Ahrensburg. Massive Kritik an Wahlrechtsnovelle der Landesregierung. Kleine Parteien fühlen sich bei Wahl zum Kreistag Stormarn benachteiligt.
Selten waren Kreistagssitze in Stormarn so umkämpft wie vor der Kommunalwahl am 14. Mai. Um die Gunst der Wähler und die regulär 49 Sitze werden dann 246 Direktkandidaten von elf Parteien und Wählergemeinschaften streiten, mehr als je zuvor. Momentan umfasst der Kreistag durch 15 Überhangs- und Ausgleichsmandate 63 Abgeordnete aus sechs Fraktionen sowie drei Solisten, ein Kreistagsmitglied ist kürzlich verstorben. So vielfältig wird der neue Kreistag aber nicht mehr werden, fürchten etliche Vertreter kleinerer Fraktionen. Für Unmut und harsche Kritik sorgt eine Novelle des Kommunalwahlrechts, die die schwarz-grüne Landesregierung in Kiel am vergangenen Donnerstag gegen die Stimmen der Opposition beschlossen hat.
Fraktionsstatus erhalten in Kommunalparlamenten ab 31 Sitzen künftig nur noch jene Parteien und Wählergemeinschaften, die dort mit mindestens drei Abgeordneten vertreten sind. „Eine Anhebung der Fraktionsmindeststärke ist im Interesse der Funktionsfähigkeit der Ratsarbeit gerechtfertigt, das haben sogar die kommunalen Spitzenverbände bestätigt“, verteidigte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) die Gesetzesänderung bei der Abstimmung im Landtag. Zuvor hatte CDU-Fraktionschef Tobias Koch (Ahrensburg) bereits darauf hingewiesen, dass diese Regelung in Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Hessen bereits bestehe.
Kommunalwahl: Kleine Parteien fühlen sich benachteiligt
Dennoch haben FDP, der Südschleswigsche Wählerverband SSW und auch die Linke bereits eine Normenkontrollklage vor dem Landesverfassungsgericht angekündigt. „Die Chancen, dass unser Vorstoß zur Rücknahme dieser Neuregelung erfolgreich sein wird, stehen nicht schlecht“, meint Bernd Buchholz, FDP-Landtagsabgeordneter aus Ahrensburg und ehemaliger Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins.
Die Novelle rüttle an den Grundfesten der demokratischen Mitwirkungsrechte kleinerer Parteien und Wählergemeinschaften und am Grundsatz der Erfolgswertgleichheit von Wählerstimmen. „De facto braucht man zur Bildung einer Fraktion in Kommunalvertretungen ab 31 Sitzen jetzt neun Prozent aller Stimmen, das ist aber vollkommen unrealistisch“, so Buchholz. Damit werde die Abschaffung der Fünfprozenthürde durch die Hintertür ausgehebelt.
Es gibt zwar Rederecht, aber kein Stimmrecht
Gewählte Abgeordnete außerhalb von Fraktionen haben in Ausschüssen zwar ein Grundmandat mit Rederecht, allerdings kein Stimmrecht. Und eigene Anträge dürfen sie dort auch nicht einbringen, sondern nur auf Anträge anderer Fraktionen reagieren. Zudem können keine bürgerlichen Mitglieder entsendet werden, um die Ausschussarbeit auf mehrere Schultern zu verteilen.
„Solch eine Einstiegshürde zur Fraktionsbildung macht kleinere Parteien unattraktiv, beschneidet ihre Einflussmöglichkeiten, verurteilt sie zum Zuschauen und schließt sie letztendlich aus dem politischen Wettbewerb aus“, kritisiert Thomas Bellizzi, FDP-Fraktionschef im Kreistag und in der Stadtverordnetenversammlung Ahrensburg.
In Ahrensburg und Bargteheide wird es für FDP eng
Dort könnte es für die FDP mit momentan drei Abgeordneten ebenso eng werden wie in Bargteheide, wo sie aktuell nur zwei Stadtvertreter hat. In Bad Oldesloe müssen derweil drei Parteien und Wählergemeinschaften bangen, neben der FDP auch die Stadtfraktion und die Linke.
Deren Fraktionschef Hendrik Holtz sieht schon Machtverhältnisse „wie in einer Bananenrepublik“ heraufdämmern. „Als das Bundesverfassungsgerichts bereits Mitte März 2008 die Fünfprozenthürde bei Kommunalwahlen für verfassungswidrig erklärte, sollte das Urteil eine größere Partizipation breiterer Bevölkerungsschichten ermöglichen“, so Holtz.
In einer Nacht- und Nebelaktion durchgepeitscht
Durch die Wahlrechtsnovelle in Schleswig-Holstein, die „von langer Hand geplant und in einer Nacht- und Nebelaktion durchgepeitscht wurde“, werde die Opposition im Kreistag und den Kommunalparlamenten nun ebenso eklatant geschwächt wie die direkte Einflussnahme der Menschen durch Bürgerbegehren. „Ich halte das für verfassungswidrig und eine Form von Alleinherrschaftsbestrebungen“, sagt Holtz. Demokratien bräuchten ein breites Fundament. Das gebe es aber nicht, wenn andere Meinungen nicht mehr gehört würden.
Tatsächlich erscheint die CDU im Kreistag Stormarn übermächtig. Mit 24 Sitzen stellt sie die mit Abstand größte Fraktion, gefolgt von SPD (14), den Grünen (12), der FDP (5) und den Linken (3). Die Christdemokraten holten bei der Kreistagswahl 2018 mit 34.121 Stimmen nicht nur mehr als ein Drittel (35,86 Prozent) aller 95.163 gültigen Stimmen, die CDU-Kandidaten gewannen auch 24 der 25 Wahlkreise.
- Forum 21 tritt in Reinbek und für Stormarns Kreistag an
- Neonazi-Vorwurf: Zwei Stormarner verlassen AfD-Fraktion
- So lief die Kommunalwahl im Kreis Stormarn
Diesmal muss sich die Partei allerdings einer deutlich größeren Konkurrenz erwehren. Neben der CDU haben auch Grüne, SPD, FDP, AfD, die Basis, die Freien Wähler und die Wählergemeinschaft Für Bad Oldesloe (FBO) Direktkandidaten für alle 25 Wahlkreise benannt. Die Linke ist in 24 Wahlkreisen außer Reinbek vertreten, das Forum 21 in 21. Im Wahlkreis 6 (Bad Oldesloe Land) findet sich mit dem Finanzberater Georg Weigand zudem ein Vertreter der Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative, kurz Die Partei.
Mit 39 Kandidaten die längste Liste haben die Grünen aufgestellt, gefolgt von der CDU (37), der SPD (34), der FBO (25), dem Forum 21 (21) und der FDP (20). Die Listen der Grünen und der CDU sind durchgängig im Wechsel geschlechterparitätisch formiert, die Liste der SPD bis Platz 12. Viele Frauen haben zudem das Forum 21 (10 von 21) und die FBO (9 von 25) nominiert. Auf der zwölf Kandidaten umfassenden Liste der Alternative für Deutschland (AfD) finden sich hingegen ausnahmslos Männer.