Reinfeld. Forscher der Uni Jena legen Zwischenbilanz zum Meinungsbild in der Bevölkerung vor. Skepsis hat sich demnach gelegt.

Etwas mehr als eineinhalb Jahre sind seit dem Start für den E-Highway auf der Autobahn 1 zwischen Reinfeld und Lübeck inzwischen vergangen. Seitdem gibt es immer wieder Kritik an dem Modellprojekt. Die Kosten von rund 19 Millionen Euro für den Ausbau des etwa fünf Kilometer langen Streckenabschnittes seien herausgeworfenes Geld, der Ansatz umständlich und nicht praxistauglich, monieren Kritiker.

Bewertungen fallen überraschend positiv aus

Umso überraschender ist das erste Zwischenergebnis einer Befragung der Friedrich-Schiller-Universität Jena zur Akzeptanz des E-Highways in der Bevölkerung. Bislang haben sich zwar nur rund 150 Personen an der Umfrage beteiligt, aber die Bewertungen fallen unvermutet positiv aus. „Der Betrieb der Infrastruktur hat gezeigt, dass sich die anfängliche Skepsis gelegt hat“, sagt Nina Janssen, Sprecherin des Forschungs- und Entwicklungszentrums der Fachhochschule Kiel, das das Pilotprojekt wissenschaftlich begleitet.

„Grundsätzlich lässt sich feststellten, dass die Befragten dem Thema Klimaschutz einen hohen Stellenwert zuordnen“, sagt sie. Die Mehrheit der Befragten sehe die Oberleitungstechnik zudem als Chance zu Emissionseinsparung im Lkw-Güterverkehr.

Auch technische, wirtschaftliche und ökologische Aspekte gehören zu den Forschungsgegenständen

Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist neben technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten einer der Forschungsgegenstände während des Pilotprojektes. Die Umfrage wird vom Lehrstuhl für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie der Universität Jena durchgeführt. „Ziel der Umfrage ist die Erfassung eines Meinungsbildes verschiedener Gruppen“, sagt Janssen.

Im Fokus stünden Personen, die mittelbar oder unmittelbar von der Teststrecke betroffen sind, etwa Vertreter von Logistikverbänden, Anwohner, die Autobahnmeisterei sowie Rettungskräfte. „Die Akzeptanzerfassung ist in zeitliche Stufen gegliedert und erstreckt sich über die gesamte Projektlaufzeit“, sagt Janssen. Bei den jetzigen Zwischenergebnissen handele es sich um Tendenzen. Umfassende Aussagen gebe es erst zum Ende des Projektes. Interessierte können über eine Online-Fragebogen teilnehmen. Darüber hinaus sollen aber auch leitfadengestützte Interviews, Verhaltensbeobachtungen, Dokumentenanalysen sowie eine standardisierte, adaptive Sicherheitsbeurteilung in die Endauswertung einfließen.

Kritisch wird die geringe Zahl der Oberleitungs-Lastwagen gesehen

Die Wirtschaftlichkeit und die Umweltbilanz des E-Highways seien auch Punkte, die für die Befragten zentrale Voraussetzungen für eine positive Bewertung des Modellprojektes seien, so Janssen. „Als besonders relevant für einen möglichen Systemausbau sehen die Teilnehmer zudem die Resilienz und Verfügbarkeit des Systems, eine ausreichende Batteriereichweite der Fahrzeuge für die Strecken ohne Oberleitung, eine zuverlässige und ökologisch sinnvolle Stromversorgung und Planungssicherheit für die Speditionen als Nutzer an“, sagt die Sprecherin.

Kritisch werde hingegen die geringe Zahl der Oberleitungs-Lastwagen gesehen, die während des Pilotprojektes auf dem E-Highway im Einsatz seien. Zum Start war es nur ein Fahrzeug, inzwischen verkehren vier Hybrid-Lkw auf der Strecke. Die Lastwagen, die sowohl über einen Elektro- als auch einen Dieselmotor verfügen, werden vom Bundesumweltministerium bereitgestellt.

Die Lastwagen werden vom Bundesumweltministerium bereitgestellt

Es handelt sich um Sonderfahrzeuge der Firma Scania, die mit von Siemens entwickelten Stromabnehmern ausgerüstet werden. Diese verbinden sich automatisch mit den Oberleitungen, wenn sie auf der Spur darunter sind.

Die Speditionen zahlen dafür Leasinggebühren. Neben dem Abschnitt zwischen Reinfeld und Lübeck gibt es weitere Teststrecken auf der A 5 bei Frankfurt/Darmstadt und auf der Bundesstraße 462 im Murgtal (Baden-Württemberg). In Schleswig-Holstein beteiligt sich bislang nur die Spedition Bode mit Sitz in Reinfeld am dem Feldversuch. „Die Spedition Bode, die die Strecke mit den Oberleitungs-Lkw im täglichen Pendelbetrieb befährt, ist grundsätzlich zufrieden mit dem System“, sagt Janssen.

Reinfelder Spedition Bode beteiligt sich an dem Feldversuch

Das bestätigt auch Geschäftsführer Kai Bode auf Anfrage dieser Redaktion. „Unsere Zwischenbilanz fällt durchweg positiv aus“, sagt der Unternehmer. „Die vier Fahrzeuge, die inzwischen im Einsatz sind, laufen bislang reibungslos“, so Bode. Der erste Lkw habe bereits mehr als 80.000 Kilometer zurückgelegt. Die übrigen drei sind erst seit diesem Sommer unterwegs. „Ein fünfter soll voraussichtlich zum Jahresende geliefert werden“, sagt der Geschäftsführer.

Ob sein Unternehmen nach dem Ende der Testphase weiter auf die Oberleitungs-Technologie setzen wird, steht für Kai Bode noch nicht fest. „Es ist eine Alternative, aber ob sie sich durchsetzen kann, hängt zum einen vom Kosten-Nutzen-Verhältnis ab und zum anderen davon, welchen Weg die Politik einschlägt“, sagt er. Das Modellprojekt läuft noch bis Ende 2022.