Glinde. Investor will Wohnungen bauen auf Gelände des Sportvereins und diesem eine neue Anlage spendieren. Warum Politiker Bedenken haben.

Es wäre wie ein Sechser im Lotto für den TSV Glinde, der verschuldet ist und in den kommenden Jahren viel Geld aufbringen muss, um Gebäude sowie Anlagen zu modernisieren. Ein Investor will dem Verein eine neue Anlage schenken. Er stellt aber Bedingungen, will jenes Grundstück mit der Stadt tauschen, das per Erbpacht bis 2081 an den TSV vergeben ist und dort bis zu 600 Wohnungen bauen. Die neuen Sportstätten würden wenige Meter weiter nördlich entstehen. Das bedarf der Zustimmung der Politik. Die meidet jedoch ein Bekenntnis zum Umzug des rund 2600 Mitglieder zählenden Sportvereins.

Bürgermeister Rainhard Zug wollte im jüngsten Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz die weitere Vorgehensweise besprechen lassen, um zeitnah eine Entscheidung zu erwirken, ob das Projekt weiterverfolgt oder beerdigt wird. Debatten mit einem Fingerzeig, in welche Richtung man zumindest mehrheitlich gehen will, gab es nicht. Einige Parteienvertreter äußerten sich skeptisch bei diesem hochsensiblen Thema. Sie beschäftigt vor allem die Tatsache, dass das für den TSV vorgesehene Areal früher eine Kiesgrube war, die auch mit Bauschutt verfüllt wurde – Methan strömte aus. Ein begonnenes Bebauungsplanverfahren wurde 1985 für 30 Jahre ausgesetzt mit dem Ziel, eine Reduzierung der Ausgasungen auf natürlichem Weg zu erreichen.

Politiker haben Zweifel an Aussagekraft von Bodengutachten

Wie berichtet, hatte der Investor, die Entwicklungsgesellschaft Gut Glinde, ein Bodengutachten erstellen lassen, um Ängste zu nehmen. Dieses wurde vom renommierten Sachverständigenbüro Dr. Skowronek angefertigt. Demnach liegt kein relevantes Gasbildungspotenzial mehr vor. Für den Bau der Sportanlage schlägt der Sachverständige ein Gassicherungskonzept vor mit einer 3,50 Meter tiefen Sperre – etwa durch vertikale Spund- und Bentonitwände. Die Stadt wollte auf Nummer sicher gehen und ließ das Schriftstück von einem weiteren Experten auf Methodik und Plausibilität checken. Es gab nichts zu beanstanden. Und dann gibt es noch den Kreis als Genehmigungsbehörde. Er beurteilt das Vorhaben mit entsprechender Sicherung als machbar, hat das nach Durchlesen des Gutachtens der Stadt mitgeteilt.

Trotzdem gibt es Zweifel. Grünen-Politiker Wolf Tank spielte auf mögliche Verfehlungen des Kreises vor vielen Jahren bei der Überprüfung der Verfüllung an, blieb dabei im Konjunktiv. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Marlies Kröpke sagte: „Nach meinem Bauchgefühl bleibt ein Restrisiko. Mit der Unsicherheit kann ich nicht leben.“ Und es wurden Äußerungen gemacht, dass die Bohrungen womöglich nicht weit genug ins Erdreich gegangen seien. Auf Anfrage dieser Redaktion verneint Jens Skowronek das: „Wir haben uns bei der Tiefe natürlich an die Rechtsvorgaben gehalten.“ Zudem verweist er auf umfangreiche Bohrungen Anfang der 90er-Jahre. „Da war keine Gefährdung aus tiefem Untergrund zu erkennen.“

Investoren schlagen Gründung kommunaler Wohnungsbaugesellschaft vor

Bürgermeister Zug teilt Skowroneks Auffassung. Für ihn steht fest: Auf dem Gelände ist gesundes Sporttreiben möglich. Das sagte er auch den Ausschussmitgliedern und schlug zugleich vor, das Verfahren sensibel fortzusetzen unter anderem mit einer Einwohnerversammlung.

Der Verwaltungschef präsentierte im Festsaal des Bürgerhauses per Powerpoint Vor- und Nachteile der Sportplatzbebauung, skizzierte aktuelle Wohnprojekte und solche, wo die B-Plan-Verfahren angeschoben sind. Mehr als 400 zusätzliche Einheiten kommen so zusammen. Dabei ist das Ortsmittenkonzept gar nicht berücksichtigt. Es beinhaltet nahezu die identische Zahl. In Glinde leben derzeit rund 18.400 Menschen, die 20.000er-Marke würde man reißen bei einer Umsetzung des Plans der Entwicklungsgesellschaft. Natürlich müssten dann Kitas erweitert und das Personal im Rathaus aufgestockt werden, auf der anderen Seite garantieren mehr Bürger auch höhere Steuereinnahmen. Zudem könnte die Stadt Zuschüsse für den TSV Glinde senken. Mal ganz abgesehen von Darlehen, die der Verein wahrscheinlich benötigt für die Instandsetzung der jetzigen Anlagen.

Reizvoll erscheint zudem die Aussicht auf Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft. Diese Variante hatten die Investoren ins Spiel gebracht. Sie möchten zu je einem Drittel Eigentums-, frei finanzierte und Sozialwohnungen schaffen. Dass Glinde weiter wächst, ist für den Bürgermeister unabdingbar. Man befinde sich auf einer Siedlungsachse und habe sich dem Land gegenüber dazu verpflichtet. Er mahnte zudem, dass Nichtstun auch eine Wirkung habe und beschrieb ein Schreckenszenario: „Ein knappes Wohnungsangebot führt zu höheren Mieten, die sich manche Glinder nicht mehr leisten können, wohl aber Hamburger.“

Bürgermeister denkt über Vorlage nach, um Entscheidung zu beschleunigen

Er sei über die fehlende Diskussion im Ausschuss überrascht gewesen. Der Verwaltungschef ist gewillt, die Entscheidungsfindung beim Thema Sportverein zu forcieren: „Wir müssen über eine Vorlage nachdenken, wo konkrete Vorschläge gemacht werden.“ Der FDP-Fraktionsvorsitzende Thomas Kopsch hat zu dem Projekt einen Fragenkatalog eingereicht. Die Liberalen möchten zum Beispiel wissen, ob die Umsetzung der Gassicherungsmaßnahmen durch städtisches Fachpersonal kontrolliert werden und zu welchen Konditionen die Entwicklungsgesellschaft bereit ist, das Gebiet deutlich kleiner zu dimensionieren. „Wir wollen kein übertriebenes Wachstum um jeden Preis“, sagt Kopsch.

Rainer Neumann, Fraktionschef der Christdemokraten, bewertet die Absicht der Investoren positiv: „Die Tragweite ist zwar enorm. Aber ich persönlich bin der Meinung, dass das Projekt eine große Chance für die Stadt ist.“ Die Parteien werden jetzt erstmal intern diskutieren. Basis sind die Fakten und Zahlen aus Zugs Powerpoint-Präsentation.