Bad Oldesloe. Kreiselternvertretung kämpft um Erstattung für ausgefallene Betreuungszeiten. Warum die Fraktionen auf Zeit spielen.

Eltern in Stormarn erhalten für ausgefallene Betreuungsstunden in Kindertagesstätten auch weiterhin keine finanzielle Entschädigung. Die Kreiselternvertretung Kitas (KEV) hatte im Jugendhilfeausschuss des Kreises eine pauschale Beitragserstattung von 300 Euro pro Jahr und Kind beantragt, doch (bislang) ohne Erfolg. Zur Abstimmung war der Vorstoß in der jüngsten Sitzung nicht gekommen, weil CDU und Grüne weitergehenden Beratungsbedarf angemeldet hatten. Obwohl der KEV-Antrag form- und fristgerecht vorlag, hätten beide Fraktionen das Papier bislang noch nicht diskutieren können, lautete die übereinstimmende Begründung.

Eltern müssen Notstand allein ausbaden

Angesichts der Tatsache, dass dieses Thema jetzt seit über einem Jahr debattiert wird, ist dieser Ausgang unbefriedigend“, sagt Kerstin Hinsch, KEV-Vertreterin im Jugendhilfeausschuss. Positiv sei allenfalls, dass der Antrag nicht gleich abgelehnt wurde. So bleibe wenigstens die Hoffnung, dass sich der Ausschuss nach der Neuwahl des Kreistags am 14. Mai der Elternforderung wieder annehmen werde.

Kerstin Hinsch vertritt die Kreiselternvertretung der Kitas im Stormarner Jugendhilfeausschuss.
Kerstin Hinsch vertritt die Kreiselternvertretung der Kitas im Stormarner Jugendhilfeausschuss. © HA | Privat

Dabei hatte Hinsch zuvor noch einmal eindringlich an die Mitglieder des Gremiums appelliert, den betroffenen Familien Hilfe und Unterstützung nicht länger zu versagen. Dass die vertraglich fixierte Betreuung in vielen Kitas nicht mehr verlässlich gewährleistet werden könne, sei eine nicht wegzudiskutierende Tatsache. Ebenso wie der Umstand, dass die Eltern die finanziellen und logistischen Folgen weitgehend allein ausbaden müssten.

In 167 Kitas werden 10.729 Kinder betreut

„Es gibt aus unserer Sicht einen klaren Rechtsanspruch gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Der sieht im Zweifel eine Kompensation bei Nichterfüllung vor“, so Hinsch. Es reiche nicht aus, dass der Kreis als zuständige Aufsichtsbehörde auf das Land Schleswig-Holstein oder die zuständigen Kita-Betreiber und Kommunen verweise. „Wir brauchen jetzt endlich konkrete Lösungen, und keine Ausreden“, forderte Hinsch.

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Konkret geht es um die finanzielle Entlastung der Familien von 10.729 Kindern, die an 167 Stormarner Kitas in 361 Gruppen betreut werden. Laut einer Abfrage der Kreiselternvertretung gibt es kaum noch Einrichtungen, die wegen des gravierenden Fachkräftemangels um eine Kürzung von Betreuungszeiten oder gar die Schließung kompletter Gruppen herumgekommen sind. Der durchschnittliche Betreuungsausfall pro Kind lag bei 3,42 Wochenstunden. Aus einzelnen Kitas wurden für konkrete Gruppen wöchentliche Ausfallzeiten von bis zu zwölf Stunden gemeldet.

Kreis hat Ausfallzeiten nicht ausgewertet

„Wir müssen endlich mit der Mär aufräumen, dass alles passt und die Betreuung weitgehend sichergestellt ist“, sagt der Co-Vorsitzende der Kreiselternvertretung, Marco Heidorn. Zumal die Kreisverwaltung als Aufsichtsbehörde offenbar lange Zeit gar keinen verlässlichen Überblick darüber hatte, wie die Betreuungslage in den Kitas tatsächlich aussieht.

Marco Heidorn ist Co-Vorsitzender der Kreiselternvertretung Kitas.
Marco Heidorn ist Co-Vorsitzender der Kreiselternvertretung Kitas. © HA | Lutz Kastendieck

Zwar müssen die Träger Ausfallzeiten umgehend an den Kreis melden. Eine Auswertung der Zahlen hat dort aber regelhaft bislang nicht stattgefunden. Der zuständige Fachbereichsleiter Wilhelm Hegermann überraschte jedenfalls kurz vor seiner Pensionierung im Februar mit der Offenbarung, dass seiner Abteilung dafür das nötige Personal fehle.

Pro Jahr würden 3,2 Millionen Euro fällig

Dieser Umstand führte unter anderem dazu, dass der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, Frank Lauterbach (SPD), die Kreiselternvertretung aufgefordert hat, konkrete Zahlen für die von ihr behaupteten Betreuungsausfälle vorzulegen. Diese Übersicht hat die KEV schließlich selbst erstellt und vorgelegt. Danach betrug 2021 die durchschnittliche Überzahlung für ausgefallene Kita-Betreuung im Krippenbereich 295,80 Euro pro Jahr und im Elementarbereich 232,20 Euro.

Die KEV-Forderung nach einer pauschalen Beitragserstattung von 300 Euro pro Jahr und Kind stieß unterdessen auf ein geteiltes Echo in den Fraktionen. Zumal diese Kompensation möglichst für den Zeitraum von 2021 bis 2025 gezahlt werden soll. Auf 10.729 Kita-Kinder berechnet würde der Kreis also pro Jahr rund 3,22 Millionen Euro aufbringen müssen.

Eltern sind Knebelverträgen ausgesetzt

Thomas Bellizzi (FDP) sieht bei solch einer Verfahrensweise ein erhebliches Gerechtigkeitsproblem. „Zum einen, weil nicht alle Eltern gleichermaßen von Betreuungsausfällen betroffen waren und sind. Zum anderen, weil die Familien bei den Kita-Gebühren finanziell unterschiedlich belastet werden“, so der Freidemokrat. Scharf kritisierte er zudem, dass in den Verträgen mit den Kita-Trägern erst gar keine Entschädigungen für Ausfallzeiten vorgesehen seien. „Deshalb kann man hier schon von Knebelverträgen sprechen, da Eltern zugunsten eines Kitaplatzes auf berechtigte Forderungen in aller Regel lieber verzichten“, erklärt Bellizzi.

Für Bettina Spechtmeyer-Högel (CDU) ist die pauschale Abgeltung schlicht der falsche Weg. „Ziel muss es doch vielmehr sein, verbindliche Betreuungszeiten sicherzustellen. Dazu sollten, wie in Kiel, alle Träger verpflichtet werden, den Personalschlüssel von zwei auf 1,5 Betreuer abzusenken“, schlägt sie vor. Eine Regelung, die das Anfang 2021 in Kraft getretene Kita-Gesetz ausdrücklich erlaubt.

Ihr Fraktionskollege Mathias Nordmann forderte derweil eine klare rechtliche Einordnung jedweder Regressansprüche. Er wies aber gleichzeitig darauf hin, dass die Kreispolitik mit der kurz zuvor beschlossenen freiwilligen Förderrichtlinie für die praxisintegrierte Ausbildung von Erziehern (PiA) und sozialpädagogischen Assistenten schon viel Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung bewiesen habe.

Hendrik Holtz (Linke) merkte an, dass sich bei einer realen Betrachtung jedes Einzelfalls oft sicher ein deutlich höherer Anspruch als 300 Euro ergeben würde. „Klar ist aber auch, dass ein perfektes Abrechnungssystem einen deutlich höheren Verwaltungsaufwand nach sich ziehen würde“, so Holtz. Insofern sei die Herstellung von Gerechtigkeit an dieser Stelle ein schwieriges Unterfangen.