Glinde. Mehr Kunden, vor allem Flüchtlinge aus der Ukraine, aber weniger Lebensmittelspenden. Trittauer Tafel verhängt sogar Aufnahmestopp.
Es fehlt vor allem an Brot. Die Lebensmittelspenden an die Glinder Tafel sind weniger geworden, zugleich hat sich die Zahl der Kunden in den vergangenen Wochen um rund 50 Prozent erhöht. Menschen aus der Ukraine, die vor dem Krieg geflüchtet sind, machen von dem Angebot Gebrauch. Die Einrichtung ist an der Belastungsgrenze. „So geht es nicht weiter“, sagt der Vorsitzende Alfons Stanetzek. Er bekommt täglich Anfragen per E-Mail, wo und wann die Ausgabe ist. Für diesen Donnerstag erwartet der Chef weitere acht Personen, die einen Euro zahlen und dafür Tüten mit Naturalien erhalten.
Diese Probleme hat nicht nur die Glinder Tafel. Frank Hildebrandt, Vorsitzender des Landesverbands Schleswig-Holstein/Hamburg, sagt: „Leider gibt es derzeit weniger Warenspenden vom Handel. Der Anstieg der Kundenzahlen hat nicht nur mit den ukrainischen Flüchtlingen zu tun, sondern bereits Ende 2021 eingesetzt.“ Grund seien gestiegene Energie- und Lebenshaltungskosten. Hildebrandt ist auch Chef der Tafel Kiel. Dort gibt es derzeit einen Aufnahmestopp.
Bürgervorsteher Martin Radtke initiiert Aktion mit Edeka-Läden
Ein Mitglied des Glinder Vereins hat nun einen Hilferuf ans Rathaus gesendet. Dort hat man die Sorgen aufgenommen und sich Gedanken gemacht, eine Verbesserung der Situation herbeizuführen. Bürgermeister Rainhard Zug und Bürgervorsteher Martin Radtke (CDU) sind involviert. „Die Tafel ist eine wichtige soziale Einrichtung für unsere Stadt. Wir müssen informieren, bevor wir in die städtische Schatulle greifen“, sagt der Verwaltungschef. Er ruft die Bürger zu Spenden auf. Benötigt werden zum Beispiel Reis- und Nudel-Fertigerichte, Kaffee, Marmelade, Gewürze und Gemüse in Dosen, aber auch Shampoo, Seife und Zahnpasta. „Natürlich hilft es auch, wenn die Tafel neue Mitglieder bekommt, die zwar nicht aktiv dabei sind, aber zumindest finanziell unterstützen.“ Zug geht mit gutem Beispiel voran, entrichtet den Jahresbeitrag von 24 Euro.
Radtke hat indes die beiden Edeka-Läden in der Kommune für seine Idee gewinnen können: Demnach kaufen Kunden Artikel für die Tafel und lassen sie dort für die Abholung zurücklegen. Große Plakate in den Geschäften werden auf die Aktion hinweisen. Ein Lebensmittelhändler ist dem Verein im März weggebrochen. „Wir können jedem momentan nur eine Tüte Brot und ein paar Brötchen geben. Da kommt eine Familie nicht weit mit“, sagt Stanetzek.
Vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine kamen 70 bis 80 Abholer zum Guthaus, wo die Tüten in einem Zelt vor dem Gebäude verteilt werden. Inzwischen sind es 120. Auch Bedürftige aus Oststeinbek werden bedient, weil der Ort über keine Tafel verfügt. „Es waren auch schon Leute aus Billstedt und Reinbek hier, die haben wir aber wieder nach Hause geschickt“, sagt Stanetzek.
Der Verein wurde im Dezember 2007 mit dem Namen „Der Glinder Tisch“ als Tochter der Bergedorfer Tafel gegründet. Nach der Trennung von den Hamburgern änderten die Glinder 2013 ihre Bezeichnung. 105 Mitglieder zählt die Organisation, die Hälfte davon hilft beim Sortieren und Packen der Tüten oder holt die Waren ab. Ein Fahrerteam steuert mit einem Kleinbus Supermärkte an, jeden Mittwoch spenden Händler des Wochenmarkts. Ausgabe ist immer donnerstags von 14 bis 16 Uhr.
Pro Öffnungstag benötigt die Tafel etwas mehr als 20 Kräfte. Die Kunden sind meistens schon eine halbe Stunde vor Beginn da. Es werden Nummern gezogen, Schwangere und Menschen mit Rollator jedoch vorgezogen. Durch den verstärkten Zulauf müssten Altkunden jetzt länger anstehen. Einige seien deswegen auch schon mal ohne Lebensmittel gegangen, sagt Glindes Tafel-Chef, der an Donnerstagen von 8 bis 17 Uhr im Einsatz ist.
Barsbüttel gibt Waren an Jenfelder Tisch ab
Ebenfalls angespannt ist die Lage in Trittau. Die dortige Tafel reagierte jetzt mit einem Aufnahmestopp. „Wir hatten innerhalb von 14 Tagen 80 Neuanmeldungen“, sagt der Vorsitzende Rainer Demuth. Auch immer mehr arme deutsche Rentner und Bezieher von Arbeitslosengeld würden angesichts der Verteuerung von Lebensmitteln anfragen. „Wir haben derzeit 240 Familien, versorgen rund 750 Personen.“ Mehr sei nicht leistbar. Die Fahrer des Vereins bringen zum Beispiel Gehbehinderten, die es nicht mehr unbeschwert zur Ausgabestelle an die Großenseer Straße schaffen, Waren sogar nach Hause.
Besser sieht es in Barsbüttel aus. Karin Eickenrodt ist Mitbegründerin der Tafel, die seit 2007 existiert. Am Montag hat sie 260 Kilogramm geräucherte Wurstwaren bei einer im Ort ansässigen Firma abgeholt. Ein Mangel an Naturalien besteht nicht. „Wir haben gute Kontakte zu den Geschäften sowie Marktbeschickern und das große Glück, immer genug Lebensmittel zu bekommen“, sagt die Ehrenamtlerin. Vor dem Krieg in der Ukraine habe man rund 90 Kunden gehabt, nun seien es 110. „Jeden Mittwoch kommen im Schnitt zwei neue Bedürftige. Das funktioniert gut.“
Eickenrodt berichtet, dass hinter einem Abholer Familien stünden mit bis zu sechs Personen. Die Barsbütteler Tafel kann wegen der großen Spendenbereitschaft sogar Lebensmittel an andere Hilfseinrichtungen weitergeben, ohne dabei einen Tausch zu vollziehen. Nutznießer sind der Jenfelder Tisch im benachbarten Hamburg und eben Glinde.