Lütjensee. Spitze deutlich verjüngt. Ihr Ziel: Bürger sollen bei nächster Kommunalwahl wieder zwischen verschiedenen Parteien wählen können.
Bei der SPD Lütjensee scheint die Durststrecke überwunden. Der frisch gewählte und deutlich verjüngte Vorstand hat ein klares Ziel vor Augen: Bei der nächsten Kommunalwahl soll die SPD wieder in die Gemeindevertretung einziehen. Denn sie will die Zukunft des Ortes nicht allein der CDU überlassen, die derzeit dort die einzige Fraktion stellt und nach Belieben schalten und walten kann.
Der neue Vorsitzende Durmis Özen (52) zeigt sich zuversichtlich, dass der Ortsverein das selbst gesteckte Ziel erreichen kann. Er hat das Amt von SPD-Urgestein Heinz Kroll (82) übernommen, der nicht mehr zur Wahl angetreten war. Zum Stellvertreter bestimmte die Versammlung Jan Schweitzer. Für den 40 Jahre alten Marketingleiter war es eine Doppelpremiere: Neben der neuen Aufgabe erhielt er auch sein Parteibuch. Dritter im Bunde ist Kassenwart Sven Lorenzen (43). Der Elektrotechniker arbeitete als einziger von ursprünglich fünf SPD-Vertretern bis zum Ende der vorigen Wahlperiode noch aktiv im Gemeinderat mit.
SPD Lütjensee: Fraktionsvorsitzender wechselt zur CDU
Dass die Lütjenseer SPD innerhalb weniger Jahre kurz vor dem Aus stehen würde, war so nicht absehbar. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Nach der Kommunalwahl fühlte sich die SPD als zweitgrößte Fraktion mit Patrick Marsian, Durmis Özen, Heinz Kroll, Bernd Hellingrath und Rene Konrad gut aufgestellt. 2019 stieg Özen als Fraktionsvorsitzender aus, um sich vermehrt für Bildung und Migration zu engagieren. Özen sagt: „Da ich Lehrer bin, schlägt mein Herz für die Bildung. Ich wollte die Arbeitsgemeinschaft für Bildung der SPD Stormarn, die 2018 eingeschlafen war, wiederbeleben.“ Der Sozialdemokrat ist dort im Vorstand aktiv und außerdem stellvertretender Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Migration und Vielfalt.
„Als ich als Fraktionschef aufhörte, waren alle Fraktionsplätze besetzt“, so Özen. Er sei davon ausgegangen, „dass der Laden läuft“. Zunächst sah es auch ganz danach aus: Patrick Marsian wechselte an die Fraktionsspitze. Doch dann verkündete der Berufssoldat 2021 seinen Rückzug aus der Fraktion und erklärte zugleich seinen Parteiaustritt. Damit versetzte er der ohnehin geschwächten Gruppe, die durch Umzug, berufliche Wechsel oder Altersgründe ohnehin nur noch mit zwei Vertretern besetzt war, den Todesstoß. Übrig blieb Sven Lorenzen, der schon frühzeitig nachgerückt war und allein keine Fraktion mehr bilden konnte. Marsian, der angab, dass inhaltliche Gründe bei seiner Entscheidung keine Rolle gespielt hätten, sitzt heute für die CDU im Gemeindeparlament.
Fast fünfmal so viele ungültige Stimmen als bei Wahl 2018
„Es bröckelte alles auseinander“, sagt Özen. Einen der Gründe für das Ausbluten des Ortsvereins und den Verlust an Manpower sieht er in der Pandemie. „Wir konnten durch die Corona-Maßnahmen immer weniger machen. Einige Mitglieder, die schon älter waren, waren dann nicht mehr aktiv.“ In der Folge habe sich der Ortsverein zwar nicht komplett aufgelöst. „Aber es stand auf der Kippe.“ Im Mai hätten sich die Mitglieder getroffen, um zu überlegen, wie es weitergehen könnte. „Zunächst brauchten wir einen geschäftsführenden Vorstand, der mit drei aktiven Leuten wieder voll besetzt ist.“ Dieser erste Schritt ist getan und die drei, die jetzt an vorderster Front aktiv sind, bringen offensichtlich Elan mit, um frisch durchzustarten.
Das brauchen sie auch, wenn die Lütjenseer zukünftig wieder eine Wahl haben sollen und nicht nur Kreuze bei einer Partei machen können. Lorenzen sagt: „Die Resonanz war so, dass sich durchaus einige erspart haben, zur Wahl zu gehen.“ Er habe auch gehört, dass sich andere nur an der Kreiswahl beteiligt hätten. Nach seinem Eindruck seien mehr ungültige Stimmen abgegeben worden. „Und das bestimmt nicht nur unabsichtlich.“ Bei der Kommunalwahl 2018 waren es 40 ungültige Stimmen, 2023 stieg die Zahl fast um das Fünffache auf 194. Zugleich schrumpfte die Zahl gültiger Stimmen um 1442, wobei nur 110 Wähler weniger registriert wurden als fünf Jahre zuvor.
Bürger sollen lieber mitgestalten statt sich zu beschweren 5800
Neuzugang Jan Schweitzer war zunächst in der Bürgerinitiative „Pro Nordstrand“ aktiv und ist darüber zur Lokalpolitik gekommen. Eine Freundin, die bei den Jusos gewesen sei, habe zu ihm gesagt: „Du kannst nicht motzen, wenn du nichts tust.“ Lorenzen berichtet, dass er Schweitzer als Zuschauer in Ausschüssen gesehen und auf dem Kitaparkplatz getroffen habe und so mit ihm über die aktuelle Politik ins Gespräch gekommen sei. „Ich konnte ihn motivieren, mitzumachen.“ Schweitzer ergänzt: „Ich setze mich dort ein, wo ich mich am ehesten finde. Man muss nur Anfragen stellen und sich engagieren, dann tut sich was“, ist er überzeugt.
- Edles Traditionslokal am See stellt auf Selbstbedienung um
- Bundesumweltministerin ist beeindruckt von Stormarn
- Statistikamt: Urlaub in Stormarn wird bei Touristen immer beliebter
Es gehe darum, vernünftige Lösungen zu finden und Mitbürger zum Mitmachen zu bewegen – „auch ohne Parteibuch oder Mitgliedschaft“. Die SPD suche zurzeit nach Formaten, die verbinden. Denkbar seien beispielsweise offene Sprechstunden, Besuche im Altenheim oder Onlinemeetings. „Wir wollen herausbekommen, was interessiert hier wen vor Ort, und andere Perspektiven einnehmen.“ Er fände es wichtig, dass die gesellschaftlichen Bandbreite auch in der Politik abgebildet werde. Kommunikation ist für Schweitzer das A und O. Er will mehr Transparenz schaffen. Nicht wie am Strandweg, als dort plötzlich ohne vorherige Information der Anwohner Blumenkübel aufgestellt wurden. Er sagt: „Was ist so schwierig daran, darüber zu kommunizieren? Bürger bekommen ja oft nicht mit, wie so was entsteht.“
Lorenzen berichtet, dass sich zwar viele engagieren wollten, aber mit der Bundespolitik haderten. Doch darum gehe es nicht. „Es geht um Lütjensee. Wenn da keine Bürger sind, die sinnvollen Input hineingeben, bewegt man sich im eigenen Gedankenspiel und weiß nicht, was sie beschäftigt.“ Durmis Özen sagt: „Wir wollen erreichen, dass es sozialer und gerechter zugeht, als das aktuell der Fall ist. Wir hoffen auf weitere Mitstreiter, damit es wieder eine Wahlmöglichkeit und mehr Vielfalt im Ort gibt.“