Bad Oldesloe/Bargteheide. Die Stadt Bargteheide teilte der Kreisverwaltung jetzt mit, vorerst keine weiteren Zuweisungen annehmen zu können.
Eine galoppierende Inflation, steigende Energiekosten und deutlich höhere Preise beim täglichen Einkauf – Stormarns Bürger sind aktuell in vielerlei Hinsicht gefordert. Eine weitere schwierige Aufgabe ist mit der Aufnahme, Versorgung und Integration vieler Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu meistern. Hier kommt es jetzt zu wachsenden Problemen. Die Stadt Bargteheide hat jetzt der Kreisverwaltung mitgeteilt, vorläufig keine weiteren Zuweisungen umsetzen zu können.
„Momentan liegen wir mit rund 30 Personen unter dem Soll. Auch deshalb, weil sich die Zuweisungsfristen auf sieben Tage verkürzt haben“, so Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht (parteilos). Deshalb gebe es jetzt Überlegungen, die kleine Sporthalle der Dietrich-Bonhoeffer-Schule als Notunterkunft mit bis zu 40 Plätzen zu ertüchtigen. „Die Unterbringung wird immer schwieriger, weil es praktisch keinen verfügbaren Wohnraum und damit keinen Handlungsspielraum gibt“, klagte sie.
Alle Hilfsstrukturen sind am Limit
84 Flüchtlinge, darunter auch Menschen aus anderen Krisengebieten, seien bislang in 37 städtischen Einrichtungen untergebracht worden, bis zu 130 weitere Personen in privaten Unterkünften. „Der Verein Bunte Vielfalt hat die Stadtverwaltung hierbei in großartiger Weise unterstützt, aber jetzt sind alle Strukturen am Limit“, offenbarte Kruse-Gobrecht.
Bürgervorsteherin Cornelia Harmuth sieht den Bargteheider Aufnahmestopp kritisch. „Die Abweisung von Pflichtaufgaben ist immer problematisch, weil andere Kommunen dadurch zusätzlich belastet werden“, erklärte die Christdemokratin. Die Stadt Bargteheide sei Teil der großen Stormarner Solidargemeinschaft und müsse sich ihrer Verantwortung stellen.
Kreis soll selbst wieder Unterkünfte errichten
Unterdessen hatte die scheidende Bürgermeisterin, die das Rathaus am 16. September an ihre Nachfolgerin Gabriele Hettwer übergibt, der Kreisverwaltung vorgeworfen, ohne Not die eigenen Unterkünfte in Ahrensburg und Bad Oldesloe geschlossen zu haben. Dadurch würden nun zusätzliche Kapazitäten fehlen.
Das wies Edith Ulferts, Leiterin des Fachbereichs Soziales und Gesundheit, zurück. Die im März dieses Jahres im Zusammenhang mit dem Kriegsausbruch in der Ukraine kurzfristig ertüchtigten Unterkünfte in Ahrensburg und Bad Oldesloe seien stets nur als Erstaufnahmen im Kreis gedacht gewesen. „Sie sind dann zum 31. April geschlossen beziehungsweise zurückgebaut worden, weil die Geflüchteten in der Regel bereits nach einem Tag auf die Kommunen des Kreises verteilt werden konnten“, erläuterte Ulferts.
Im August kamen mehr als 170 Flüchtlinge an
Gleichwohl hat sich die Lage seit Juni mit jedem Monat verschärft. Waren dem Kreis über das Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge (LaZuF) seinerzeit gerade 15 ukrainische Flüchtlinge sowie 19 Asylbewerber aus anderen Ländern zugewiesen worden, so waren es im Juli bereits 59 plus 27 sowie zusätzlich 14 Ortskräfte aus Afghanistan.
Im August erreichte die Zahl an Zuweisungen ihren vorläufigen Höhepunkt. Neben 132 ukrainischen Flüchtlingen wurden über das LaZuF 20 Asylbewerber aus anderen Staaten sowie vier Ortskräfte aus Afghanistan nach Stormarn gelenkt. Hinzu kamen in jedem Monat noch weitere Personen, die sich direkt in den Kommunen gemeldet hatten. „Das waren im Juni 63, im Juli 21 und im August 27“, so Ulferts. Bis Mitte dieses Monats konnten insgesamt 2320 Geflüchtete im Kreis untergebracht werden.
Zuweisungsfristen sind deutlich verkürzt worden
Laut Ulferts hat das Landesamt bereits darüber informiert, die Zuweisungsfristen wie schon 2015/2016 erneut verkürzen zu müssen. Üblich sei normalerweise eine Vorlaufzeit von bis zu zehn Tagen. Hintergrund ist, dass das Land eigene Erstunterkünfte zurückgefahren hat.
Mitarbeiter des Sachgebiets Asyl der Kreisverwaltung in Bad Oldesloe bereiten die Daten der Flüchtlinge in der Regel noch am Tag der Zuweisungsmeldung des Landes auf und starten dann sofort eine Abfrage bei den Kommunen, wo es freie Kapazitäten zur Aufnahme von Einzelpersonen und Familien gibt. Anschließend würden dann die Zuweisungsbescheide für die Kommunen vorbereitet und den ankommenden Flüchtlingen übergeben.
Der Kreis muss etwa 2900 Flüchtlinge aufnehmen
Ausgehend von den Prognosen der Bundesregierung zur Flüchtlingswelle aus der Ukraine waren dem Land Schleswig-Holstein im Frühjahr 34.000 Personen avisiert worden. 2900 sollte der Kreis Stormarn aufnehmen, was einer Quote von 8,53 Prozent entspricht. Auf dieser Basis hatte die Kreisverwaltung dann eine Verteilung auf die einzelnen Kommunen nach dem Königsteiner Schlüssel vorgenommen.
Danach entfielen die größten Kontingente an Unterbringungsplätzen auf Ahrensburg (419), Reinbek (347), Bad Oldesloe (303), Glinde (224), Bargteheide (195), Barsbüttel (158) und Ammersbek (121). Unter den Ämtern hatte Trittau mit 234 Personen die größte Quote zugewiesen bekommen, gefolgt von Bargteheide-Land mit 181, Bad Oldesloe-Land mit 143, Nordstormarn mit 136 und dem Amt Siek mit 129.
Kommunen können Zuweisungen nicht ablehnen
Inwieweit diese Plätze inzwischen vollständig ausgelastet sind, vermochte Fachgebietsleiterin Edith Ulferts nicht zu sagen. „Das wird von uns auch nicht abgefragt“, antwortete sie auf Nachfrage dieser Redaktion. Die Kollegen des Sachgebiets Asyl würden lediglich in Erfahrung bringen, welche Kommune vom Land zugewiesene Flüchtlinge zeitnah aufnehmen könne und wolle.
Erklärtes Ziel sei es indes, trotz aller Rücksichtnahme auf die Belange und die konkrete Lage in den einzelnen Kommunen am Ende des Kalenderjahres eine möglichst gerechte und ausgewogene Verteilung hinzubekommen. „Mithin können die Kommunen Zuweisungen auch nicht einfach ablehnen, sondern sich gegebenenfalls nur etwas Zeit verschaffen, um neue Unterbringungskapazitäten aufzubauen“, betonte Edith Ulferts.