Stapelfeld. Amtszeit endet nach rund 16 Jahren im Juni. Stapelfeld ist gut aufgestellt. Wer große Chancen auf die Nachfolge des Rentners hat.
Das letzte Haus an der Straße Von-Eichendorff-Weg in Stapelfeld vor dem Acker: Es sieht gepflegt aus. Im Vorgarten sprießen Blumen. Dort ist auch ein Schild positioniert, angebracht an einem Stein. Darauf zu lesen ist eine Amtsbezeichnung: die des Bürgermeisters. Hier lebt Jürgen Westphal, der seit rund 16 Jahren an der Spitze der Gemeinde steht – ehrenamtlich. Demnächst wird die Tafel von seinem Grundstück verschwinden. Der Rentner macht Schluss mit der Politik. Überredungsversuche, bei der Kommunalwahl am 14. Mai zumindest auf einem hinteren Listenplatz für die örtliche Wählergemeinschaft anzutreten, hat der 70-Jährige ignoriert. Er schließt mit dem Kapitel ab.
„Ich halte nicht viel davon, wenn die Alten an ihren Posten festhalten. Jetzt müssen die Jüngeren ran“, sagt der Bürgermeister-Dino, der seit 30 Jahren zudem der Gemeindevertretung angehört.
Westphal ist durch und durch Stapelfelder, hat immer hier gewohnt. Seine Eltern betrieben früher einen Bauernhof. Er lernte Landwirt, ging Anfang 20 zur Bundeswehr. Als Berufssoldat diente Westphal in Wentorf, Hagenow, Munster, Harburg und im ehemaligen Glinder Depot. Seine Bezeichnungen bei den jeweiligen Stationen: Panzergrenadierfeldwebel, Zugführer, Kompanietruppenführer. Hinzu kamen Tätigkeiten im Personalwesen und in der Logistik. Die Zahl der Übernachtungen in den Kasernen hielt er so gering wie möglich. Im Alter von 53 Jahren ging der Stormarner in Pension.
Westphal holte neuen Pächter für Stapelfelder Hof
Ins Bürgermeisteramt kam Westphal 2007, weil Vorgänger Walter Schröder ein Jahr vor Ende der Legislaturperiode hinwarf. Den ehrenamtlichen Job füllt er seitdem mit Leidenschaft aus und übertreibt es offenbar manchmal. Über eigene Schwächen sagt der Pensionär: „Im Rückblick muss ich zugeben, dass ich zu viele Dinge an mich gerissen habe.“ Dass Westphal ein umtriebiger Mensch ist, war sehr wohl zum Vorteil Stapelfelds.
Ein Beispiel ist der Stapelfelder Hof, eine gemeindeeigene Immobilie und weit über die Grenzen Stormarns bekannt als Traditionslokal. Herbert Maaß führte das Restaurant mehr als 20 Jahre mit exzellenter Küche, beendete 2006 seine Selbstständigkeit. Danach hatte man kein Glück mit den Pächtern. Es kam zu Geschäftsaufgaben und Leerstand. Eigentlich hatte man Abstand davon genommen, das 1914 erbaute Haus wieder für gastronomische Zwecke zu vermieten. Auf einer Einwohnerversammlung sprachen sich die Bürger für ein Lokal aus. Jetzt war Westphal gefragt. „Ich habe dann meine Fühler ausgestreckt und viele Gespräche geführt, bin so über einen Getränkegroßhändler an einen Interessenten gelangt.“ Kurz darauf unterschrieb Christos Tsoutsouras den Vertrag. Sein griechisches Restaurant besteht seit 2016 im Hof.
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Natürlich bestimmt Westphal nicht im Alleingang, für die Umsetzung von Ideen muss er die Mehrheit in der Gemeindevertretung hinter sich bringen. Vorabsprachen trifft er stets mit den Fraktionsvorsitzenden in kleiner Runde. So versucht der Bürgermeister, alle auf Kurs zu bringen. In der Regel gelingt das. Er sagt aber auch: „Wir leben in einer Demokratie und diskutieren natürlich. Es muss nicht immer alles einstimmig sein.“
Das Büro hat er in seinem Einfamilienhaus
Ein wichtiges Anliegen sei ihm ein sachlicher Umgangston unter den Vertretern der Fraktionen gewesen. „Früher habe ich regelrechte verbale Saalschlachten erlebt“, erinnert sich der Ehrenamtler. Er selbst ist dafür bekannt, kein Blatt vor dem Mund zu nehmen und auch mal ein bisschen grober zu formulieren. Allerdings schießt Westphal dabei nicht unter die Gürtellinie. „Er ist fleißig, tatkräftig und zielstrebig, nicht immer diplomatisch, aber ehrlich“, sagt der frühere SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Fechner. Er hat es Westphal vorgemacht und ist bereits aus der Politik ausgestiegen.
Stapelfeld gehört wie Siek, Braak, Brunsbek und Hoisdorf zum Amt Siek mit seinen hauptamtlichen Kräften. Als Bürgermeister bekommt Westphal nach eigenen Angaben eine Aufwandsentschädigung in Höhe von rund 1100 Euro im Monat, muss das Geld versteuern. Den Einsatz beziffert er auf etwa 20 Stunden pro Woche. „Meine Frau sagt allerdings, es sind mehr.“ Das Büro hat er in seinem Einfamilienhaus. Zehn Quadratmeter, ein Tisch sowie ein Regal – mehr braucht es nicht. „Die meisten Leute sprechen mich auf der Straße an.“ Unterredungen in den eigenen vier Wänden mit Bürgern sind tabu.
Tochter Thekla hat Vorsitz im Finanzausschuss
In der Wählergemeinschaft wird Westphal Mitglied bleiben, Ausschüsse und die Sitzungen der Gemeindevertretung aber mindestens ein Jahr nicht mehr besuchen. Dass er schnell Abstand gewinnt, ist für ihn in Stein gemeißelt. „Ich kenne das noch von der Bundeswehr. Mit der Übernahme eines neuen Postens war die vorherige Tätigkeit kein Thema mehr.“ Es wisse nicht, was nun auf ihn zukomme, schließlich seien vor allem Politik und Radfahren die größten Hobbys gewesen. Am 12. Juni ist der konstituierende Treff des Gemeindeparlaments samt Amtsübergabe.
Westphal hinterlässt eine gut aufgestellte Kommune. Stapelfeld ist schuldenfrei und hat mehrere Millionen Euro Rücklagen. Die Gemeinde verfügt über 36 eigene Wohnungen, die zu bezahlbaren Preisen vermietet werden an Ortsansässige. Und durch das neue Gewerbegebiet kann man mit zusätzlichen Einnahmen rechnen. Große Chancen auf die Nachfolge hat Martin Wesenberg (43), der die Liste der Wählergemeinschaft anführt. Die Gruppe ist seit Jahrzehnten stärkste Kraft im 1900-Einwohner-Ort. Westphals Tochter Thekla macht übrigens auch Politik in Stapelfeld. Die 39-Jährige ist Vorsitzende des Finanzausschusses und tritt bei der Kommunalwahl für die Wählergemeinschaft an.