Reinfeld. Feldversuch auf A1 bei Reinfeld soll nun bis Ende 2024 laufen. Umweltminister kann sich Ausbau nach Hamburg und Bremen vorstellen.
Auch über das Jahresende hinaus werden mit großer Wahrscheinlichkeit Elektro-Lkw über den E-Highway zwischen Reinfeld und Lübeck rollen. Bei einem Besuch vor Ort haben Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) und Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos) eine Verlängerung des Pilotprojektes um zwei Jahre bis Ende 2024 in Aussicht gestellt.
„Der Verkehrssektor ist klimapolitisch ein Sorgenkind, entsprechend drängt die Frage nach neuen Lösungen“, sagt Goldschmidt bei dem Termin bei der Spedition Bode in Reinfeld. „Nach drei Jahren können wir selbstbewusst sagen: Das Konzept E-Highway kann funktionieren“, so der Umweltminister. Oberleitungs-Lkw sparten nicht nur Kohlenstoffdioxid, wertvoller Strom werde auch sehr effizient eingesetzt.
Pilotprojekt E-Highway soll bis Ende 2024 verlängert werden
Seit Anfang 2020 pendeln auf dem etwa fünf Kilometer langen, mit Oberleitungen ausgestatteten Abschnitt der Autobahn 1 im Norden Stormarns täglich strombetriebene Lastwagen. Das Bundesumweltministerium hat 19 Millionen Euro in das Projekt investiert, mit dem angesichts des Klimawandels neue Mobilitätsmodelle getestet werden sollen. Wissenschaftlich begleitet wird der Feldversuch von der Fachhochschule Kiel, der Hochschule Heilbronn und der Technischen Universität Dresden.
Als Praxispartner ist die Reinfelder Spedition Bode beteiligt. Gegen eine Leasinggebühr bekommt das Unternehmen die Test-Lastwagen zur Verfügung gestellt und setzt sie im laufenden Betrieb ein. Bis zu 40 mal verkehren die inzwischen fünf Hybrid-Lkw des Herstellers Scania täglich zwischen dem Logistikzentrum der Spedition in der Karpfenstadt und dem Lübecker Hafen.
Umweltminister möchte Oberleitungsnetz nach Hamburg und Bremen erweitern
Die Fahrzeuge verfügen sowohl über einen Elektro- als auch über einen Dieselmotor. Ziel ist es, dass die Lastwagen so viel Strom aus der Oberleitung ziehen, dass die Batterie für den Rest der 25 Kilometer langen Strecke geladen ist. Laut Scania haben die Lastwagen im Elektromodus eine Reichweite von zehn Kilometern. Das Ziel sind 60 Kilometer. Die Fahrzeuge klinken sich auf dem E-Highway mit einem Stromabnehmer an die Oberleitung ein.
Das Projekt war zunächst bis Ende dieses Jahres befristet. Doch die bisherige Bilanz war aus Sicht der Beteiligten so erfolgreich, dass nun eine Fortführung geplant ist. Und nicht nur das, Goldschmidt und Madsen können sich auch eine Ausweitung des Projektes vorstellen. Es gelte, nun die nächste Phase einzuleiten, sagt Umweltminister Goldschmidt. „Eine Erweiterung des Projektes um weitere Partner und Streckenabschnitte wäre ein guter nächster Schritt“, so der Grünen-Politiker. „Es wäre eine großartige Perspektive, die norddeutschen Hafenstandorte Lübeck, Hamburg und Bremen miteinander per E-Highway zu verbinden.“
Hybrid-Lkw haben rund 15.000 Kilometer auf dem E-Highway zurückgelegt
Auch Verkehrsminister Madsen sieht, trotz technischen Optimierungsbedarfes an einigen Stellen, in dem E-Highway „enorme Potenziale“. Er sagt: „Perspektivisch kann in der Region ein echtes E-Highway-Netz entstehen, welches die Wirtschaftsstandorte Bremen, Hamburg und Lübeck miteinander verbindet.“ Dazu wolle er mit Partnern in den Nachbarbundesländern in den Dialog treten und gemeinsam eine Strategie erarbeiten.
Laut Jan Bachmann, Projektleiter beim Forschungs- und Entwicklungszentrum (FuE-Zentrum) der Fachhochschule Kiel, haben die fünf Hybrid-Lkw bislang knapp 15.000 Kilometer an der Oberleitung zurückgelegt. Während sie die Teststrecke befahren, ziehen die Lastwagen demnach bis zu 15 Kilowattstunden aus der Leitung, das entspricht einer Leistung von 380 Kilowatt. Bei der Energieübertragung auf die Fahrzeuge habe es keine Schwierigkeiten gegeben, auch befürchtete Auswirkungen der Stromtrasse auf das öffentliche Versorgungsnetz seien ausgeblieben.
Streusalz sorgt für kleinere Probleme an der Oberleitung
Kleinere Probleme verzeichneten die Wissenschaftler eigenen Angaben zufolge mit einzelnen Komponenten der Oberleitung. Diese hätten sich etwa zum Teil als unverträglich mit dem auf der Autobahn eingesetzten Streusalz erwiesen. Und auch aus ökologischer Sicht seien die Ergebnisse ermutigend: Demnach konnte kein erhöhtes Kollisionsrisiko für Vögel mit den Oberleitungen festgestellt werden. Untersuchungen zum Vogelflugverhalten mittels Wärmebildkameras ließen darauf schließen, dass der E-Highway keinen relevanten Einfluss auf die Tiere habe.
- Barsbüttel: Frau findet totes Reh und wird von Fremden angegriffen
- Glinde: Papendieker Redder wird frühestens 2024 saniert
- Grüne fordern deutlich mehr Tempo 30 in Bargteheide
Positives Feedback gibt es auch von der Autobahnmeisterei Bad Oldesloe, die für den Streckenabschnitt zuständig ist. „Die anfängliche Skepsis der Mitarbeiter hat sich schnell gelegt“, sagt deren Leiter Jörg Becker. Zwar hätten seine Mitarbeiter einen gewissen Mehraufwand im Straßenbetrieb, etwa beim Grün- und Gehölzschnitt am Fahrbahnrand. „Wir haben aber ansonsten nur gute Erfahrungen mit dem System und der Betriebsorganisation gemacht“, so Becker.
E-Highway hat laut Polizei keine Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit
Probleme bei Unfällen und Rettungseinsätzen gab es, anders als von Kritikern befürchtet, laut Matthias Kipp, Leiter des Polizei-Autobahnreviers Bad Oldesloe, nicht. Die Oberleitung über der Autobahn hatte keinen größeren Einfluss auf unsere Arbeit“, sagt er und betont: „Wir hatten nur wenige Vorfälle auf der Strecke, die wir anders behandeln mussten als sonst üblich.“
Eine Analyse des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer hat laut FuE-Zentrum zudem ergeben, dass sich Spurwahl, Geschwindigkeit und das Abstandhalten mit der Einrichtung des E-Highways nur geringfügig, aber nicht maßgeblich, verändert haben. Für Schwertransporte stelle die Oberleitung kein Hindernis dar. Und auch in der Praxis hat sich das System laut Kai Bode, Geschäftsführer der Reinfelder Spedition, bewährt. „Die Technik funktioniert, es gab keine größeren Probleme“, sagt der Unternehmer.
Wissenschaftler wollen in den nächsten Jahren vor allem Konvoi-Fahrten testen
Co-Geschäftsführer Marc-Philipp Bode sagt: „Zu Beginn des Projekts war die Fahrerakzeptanz eine der Sorgen, die wir hatten.“ Diese habe sich jedoch in der Praxis nicht bewahrheitet, der Umgang mit den Fahrzeugen erfolge reibungslos und routiniert. Eine Verlängerung der Testphase halten die Unternehmer auch deshalb für sinnvoll, weil nach dem Start monatelang nur ein Hybrid-Lkw zur Verfügung gestanden hatte. Die Lieferung der übrigen Fahrzeuge hatte sich immer wieder verzögert.
Von den kommenden zwei Jahren erhoffen sich die Wissenschaftler zudem weitere Erkenntnisse im wirtschaftlichen Bereich. Besonders im Vergleich mit anderen potenziell CO2-neutralen Technologien wie reinen Batterie- oder Brennstoffzellenfahrzeugen wollen die Forscher weitere Informationen sammeln. Zudem sollen bis Ende 2024 verstärkt Konvoi-Fahrten mit mehreren Oberleitungs-Lkw geprobt werden.