Bad Oldesloe. Im Jugendhilfeausschuss wurde der Plan für 2023 beschlossen. Doch der bildet den Bedarf nicht ab, kritisieren die Eltern.

Der Tagesordnungspunkt selbst nahm kaum mehr als ein paar Minuten in Anspruch: In der Sitzung des Jugendhilfeausschusses des Kreises Stormarn am Montag haben die Ausschussmitglieder dem Kindertagesstättenbedarfsplan 2023 ohne Einwände zugestimmt. Doch tatsächlich bildet die Planung den eigentlichen Bedarf in Stormarn gar nicht ab. Genau das bestätigte Fachbereichsleiter Wilhelm Hegermann während des Ausschusses.

Wegen des Fachkräftemangels können nicht die notwendigen Plätze geschaffen werden

Der Bedarfsplan diene lediglich dazu, die Haushaltskosten zu kalkulieren, zeige aber nicht die tatsächliche Situation in Stormarn. Laut den anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der Einrichtungsträger von Arbeiterwohlfahrt, dem Deutschen Roten Kreuz und der Lebenshilfe übersteige die Nachfrage das Angebot bei Weitem. Wegen des Fachkräftemangels könnten nicht die notwendigen Plätze geschaffen werden.

Dass der Kreis den Bedarfsplan trotzdem beschlossen hat, daran übt nun die Kreiselternvertretung der Kitas in Stormarn (KEV) Kritik. „Der Bedarfsplan soll die Bedarfe an Betreuungsplätzen im Kreis abbilden. Stattdessen wird lediglich das theoretische Angebot an Plätzen erfasst“, so Kerstin Hinsch von der KEV Stormarn. „Es gibt keine tatsächliche Bedarfserhebung, obwohl der Kreis verantwortlich ist, ausreichend Kitaplätze zur Verfügung zu stellen.“

Ausschussvorsitzender Frank Lauterbach: „Die Bedingungen sind schwierig“

Der Ausschussvorsitzende Frank Lauterbach (SPD) sagt dazu auf Nachfrage dieser Zeitung: „Es stimmt, dass wegen des Fachkräftemangels nicht so viele Plätze angeboten werden können wie eigentlich gebraucht werden.“ Die Verantwortung für die Planung und Gewährleistung eines bedarfsgerechten Angebotes an Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege liegt beim Kreis als örtlichem Träger der Jugendhilfe. Die Gemeinden unterstützen den Kreis dabei. „Eine Fachabteilung in der Verwaltung erstellt den Kitabedarfsplan, berücksichtigt Geburtenraten und fragt in den Städten und Gemeinden den voraussichtlichen Bedarf ab“, so Lauerbach. Auf Grundlage dieser Daten werde der Bedarfsplan erstellt. Doch es können schlicht keine Plätze angeboten werden, wenn das Personal fehlt.

Kerstin Hinsch von der Kreiselternvertretung der Kitas in Stormarn kritisiert, dass der Kitabedarfsplan an der Lebensrealität vorbeigeht.
Kerstin Hinsch von der Kreiselternvertretung der Kitas in Stormarn kritisiert, dass der Kitabedarfsplan an der Lebensrealität vorbeigeht. © Privat

„Die Bedingungen sind sehr schwierig“, so Lauterbach. „Wir haben mit einem Fachkräftemangel zu tun, der kurzfristig nicht beseitigt werden kann.“ Personal einzustellen, diese Aufgabe obliege ohnehin den Kommunen und freien Trägern. Aber: „Genau die suchen händeringend Personal und schalten Anzeigen rauf und runter, aber der Markt ist einfach leer“, weiß der Politiker.

Es nütze nichts, allein den Kreis in die Verantwortung zu nehmen

Auch in Sachen Bezahlung seien die Möglichkeiten begrenzt. Lauterbach: „Das richtet sich nach den Tarifverhandlungen. Darüber hinaus kann zwar jeder in der freien Wirtschaft für sich entscheiden, was er bezahlt. Aber auch das muss wirtschaftlich sein. Und die Kommunen müssen dem Grundsatz folgen, kostendeckend zu arbeiten.“

Es nütze nichts, allein den Kreis in die Verantwortung nehmen zu wollen. „Wir können kein Personal herzaubern“, so Lauterbach. Bundes- und Landesregierungen hätten es über Jahre hinweg versäumt, den Beruf attraktiv zu machen. „Bis vor Kurzem mussten die Auszubildenden ihre Ausbildung noch selbst bezahlen, das ist doch der Wahnsinn“, kritisiert der Ausschussvorsitzende. Auf Kreisebene seien unter anderem die Berufsschulen gefragt, ansonsten könne der Kreis akut wenig gegen den Mangel tun.

Laut Vorgaben des Lades muss es sich bei Kitapersonal um Fachkräfte handeln

Der Platznot mit Aushilfskräften Herr zu werden, sei keine Option. Lauterbach: „Laut Vorgaben des Landes muss es sich bei dem Kitapersonal um pädagogische Fachkräfte handeln. Der Fachkräfteschlüssel in Anzahl und Qualität ist vorgegeben.“ Die Kinder müssen von Erzieherinnen und Erziehern beziehungsweise sozialpädagogischen Assistenten betreut werden.

Das alles bedeute aber nicht, dass nicht trotzdem jedes Kind irgendwie einen Platz bekomme. „Eltern haben einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz“, so Lauterbach. „Irgendwo müssen wir die Kinder unterbringen.“ Das bedeute in der Realität aber, dass Eltern oft keinen Platz in der wohnortnahen Wunschkita bekommen oder ihre Kinder manchmal in eine Kita am anderen Ende der Stadt oder gar in der Nachbarkommune bringen müssen.

„Die Platznot ist in vielen Kommunen groß“, sagt auch Marco Heidorn, Co-Vorsitzender der KEV. In Reinfeld etwa hätten die Kitaträger ihr Angebot zum 1. August drastisch reduziert. „Es gibt in Reinfeld nur noch zwei Kitas, die eine Betreuung bis 17 Uhr anbieten. Für berufstätige Eltern, die nach Lübeck oder Hamburg pendeln, bedeutet das einen massiven Einschnitt, da sie ihre Arbeitszeit reduzieren müssen, um die Kinder rechtzeitig aus der Betreuung abzuholen“, so Heidorn. In vielen Kommunen sehe es ähnlich aus: Personalmangel und lange Wartelisten.

Kreis schließt Beitragserstattung für Ausfallzeiten in Kitas aktuell aus

Der Kitabedarfsplan war aber nicht das einzige Thema, das bei der KEV im Jugendhilfeausschuss auf Verstimmung stieß. Es ging auch um die Beitragserstattung für Ausfallzeiten in Kitas zum Beispiel im Krankheitsfall. „Aktuell schließen die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses eine zeitnahe Unterstützung von Seiten des Kreises aus“, bedauert die Kreiselternvertretung. Doch das tue der Kreis aus gutem Grund, sagt Frank Lauterbach. Die Rechtslage gebe das schlicht nicht her. „Eltern haben einen Vertrag mit dem Kitaträger, nicht mit dem Kreis. In dem Vertrag sollte geregelt sein, ob Beiträge – zum Beispiel im Krankheitsfall – erstattet werden. Das können wir als Kreis gar nicht, denn wir sind nicht Vertragspartner“, so Lauterbach.

Bei allem Unmut appelliert der Ausschussvorsitzende: „Die Eltern müssen den Druck auf die Landesregierung erhöhen, um Nachbesserungen im Kitareformgesetz zu erreichen. Die Attraktivität des Berufes muss dringend erhöht werden, sowohl durch genügend Ausbildung als auch durch angemessene Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen.“