Bad Oldesloe. Nach Angaben des Jobcenters beziehen fast 7900 Kreisbewohner Bürgergeld. Welche Rolle dabei Kriegsflüchtlinge spielen.
Immer mehr Einwohner Stormarns sind auf staatliche Transferleistungen angewiesen. Steigende Lebenshaltungs- und Energiekosten, eine zunehmende Inflation und eine angespannte Wirtschaftslage haben diesen Trend noch verstärkt. So verzeichnete das Jobcenter des Kreises mit seinen drei Standorten in Bad Oldesloe, Ahrensburg und Reinbek in diesem Jahr deutlich mehr Antragstellende. Bis April wurden 7889 erwerbsfähige Leistungsberechtigte registriert und damit bereits 290 mehr als am Ende des Vorjahrs. „Das entspricht dem höchsten Stand seit Sommer 2007. Und die vorläufigen Daten zeigten im Juni einen weiteren Anstieg um 21,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum“, sagt Doris Ziethen-Rennholz, Geschäftsführerin des Jobcenters. Für Juli lagen die Hochrechnungen erstmals bei mehr als 8000 Leistungsberechtigten.
Ziethen-Rennholz führt den deutlichen Anstieg insbesondere auf die anhaltende Flüchtlingswelle aus der Ukraine zurück. Der Anteil der in Stormarn Schutz Suchenden an allen Leistungsberechtigten erreichte im März mit 1197 Antragstellenden einen vorläufigen Höchststand. Im März 2022 waren es noch 16 gewesen.
Bereitschaft zur Weiterbildung wird belohnt
Unterdessen hatten die Fachleute nach dem in Kraft treten der neuen Sozialgesetzreform zum Anfang des Jahres auch mit viel mehr inländischen Antragstellern gerechnet. Mit dem neuen Bürgergeldgesetz sind jetzt nämlich Wohnung und Rücklagen in den ersten zwölf Monaten nach Antragstellung geschützt. „Leistungsbeziehende können sich daher um die Arbeitssuche kümmern, ohne zu befürchten, bald umziehen und ihr Erspartes aufbrauchen zu müssen“, erklärt Ziethen-Rennholz.
Ebenso bedeutsam findet sie aber, dass durch die Reform stärkere Anreize für Aus- und Weiterbildungen gesetzt werden. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels bedürfe es mehr und besser ausgebildeter Menschen. „Deshalb gilt beim Bürgergeld der Vorrang von Ausbildung vor dem Aushilfsjob. Das ist ein wichtiges Signal“, so die Jobcenterchefin. Wer sich für eine Weiterbildung entscheidet, bekommt entweder ein Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro oder den Bürgergeld-Bonus von 75 Euro als zusätzliche Motivation und monatliche Unterstützung.
Ausgaben für Transferleistungen sprunghaft gestiegen
Die steigende Zahl an erwerbsfähigen Leistungsempfängern und die Erhöhung der Regelsätze haben allerdings dazu geführt, dass die Ausgaben für Transferleistungen im ersten Halbjahr 2023 um 43,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf mehr als 18 Millionen Euro angewachsen sind.
Hinzu kommen mehr als 17,6 Millionen Euro an Ausgaben für Unterkünfte und Heizung, ein Plus von 27,8 Prozent im Vergleich zu 2022. Zwar gibt es für beide Kostenfaktoren eine Gegenfinanzierung durch den Bund. Dennoch steht der Kreis hier in einer erheblichen finanziellen Verpflichtung.
Spürbarer Rückgang von offenen Stellen
Angesichts eines signifikanten wirtschaftlichen Abschwungs zeigte sich der Stormarner Arbeitsmarkt im Vergleich zum regionalen Umfeld zwar weiterhin widerstandsfähig. Dennoch ist die Arbeitslosenquote inzwischen auf 3,9 Prozent gestiegen und so hoch wie seit langer Zeit nicht mehr. Dazu beigetragen hat auch ein spürbarer Rückgang an offenen Stellen.
Folglich ist auch die Zahl der Arbeitsvermittlungen im Bereich des Jobcenters Stormarn im Vergleich zum Vorjahr um 7,2 Prozent gesunken. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass ein Großteil der betreuten Personen infolge fehlender Sprachkenntnisse auf dem Arbeitsmarkt deutlich schwerer zu vermitteln sind.
Anteil der Langzeitarbeitslosen hat sich verringert
„Wir beobachten, dass Unternehmen durch den anhaltenden Fachkräftemangel ihr Stellenportfolio angepasst und nicht selten verringert haben“, sagt Doris Ziethen-Rennholz. Negativ ausgewirkt hätten sich zudem diverse Betriebsschließungen. Wobei der Anteil vermittelter Migranten zeitweise höher gelegen habe als jener inländischer Langzeitarbeitsloser.
Dennoch sei es gelungen, die Zahl derjenigen weiter zu verringern, die in den letzten 24 Monaten mindestens 21 Monate im Leistungsbezug standen. Der Jahresschnitt liege inzwischen bei 4172 Personen. Der höchste Monatsbestand seit Januar 2009 war im Mai 2019 mit 4734 Langzeitarbeitslosen registriert worden.
Projekt WEFI hilft Menschen mit psycho-sozialen Problemen
Die Geschäftsführerin der Jobcenter Stormarn führt das unter anderem auf den Erfolg des Projekts „Wege suchen, Wege finden“ (WEFI) zurück. Es richte sich an Leistungsempfänger mit multiplen psycho-sozialen Problemen. „Dabei verzahnen wir die eigene Beratungsarbeit mit Sucht- und Drogenberatung, psycho-sozialen Hilfen und einer Schuldnerberatung direkt an unseren Centerstandorten“, berichtet Doris Ziethen-Rennholz. Denn erst wenn Problemlagen in den genannten Bereichen gemeistert seien, könne eine dauerhafte Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt gelingen.
Mit dem Kreis Stormarn wurde für das laufende Jahr eine WEFI-Teilnehmendenzahl von insgesamt 390 Personen vereinbart. In der ersten Jahreshälfte sind bereits 310 Frauen und Männer beraten worden. Von den 215 Teilnehmenden im Vorjahr konnten bei 86 (40 Prozent) entsprechende Bedarfslagen erfolgreich bearbeitet werden. Bei weiteren 101 (47 Prozent) gelang eine erfolgreiche Überleitung in weiterführende Hilfsangebote.
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Eine Fortsetzung des finanziellen Engagements des Kreises hängt aber vielmehr davon ab, wie viele WEFI-Absolventen am Ende tatsächlich ohne weiteren Leistungsbezug in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Für dieses Jahr sollten es 40 sein. Eine Zielmarke, die nach aktuellem Stand aber kaum noch erreichbar ist.
Zwar konnten bis zur Jahresmitte 23 Arbeitsaufnahmen realisiert werden. Von denen sind allerdings nur 13 bedarfsdeckend. „Die anderen zehn Absolventen brauchen ergänzendes Bürgergeld, weil der Verdienst nach erfolgreicher Vermittlung zur Deckung des Lebensunterhalts für eine ganze Familie nicht ausreicht“, so Ziethen-Rennholz. Deshalb würden nun alle Anstrengungen unternommen, die erhebliche Differenz zum Zielwert möglichst zu verringern.