Bargteheide. Gutachten rechnet mit Kosten von knapp einer Million Euro. Auch Sporthalle im Schulzentrum soll jetzt belegt werden.
Die Unterbringung von Flüchtlingen hat sich in vielen Kommunen des Kreises zu einem ernsthaften Problem entwickelt. Die Stadt Bargteheide macht da keine Ausnahme. „Neue Kapazitäten zu schaffen, etwa durch Anmietungen von bereits bestehendem Wohnraum, wird immer schwieriger“, sagt Bürgermeisterin Gabriele Hettwer. Außerdem sei es zu Verzögerungen beim Bau neuer Unterkünfte wie etwa am Haferkamp gekommen. Auch deshalb rückt nun wieder eine städtische Immobilie in den Fokus, um die es nach heftigen Debatten zuletzt ruhig geworden war: die Villa Wacker.
Wie bereits berichtet, ist das Gebäude An den Stücken unweit des Bahnhofs am 7. Oktober des Vorjahres in die Schlagzeilen geraten, weil es von einer Gruppe Jugendlicher widerrechtlich besetzt worden war. Die Initiative mahnt seit Langem fehlende Jugendtreffpunkte in der Stadt an und wollte mit der Aktion ein Zeichen setzen.
Wassereinbrüche verschärfen Sanierungsbedarf
Nach 24 Stunden war das 1934 von der Arztfamilie Hemsen errichtete Wohnhaus zwar wieder geräumt worden. Geblieben ist unterdessen die Diskussion um dessen Nutzung. Der Komplex mit mehreren Nebengelassen war über die Jahre zum Domizil für gemeinnützige Organisationen geworden und beherbergte lange eine Fahrradwerkstatt des Vereins Bunte Vielfalt, sowie Club-, Versammlungs- und Lagerräume der Sozialarbeiter von tohus.
Doch weil von der Stadt nur zwingend notwendige Reparaturen durchgeführt wurden, verfiel das Objekt zusehends. Wassereinbrüche im Keller verschärften den Sanierungsbedarf. Das notwendige Geld wollten weite Teile der Kommunalpolitik aber nicht investieren, da das gesamte Grundstück lange für den Neubau dringend benötigter Wohnungen vorgesehen war.
Denkmalbehörde schob Abriss einen Riegel vor
Doch dann hatte sich Mitte März dieses Jahres die obere Denkmalbehörde eingeschaltet und allen Abrissplänen einen Riegel vorgeschoben. Mit einer Einstufung als „schutzwürdiges Bauwerk“ muss die gesamte Immobilie nun unter Beachtung der engen Richtlinien des Denkmalschutzes saniert werden, inklusive einer professionellen Trockenlegung der Grundfesten.
Einer eingehenden Zustandsanalyse zufolge belaufen sich die geschätzten Kosten für eine Instandsetzung ohne Umbau auf etwa 700.000 Euro. Für eine Unterbringung von Schutzsuchenden wurden vom Hamburger Architekturbüro Rüdiger F. Solvie zwei Varianten vorgeschlagen. Zum einen die Herstellung von zwei Wohneinheiten, was zusätzliche Kosten von rund 150.000 Euro verursachen würde. Zum anderen die Schaffung von vier Wohneinheiten unter Zusatzkosten von zirka 219.000 Euro.
Villa bietet Platz für bis zu zwölf Schutzsuchende
„Mit der Variante zwei könnten maximal bis zu zwölf Schutzsuchende untergebracht werden“, sagt die Bürgermeisterin. Alles in allem befinde sich das Gebäude aus energetischer Sicht aber in keinem guten Zustand, was eine grundlegende Sanierung verteuern werde. Über einen städtebaulichen Wettbewerb sollen deswegen zusätzliche Mittel eingeworben werden, um die Finanzierung des Gesamtvorhabens stemmen zu können.
287 Personen wohnen derzeit in städtischen Einrichtungen, darunter 110 Flüchtlinge aus der Ukraine. Bislang sind 162 Wohnungen angemietet worden. Trotzdem stehen nur noch sieben Plätze zur Verfügung, die ausschließlich Geflüchteten aus der Ukraine vorbehalten sind. Derweil steht die Stadt unter enormem Druck, kurzfristig weitere Unterbringungsmöglichkeiten schaffen zu müssen. Vor einem Jahr mussten schon einmal 30 Zuweisungen mangels fehlender Kapazitäten zurückgewiesen werden, das soll sich nicht wiederholen. Deshalb muss nun wohl doch auf die kleine Sporthalle der Dietrich-Bonhoeffer-Schule im Schulzentrum mit 40 Plätzen zurückgegriffen werden.
Drittes Gebäude am Haferkamp verzögert sich
Auch deshalb, weil sich die Erweiterung der Flüchtlingsunterkunft am Haferkamp deutlich verzögert hat. Laut Stadtverwaltung liegt die erforderliche Baugenehmigung seitens des Kreisbauamtes in Bad Oldesloe inzwischen vor. „Aktuell gehen wir davon aus, dass im Laufe des Oktobers mit dem Bau begonnen werden kann“, sagt Gabriele Hettwer.
Auf dem städtischen Grundstück stehen bereits zwei Gebäude, in denen nach der Umwandlung in Wohnungen momentan je 24 Personen untergebracht sind. Gegen den Bau eines dritten Hauses für ebenso viele Bewohner hatte sich anfangs Widerstand mehrerer Anwohner aus der Nachbarschaft geregt. Schon jetzt gehe es auf dem Areal oft zu laut zu, es gebe zu viele Autos und zu viele wild abgestellte Fahrräder, lauteten die Hauptargumente. Überhaupt mache das gesamte Quartier einen eher ungepflegten und unordentlichen Eindruck.
Auf zusätzliches Staffelgeschoss wird verzichtet
Dennoch hielten Stadtverwaltung und Kommunalpolitik an ihren Plänen fest. Allerdings wird jetzt auf ein ursprünglich geplantes, zusätzliches Staffelgeschoss verzichtet, das es bei den beiden bereits bestehenden Gebäuden nicht gibt. Um eine möglichst hohe Zahl von Unterkunftsplätzen realisieren zu können, sollten direkt unter einem Pultdach zwei weitere kleine Wohnungen mit je 50 Quadratmetern Fläche für bis zu acht Personen entstehen.
Damit hätte sich allerdings auch die Überfrachtung der zur Verfügung stehenden Fläche verschärft. Die planerische Umsetzung gestalte sich wegen der Zufahrtssituation, der erforderlichen Parkplätze und der Bestandsbauten ohnehin schwierig genug, hieß es aus dem Rathaus. Kritisch wurde von den Planern zudem gesehen, dass durch das Staffelgeschoss „die städtebauliche Ensemblewirkung“ verloren gegangen wäre.
- Villa Wacker soll als Stück Baukultur erhalten bleiben
- Bargteheide debattiert über Hausbesetzung der Villa Wacker
- Die Aufnahme von Flüchtlingen in Stormarn stockt
Zu den entscheidenden Punkten in der Debatte waren unterdessen die Faktoren Zeit und Mehrkosten geworden. Schätzungen des Fachbereichs zufolge hätte die Ausführung eines Staffelgeschosses unter Berücksichtigung von Planungs- und Vergabezeit einen Verzug von bis zu sechs Monaten und zusätzliche Kosten von rund 300.000 Euro bedeutet. Vorsichtigen Prognosen zufolge wird mit der Fertigstellung nun frühstens im Februar 2024 gerechnet.
Im städtischen Haushaltsentwurf waren für 2023 vorsorglich 2,5 Millionen Euro für die Errichtung weiterer Unterkünfte und zusätzlich 500.000 Euro für die Anmietung von Wohnungen vorgesehen. Dieses Geld wird Bargteheide mit ziemlicher Sicherheit nicht nur brauchen, sondern auch aufwenden müssen.