Im vorigen Jahr wurden in Ahrensburg 247 Räder als gestohlen gemeldet (Stormarn: 715). Mehr als in den Coronajahren 2021 mit 131 und 2020 mit 190 Fällen (Stormarn 489 und 687). In 2019 registrierten die Behörden 171 Diebstähle (Stormarn 665). In den Jahren zuvor waren die Zahlen auf dem aktuellen Niveau. 2018 wurden in der Schlossstadt 242 Räder entwendet, 2017 256 und 2016 291. Im gesamten Kreis Stormarn erbeuteten die Diebe 882 (2018), 1045 (2017) und 1120 (2016) Fahrräder. Wie viele davon ihren Besitzern zurückgegeben werden konnten, darüber gibt es nach Angaben einer Polizeisprecherin der Direktion Ratzeburg keine verlässlichen Angaben.

Das an diesem Fahrrad angebrachte Faltschloss wurde mit dem abmontierten Sattel verdreht. Der Täter erreichte sein Ziel in diesem Fall jedoch nicht.
Das an diesem Fahrrad angebrachte Faltschloss wurde mit dem abmontierten Sattel verdreht. Der Täter erreichte sein Ziel in diesem Fall jedoch nicht. © Kilian Bürger | Kilian Bürger

Bürger hat aus seinen negativen Erfahrungen seine Lehren gezogen. Sein neues Fahrrad sichert er mit einem hochwertigen Bügelschloss und zusätzlich einem Faltschloss mit Alarmfunktion. Über eine Schnittstelle wird er außerdem sofort informiert, wenn sich jemand an dem Rad zu schaffen macht. Eines ist für Bürger jedenfalls klar: „Ohne eine derartige Sicherung möchte ich mein Rad nicht mehr an den Ahrensburger Bahnhof stellen.“