Bad Oldesloe/Trittau. Drastisch gestiegene Kosten für Futtermittel, Dünger und Diesel belasten die Landwirte im Kreis. Wie es nun weitergehen soll.

Der Krieg in der Ukraine trifft Deutschland nicht nur hinsichtlich deutlich gestiegener Energiepreise. „Der Konflikt hat auch dramatische Auswirkungen auf die hiesige Landwirtschaft“, sagt Friedrich Klose, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Stormarn. Das bekämen schon bald auch die Verbraucher zu spüren. „Steigende Preise für Milch, Molkereiprodukte, Fleisch und viele Grundnahrungsmittel um bis zu 20 Prozent sind unausweichlich, da muss man kein Prophet sein“, sagt Klose.

Die Ukraine gilt als Kornkammer Europas. Die äußerst fruchtbaren Schwarzerde-Böden, die sehr humusreich und kalkhaltig sind und gut einem Viertel der gesamten Ackerflächen in der Europäischen Union entsprechen, haben das Land zu einem der größten und wichtigsten Weizenexporteuren der Welt gemacht. Es liefert indes noch viele andere Agrarrohstoffe wie Gerste, Raps, Soja und Sonnenblumen sowie Protein- und Sonnenblumenextraktionsfutter.

Landwirtschaft: Ohne Dünger weniger Ertrag und Qualität

Aus Russland stammen hingegen nicht nur fossile Brennstoffe wie Öl und Gas. Für den deutschen Agrarsektor bedeutsam sind zudem die Importe von Stickstoff- und Pottaschedünger sowie grundlegender Vorprodukte wie Ammoniak und Harnstoff. Sie werden unter anderem an den drei norddeutschen Standorten des norwegischen Herstellers Yara in Pinneberg, Brunsbüttel und Rostock verarbeitet.

„Bereits jetzt gibt es erste Engpässe, weil russische Lieferungen momentan nicht importiert werden und sich die Produktion durch die Gaspreisexplosion deutlich verteuert hat“, sagt Klose. Das Fehlen von Dünger werde unterdessen deutliche Auswirkungen auf die Ertragsmenge und die Qualität der Ernte haben.

Deutschland zu abhängig von Importen

Der Agrarsektor hat nach Ansicht des Kreisbauernpräsidenten, der in der Gemeinde Trittau selbst einen Milchviehbetrieb mit 290 Tieren führt, in den vergangenen Jahren durch eine Vielzahl von Auflagen und bürokratischen Hemmnissen gelitten. „Das hat Deutschland in eine große Abhängigkeit von Importen gebracht, was vor allem in Krisenzeiten zu erheblichen Problemen führen kann“, so Klose.

Angesichts der aktuellen Situation müsse vieles kritisch hinterfragt werden. Angefangen von der rigiden Düngeverordnung über die Reaktivierung stillgelegter Flächen für die Getreide- und Futtermittelproduktion bis zur Erleichterung von Bauprojekten für modernere Ställe und Biogasanlagen.

Ein Drittel der Gemüseernte nicht „normgerecht“

„Die hiesige Landwirtschaft könnte viel mehr zur Versorgungssicherheit leisten, wenn in vielen Fragen umgesteuert würde und überholte Richtlinien infrage gestellt werden“, sagt Klose. So sei eigentlich nicht mehr hinnehmbar, dass der Handel 30 Prozent der Gemüseernte nicht akzeptiert, weil etwa Gurken und Karotten nicht „normgerecht“ seien.

Erleichtert und gefördert werden müsse der Bau von Biogasanlagen, weil sie einen wertvollen Beitrag zur Grundlastabsicherung leisten könnten. Expertenschätzungen zufolge haben Biogasanlagen das Potenzial, fünf Prozent der russischen Gasexporte zu kompensieren. Im Kreis Stormarn gibt es indes nur ganze sechs solcher Anlagen, obwohl in rund 150 Betrieben täglich Gülle anfällt. „Die bürokratischen Auflagen sind allerdings so hoch, dass nur wenige Landwirte den Bau solcher Anlagen in Angriff nehmen“, weiß Klose. Dessen Anlage täglich Gas für die Strom- und Wärmeversorgung Trittaus liefert.

Rindfleischangebot um 14 Prozent gesunken

Die Brotgetreideproduktion in Deutschland ist fast zum Erliegen gekommen, weil der hierzulande geforderte Proteinanteil von zwölf Prozent nur unter erheblichem Einsatz von stickstoffhaltigem Dünger zu realisieren wäre. So endet ein Großteil der inländischen Produktion als Tierfutter und bedingt letztlich Importe in großem Umfang.

Die eklatanten Preissteigerungen in fast allen agrarwirtschaftlichen Bereichen haben längst zu einer deutlichen Reduzierung der Tierbestände geführt. Gerade erst sind zwei Grönwohlder Betriebe aus der Fleischproduktion ausgestiegen und wollen fortan nur noch Ackerbau betreiben. Bundesweit stehen 30 Prozent aller Ferkelzüchter vor dem dem Aus. „Das Rindfleischangebot ist bereits um 14 Prozent gesunken, was den Preis innerhalb eines Jahres um 30 Prozent in die Höhe getrieben hat. Bei der Milch müssen es zehn Cent pro Liter mehr sein, um die sprunghaft gestiegenen Herstellungskosten zu kompensieren“, erklärt Stormarns Cheflandwirt.

60.000 Mehrkosten allein für den Dieselverbrauch

Klose ist froh, dass er noch im alten Jahr einen Diesel-Kontrakt für die Lieferung von 25.000 Litern für 1,60 Euro abgeschlossen hat. Eine Menge, die gerade fürs erste Halbjahr reicht. Durch den Preisanstieg rechnet er mit Mehrkosten von bis zu 60.000 Euro für 2022. Allein für die wichtige Futtermaisernte kalkuliert er mit einem Plus von 20.000 Euro.

„Wer sich in unserer Branche nicht rechtzeitig gute Kontrakte für Futtermittel, Dünger und Diesel gesichert hat, kann in der Ukraine-Krise schnell mit dem Rücken zur Wand stehen“, sagt Friedrich Klose. Noch dramatischer schätzt er die Lage für die Länder der Dritten Welt ein. Für sie werden Getreide und Dünger absehbar kaum noch zu bezahlen sein. Damit drohten neue, verheerende Hungersnöte und noch mehr Flüchtlingsströme.