Schwarzenbek. Alleinerziehend, arbeitslos: Bewohnerinnen von Frauenhäusern haben es oft schwer, eine Wohnung zu finden. Dieses Projekt hilft.
Frauen in einer akuten Krisensituation haben derzeit kaum eine Chance auf einen Platz in einem Frauenhaus. Die Einrichtungen in den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Stormarn sind voll belegt, es herrscht wenig Fluktuation. Grund: Viele Frauen müssen länger im Frauenhaus bleiben als nötig, weil sie keinen angemessenen und bezahlbaren Wohnraum finden – weder für sich allein, noch mit Kindern – was auch noch weitaus schwieriger ist.
Katja (Name v. d. Red. geändert) ist eine von ihnen. Besser: Sie war es. Seit Anfang März lebt die 32-jährige Ukrainerin nun in einer kleinen Wohnung in Geesthacht. Aber der Weg dorthin war schwer – und lang. Fünf Monate hat sie nach einer Wohnung gesucht. Fünf Monate lang tagtäglich Inserate und Angebote studiert, unzählige Bewerbungen geschrieben. Antworten? Kamen selten, sagt sie. Einladungen zu einer Besichtigung noch seltener. „Sobald klar war, dass ich arbeitslos bin, zudem Ausländerin mit noch wackeligen Deutschkenntnissen und vom Jobcenter lebe, war es vorbei“, sagt sie. Dass es dann am Ende doch noch geklappt hat, verdankt sie dem Projekt Frauen_Wohnen.
Frauenhäuser voll – Projekt Frauen_Wohnen hilft bei der Wohnungssuche
Das vom Gleichstellungsministerium geförderte Projekt wurde 2017 vom Paritätischen Schleswig-Holstein konzipiert und wird seit 2018 realisiert, in diesem Jahr startete die zweite, fünfjährige Förderperiode. In sechs regionalen Servicestellen, die in freier Trägerschaft betrieben werden, stehen den wohnungssuchenden Frauen landesweit engagierte Mitarbeiterinnen zur Seite, die die Suche nach bezahlbarem Wohnraum unterstützen.
Eine der Servicestellen ist in Schwarzenbek. Von hier aus betreuen die Mitarbeiterinnen Vera Zingarini, Annika Godau und Ludmila Sitnikowa vom Verein Hilfe für Frauen in Not die Frauenhäuser in Stormarn und im Herzogtum und sind zugleich für das Projekt Frauen_Wohnen zuständig.
Katja – ein typisches Schicksal
Ins Frauenhaus kam Katja, weil sie plötzlich wohnungslos auf der Straße stand. Die Ukrainerin – „ich kam vor dem Krieg nach Deutschland“, ist ihr wichtig zu betonen – hatte ihren Mann in Deutschland kennengelernt und wenig später geheiratet. Die massiven Probleme begannen nach der Hochzeit. „Vielleicht hat er gedacht, nun kann er mit mir machen, was er will?“ rätselt die gelernte Erzieherin. Die Streitigkeiten kulminierten, bis er sie am Ende aus der Wohnung geworfen hat.
Wohin jetzt? Keine Freunde, keine Verwandte. „Ich bin froh, dass es hier in Deutschland Einrichtungen wie Frauenhäuser gibt“, sagt die junge Frau leise. Sie landete in Schwarzenbek, dem einzigen Frauenhaus im Herzogtum. Dort war sie in Sicherheit. Konnte gesunden, sich in Ruhe stabilisieren. Bis der Tag kam, an dem sie nicht mehr schutzbedürftig war und gehen konnte. Rein theoretisch. Denn dann begann die verzweifelte Suche nach einer Wohnung.
Frauen aus dem Frauenhaus sind mit Vorurteilen konfrontiert
Dabei sind nicht nur der leer gefegte Wohnungsmarkt und die sinkende Zahl an Sozialwohnungen große Probleme. „Frauen, die in einem Frauenhaus gelebt haben, sind mit vielen Vorurteilen konfrontiert“, weiß Vera Zingarini. Da entstehen bei Vermietern Bilder im Kopf, die zwar nichts mit der Realität zu tun hätten, aber eine Vermietung in vielen Fällen ausschließen. „Wir bekommen für die Bewohnerinnen nur wenige Besichtigungstermine“, berichtet die 58-jährige Sozialarbeiterin.
Die Frauen hätten teils massive Gewalt in ihrer Partnerschaft erfahren. Durch die Trennung seien viele in finanzielle Nöte geraten, hätten aber durch den Auszug und den Schritt ins Frauenhaus Selbstständigkeit und großen Mut gezeigt. „Nur weil sie Gewalt erfahren haben, sind sie doch nicht weniger qualifiziert, eine eigene Wohnung gut zu verwalten“, sagt Zingarini und in ihren Worten klingt Unverständnis mit.
Projekt ist auch eine Art Garantie für Vermieter
Aber die 58-Jährige kennt das Geschäft – sie ist schon viele Jahre im Frauenhaus beschäftigt und seit Beginn des Projekts Frauen_Wohnen mit dabei. Sie weiß von den Vorurteilen, den Ängsten und Befürchtungen der Vermieter. Aber auch hier setzt das Projekt an. „Das Projekt ist nicht nur für die Frauen eine Hilfe, sondern für die Vermieter eine Art Garantie. Sie können sich auf uns verlassen. Wir sind für die Frauen da, vor, während und nach dem Umzug. Und wir sind auch immer Ansprechpartner für die Vermieter“, betont sie.
Zumal die Servicestelle in Schwarzenbek die einzige in Schleswig-Holstein sei, in dem Frauenhaus und Wohnungsprojekt unter einem Dach seien, was sich häufig als großer Vorteil bei der Wohnungsvermittlung herausstellt, besonders für die Vermieter. „Wir kennen die Frauen, können sie individuell unterstützen, können sie einschätzen, ob und wenn ja, welche Hilfe sie benötigen. Wir wissen, auf wen Verlass ist. Und wo es möglicherweise ein wenig haken könnte“, sagt sie.
Begleitung bei Besichtigungsterminen
Nach einem Erstgespräch, in dem der individuelle Bedarf besprochen wird, werden die Frauen bei der Akquise von Wohnungen und der Kontaktaufnahme zu Vermietern unterstützt sowie zu Besichtigungsterminen begleitet. Die Frauen haben die Möglichkeit, sich in Mietangelegenheiten beraten zu lassen und können sich auch nach dem Einzug an die Mitarbeiterinnen der Servicestelle wenden. „Wir bleiben auch für Vermieter nach Einzug verlässliche Ansprechpartner, um Wohnverhältnisse nachhaltig abzusichern“, verspricht Zingarini.
Das Projekt ist in der Regel darauf angewiesen, Wohnraum auf dem freien Wohnungsmarkt zu finden. Es gibt nur einige wenige Kontingentwohnungen in Reinbek, Glinde und Geesthacht, Wohnungen, die für Frauen aus dem Frauenhaus freigehalten werden, die aber auch schon lange und langfristig belegt sind, wie Vera Zingarini informiert. „Es wäre schön, wenn es mehr wären, der Träger ist in Kontakt mit dem Ministerium. Aber zurzeit ist kein Geld da“, bedauert sie. Dafür aber gebe es gute Kooperationen mit der Wohnungswirtschaft.
Glück und gute Kontakte helfen bei der Wohnungsvermittlung
„Wir arbeiten mit der Neuen Lübecker und der Sachsenwald zusammen. In Geesthacht auch mit der WoGe. Die kennen uns. Aber auch da gibt es aktuell kaum freie Wohnungen“, bedauert sie. In der Regel würden die schnell innerhalb der Genossenschaft vergeben. Katja hat ihre kleine Wohnung dann am Ende mit viel Glück gefunden.
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„Die Wohnung gehört der Vonovia, und mit dem Sachbearbeiter hatten wir schon häufiger zu tun. Er weiß, dass er sich auf uns und die Frauen verlassen kann“, sagt Zingarini. „Ich bin glücklich“, sagt Katja. „Ich bin in meinem Leben angekommen.“ Denn eines weiß sie: Eine eigene Wohnung ist die Basis für alles andere, für Sicherheit, Freiheit, für eine gewaltfreie Lebensperspektive.
Die Servicestelle in Schwarzenbek sucht aktuell für zwölf Frauen, teilweise mit Kindern, Wohnraum. Wer eine Wohnung anbieten möchte, kann sich an den Verein Hilfe für Frauen in Not wenden, Telefon 0178/6548190, 0178/6548191, 0157/33919113 oder per E-Mail an fw.lauenburg-stormarn@t-online.de