Ahrensburg. Steigende Preise für Energie und Lebensmittel verstärken Nachfrage. Aufnahmestopp nicht nur in Trittau. Mehr Geldspenden in Ahrensburg.
Deutschland leidet unter den höchsten Preissteigerungen seit Langem. Zehn Prozent betrug die Inflationsrate zuletzt, hervorgerufen vor allem durch steigende Preise für Energie und Lebensmittel. Dies führt zu einer finanziellen Mehrbelastung für viele Menschen und wirkt sich auch auf die Situation der Tafeln in Stormarn aus. Die Einrichtungen, die Lebensmittel an Bedürftige ausgeben, rechnen mit einer höheren Zahl an Kunden oder verzeichnen sie bereits. Und das, obwohl sie ohnehin schon am Limit arbeiten durch einen großen Andrang von Flüchtlingen, insbesondere aus der Ukraine als Folge des dortigen Krieges.
So ist es unter anderem bei der Ahrensburger Tafel mit ihren fünf Ausgabestellen in Ahrensburg, Bargteheide, Großhansdorf, Ammersbek und Hamburg-Rahlstedt. „Uns steht noch einiges bevor“, sagt Holger Pruß, der Vorsitzende des Tafelvereins. Er befürchtet, dass die Tafel noch eine Zunahme an Kunden bekommt durch die Auswirkungen der steigenden Preise. „Viele werden die Hemmschwelle überwinden, bei uns Hilfe zu suchen“, glaubt er.
135 Menschen arbeiten für die Ahrensburger Tafel
Derzeit hat die Ahrensburger Tafel noch einen Aufnahmestopp verhängt, der alle Ausgabestellen bis auf die in Ammersbek betrifft. „Wir waren am Limit, es war einfach der Punkt erreicht, wo es logistisch nicht mehr geklappt hat, auch was die Arbeitsbelastung unserer Ehrenamtlichen anging“, sagt Pruß. „Und die Waren, die wir verteilen, werden nicht mehr.“ Rund 3300 Personen werden derzeit von der Ahrensburger Tafel an allen Standorten unterstützt, im Januar waren es noch 1900. Grund für den Anstieg war vor allem die steigende Zahl von Flüchtlingen aus der Ukraine.
Die Tafel hat aktuell 135 Mitarbeiter, die sich unentgeltlich engagieren. Wie die Ehrenamtlichen der anderen Tafeln auch geben sie die Lebensmittel an die Kunden aus, holen die Ware beim Handel ab, helfen im Lager oder Büro. Die Idee der Tafeln ist es, übrig gebliebene und noch haltbare Lebensmittel, die Supermärkte, Einzelhändler und Bäckereien nicht mehr verwerten, an Bedürftige zu verteilen. Diese müssen sich dazu bei den Tafeln registrieren lassen und dabei ihre Bedürftigkeit und ein geringes Einkommen nachweisen.
An der Ahrensburger Ausgabestelle als größte der Ahrensburger Tafel werden so an den Tagen Dienstag und Donnerstag jeweils rund 100 Haushalte unterstützt. „Leider gibt es andererseits auch einen Rückgang bei den Lebensmittelspenden, er liegt bei ungefähr 30 Prozent“, sagt Vorsitzender Pruß. So verkaufe der Discounter Lidl als ein Hauptsponsor der Tafel mittlerweile übrig bleibende Lebensmittel selbst in sogenannten „Lebensmittelretter-Tüten“. Dies mache sich bemerkbar.
In Trittau sind 740 Personen angemeldet
Immerhin verzeichnete die Ahrensburger Tafel laut Pruß zuletzt mehr Geldspenden. Dadurch und durch ein Sofortprogramm des Landes hofft sie, die Mehrkosten abdecken zu können, die ihr wiederum durch die steigenden Energiekosten entstehen. „Ich rechne damit, dass die Mehrkosten spätestens im nächsten Jahr zu einer spürbaren Belastung werden“, sagt Pruß.
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Einen Aufnahmestopp für Neukunden gibt es auch bei den Tafeln in Trittau, Glinde und Reinbek-Neuschönningstedt. Bundesweit mussten bereits mehr als die Hälfte aller Tafeln diese Maßnahme ergreifen. „Unsere Kapazitätsgrenze war erreicht, es ist nicht absehbar, wann wir den Stopp aufheben können“, sagt Rainer Demuth, Vorsitzender der Trittauer Tafel.
Diese hilft seit Jahresbeginn rund 60 Familien mehr, die meisten davon aus der Ukraine. So sind derzeit rund 740 Personen bei der Trittauer Tafel angemeldet. Und Demuth geht ebenfalls davon aus, dass die Zahl der möglichen Tafelkunden im Winter noch zunimmt. „Weil die Zahl der Wohngeldbezieher steigen wird, gibt es mehr Berechtigte für unser Angebot“, sagt er. Hintergrund ist die Wohngeldreform als Maßnahme gegen die steigenden Preise.
Die Trittauer Tafel hat mit zurückgehenden Lebensmittelspenden ebenso zu kämpfen wie mit den steigenden Energiepreisen. „Die Supermärkte kalkulieren nun anders und verkaufen mehr Waren noch selbst, da bleibt weniger für uns übrig“, so Demuth. Die Tafel versuche Energie zu sparen wo es geht, die Möglichkeiten dazu seien aber begrenzt. „Wir brauchen nun einmal Strom für Kühlgeräte und Benzin für den Transport der Lebensmittel“, sagt der Tafelvorsitzende. Darüber hinaus benötigen die Trittauer größere Räume für ihr Engagement. Derzeit nutzt die Tafel die ehemalige Straßenmeisterei an der Großenseer Straße 12. „Beim aktuellen Andrang platzt sie bereits aus allen Nähten“, sagt Demuth.
Reinfelder Einrichtung erhöht Gebühr für Kunden um einen Euro
Die Ausgabestelle der Tafel Bergedorf in Reinbek-Neuschönningstedt musste im Juni die Aufnahme neuer Kunden stoppen. Grund war auch dort der vermehrte Zulauf von Flüchtlingen aus der Ukraine, aber auch aus Afghanistan. „Wir überlegen derzeit, ob und wie wir den Aufnahmestopp ändern können“, sagt Ulrike Eckert-Riecke, stellvertretende Vorsitzende der Tafel Bergedorf. Denn auch für Reinbek rechnet die Tafel mit einem Zustrom neuer Hilfsbedürftiger aufgrund der höheren Preise für Energie und Lebensmittel.
Immerhin sind laut Eckert-Riecke die Spenden von Lebensmitteln und Geld an die Tafel stabil geblieben. „Wir bekommen noch genug Unterstützung, so dass wir allen Kunden etwas geben können“, so die Leiterin der Warenausgabe. „Wir haben das große Glück, ein grünes Umland mit Bauernhöfen zu haben, von dort erhalten wir viele Waren“, sagt Eckert-Riecke.
Auch im Norden Stormarns gibt es einen stärkeren Andrang auf das Angebot der Tafeln. So unterstützt die Tafel Reinfeld inzwischen rund 560 Personen. Ein Drittel davon sind Ukrainer. Einen Aufnahmestopp musste sie noch nicht verhängen. „Wir sind allerdings gezwungen, die ausgegebenen Lebensmittel zu reduzieren“, sagt die Tafelvorsitzende Hannelore Meyer. „Wir bekommen weniger Waren als früher aus dem Handel, der macht jetzt mehr Sonderangebote.“
Wie viele andere in Deutschland verlangt Tafel in Reinfeld eine Kostenbeteiligung von ihren registrierten Kunden. Diese beträgt fünf Euro im Monat pro Haushalt. „Wir haben sie zum 1. August um einen Euro erhöht“, sagt Meyer. So will die Tafel ihre höheren Kosten durch gestiegene Preise ausgleichen. „Ich blicke mit Sorge in die Zukunft“, sagt die Vorsitzende. Die Zahl der Hilfsbedürftigen werde zunehmen, die Kosten würden zudem weiter steigen.