Ahrensburg. Nur Note „Vier“ im ADFC-Test, doch 300 moderne Stellplätze bleiben Tag für Tag ungenutzt. Wie passt das zusammen?

Im jüngsten Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) von Radstellablagen an 179 Bahnhöfen in Schleswig-Holstein hat Ahrensburg gerade mal die Schulnote „Vier“ bekommen. Doch nach dem Hauptkriterium – das Verhältnis der täglichen Fahrgäste im Vergleich zu den vorhandenen guten Stellplätzen – hätte es eigentlich eine „Eins plus“ sein müssen. Denn tagtäglich stehen mehr als 300 Plätze leer.

Wie weit Theorie und Praxis manchmal auseinanderliegen können, zeigt die im September 2020 feierlich eingeweihte Bike-and-ride-Anlage an der Ladestraße südöstlich des Bahnhofs. Die hat knapp 330 zum großen Teil überdachte Plätze, ein abschließbares Radhaus, Schließfächer, hat 680.000 Euro gekostet – und wird so gut wie nicht genutzt. Die Fahrräder lassen sich meist an einer Hand abzählen. Am Freitagmittag waren es gerade einmal vier Stück im freien Bereich und fünf im Radhaus.

Bike-and-ride-Anlage sollte Ahrensburger zum Umsteigen aufs Rad bringen

Dabei war die Hoffnung groß, vor allem Berufspendler mit dem neuen Angebot zum Umsteigen vom Auto auf Rad und Bahn zu bringen. „Es ist ein wegweisendes Projekt, weil das Radfahren in unserer Stadt immer mehr an Bedeutung gewinnt“, sagte der damalige Bürgermeister Michael Sarach bei der Eröffnung. Denn schon 2016 hatte die Lokalpolitik neue Radstellplätze beschlossen. Grundstücksverhandlungen und Kostensteigerungen verzögerten die Umsetzung.

April 2021: Auch vor einem Jahr stand die Bike-and-ride-Anlage am Ahrensburger Bahnhof weitgehend leer.
April 2021: Auch vor einem Jahr stand die Bike-and-ride-Anlage am Ahrensburger Bahnhof weitgehend leer. © Harald Klix

Auch der ADFC befürwortete die „tolle und gute Maßnahme“, da sich die Anlage sowohl an Gelegenheitsradler als auch an Menschen mit teuren E-Bikes richte. Das tägliche Chaos rund um den Bahnhof mit an Geländern und Straßenlaternen angeschlossenen Rädern sollte ein Ende haben. Und die Verwaltung zeigte sich überzeugt, dass die Stellplätze schon bald nicht mehr reichen würden. Deshalb wurde eine mögliche Erweiterung des Rathauses bereits berücksichtigt.

Nahverkehrsverbund zahlte einen Zuschuss von 428.000 Euro

Der Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein (NAH.SH) hatte mit 428.000 Euro den Großteil der Kosten übernommen. Die restlichen gut 250.000 Euro zahlte die Stadt.

Für seinen Bike-and-ride-Test nahm der ADFC eine Erfassung von NAH.SH als Grundlage. In die Wertung kamen ausschließlich Anlagen im Bahnhofsumkreis von 500 Metern. Sogenannte Vorderradparker wurden nicht berücksichtigt, da sie für den Fahrradclub kein sicheres und beschädigungsfreies Parken ermöglichen.

Für Ahrensburg kamen die Untersuchung auf 485 unüberdachte und 228 überdachte Plätze sowie 59 Fahrradboxen. Bei knapp 10.000 täglichen Fahrgästen reichten diese 772 sicheren Plätze nur für eine Vier. Die gleiche Note bekam die Station Gartenholz für fast 100 überdachte Fahrradstellplätze bei rund 1300 Ein- und Ausstiegen.

Bargteheide und Reinbek schneiden im ADFC-Test am besten ab

Der beste Stormarner Bahnhof aus Sicht des ADFC Schleswig-Holstein steht in Bargteheide. Dort gibt es 420 Radstellplätze, die zur Hälfte überdacht sind, bei etwa 3500 Fahrgästen. Das reicht immerhin für die Note „Drei“. Diese Zensur bekommt auch der Reinbeker S-Bahnhof für gut 380 unüberdachte Radstellplätze bei 1850 Ein- und Aussteigern.

Mit einer Fünf müssen sich dagegen Bad Oldesloe und Reinfeld begnügen. Dabei war am Oldesloer Bahnhof erst Anfang des Vorjahres ein 840.000 Euro teures Radparkhaus mit 136 Plätzen eröffnet worden. Auch dieses Projekt hatte NAH.SH mit 75 Prozent bezuschusst. Trotzdem stehen bei fast 11.000 Fahrgästen nur 450 sichere Fahrradplätze zur Verfügung. In Reinfeld können bei knapp 2700 Bahnfahrern etwa 130 Räder sicher abgestellt werden.

Note „Sechs“ für Mini-Haltestellen Kupfermühle und Fresenburg

Die Mini-Haltestellen Kupfermühle (an der Strecke Hamburg–Lübeck, täglich 155 Kunden) und Fresenburg (an der Strecke Bad Oldesloe–Neumünster, täglich 23 Ein- und Ausstiege) sind zwar vergleichsweise irrelevant, verdunkeln aber die Statistik: Beide bieten keine vernünftigen Fahrradständer, was zur Note „Sechs“ führt. Die sechs Stormarner U-Bahnhöfe in Ahrensburg, Ammersbek und Großhansdorf wurden nicht getestet.

„Sichere und komfortable Abstellanlagen sind essenziell, denn nur wer sein Rad auch am Ende des Tages wiederbekommt, nutzt es auch für die Fahrt zum Bahnhof“, sagt die ADFC-Landesvorsitzende Stephanie Meyer. Mit dem Rad seien für den Durchschnittsbürger Ziele in zehn Minuten Entfernung zu erreichen. Mit elektrischer Unterstützung erhöhe sich dieser Radius auf bis zu zehn Kilometer.

Vor allem kleinere Bahnhöfe bekamen eine „Eins“

Jeder zehnte Bahnhof im Land bekam allerdings auch die Note „Eins“. Neben einer ausreichend großen Zahl an Stellplätzen waren dafür auch Wetterschutz sowie Fahrradboxen oder Sammelschließanlagen gefragt. Darunter sind vor allem kleine Orte vom Dorf Gokels (Kreis Rendsburg-Eckernförde, zwölf sichere Radplätze bei 37 Ein- und Ausstiegen) bis zu Bordesholm (rund 460 Plätze bei 1800 Ein- und Ausstiegen) im Kreis Segeberg.

Aufholbedarf hätten besonders die großen Städte wie Kiel, Lübeck und Neumünster mit hohen Fahrgastzahlen. Negatives Beispiel sei Flensburg, das der seit mehr als 20 Jahren geplanten Fahrradstation im Hauptbahnhof kaum einen Schritt näher gekommen sei.

Fahrradklima-Test: In welcher Stadt macht Radfahren Spaß und wo löst es Stress aus? Die Ergebnisse der dreimonatigen Online-Fragebogenaktion auch für Stormarn präsentiert der ADFC am Montag, 24. April.