Ahrensburg. Geschäftsfrau erscheint erneut nicht vor Gericht. Sie soll Kunden um mehr als 74.000 Euro betrogen haben. 30 Taten angeklagt.
Der Prozess gegen die ehemalige Inhaberin der Reisebüros Langeloh in Ahrensburg und Schwarzenbek ist erneut geplatzt. Wie beim ersten Start der Hauptverhandlung vor zehn Monaten erschien die Angeklagte auch am Donnerstag nicht vor dem Amtsgericht Ahrensburg. Richter Ulf Thiele erließ daraufhin einen Haftbefehl.
Das bedeutet: Die Geschäftsfrau ist nun zur Festnahme ausgeschrieben. „Mildere Methoden scheinen nicht ausreichend, um das Verfahren fortführen zu können“, sagte Thiele, der den Fall Anfang des Jahres von einem Kollegen übernommen hatte.
Gab Angeklagte Kundengeld nicht weiter?
Die Staatsanwaltschaft wirft der 53-Jährigen in ihrer Anklageschrift 30 Taten vor: zehn Fälle der gewerbsmäßigen Untreue, 19-fachen gewerbsmäßigen Computerbetrug und einen Betrug (Aktenzeichen: 779 Js 24792/18). Durch ihre Taten soll sie zwischen Juni 2015 und Februar 2018 mehr als 74.000 Euro unrechtmäßig erlangt haben.
Zum einen soll sie Geld, das Kunden für gebuchte Reisen bezahlt hatten, nicht an den jeweiligen Reiseveranstalter oder die Fluggesellschaft weitergegeben haben. Stattdessen soll sie es zur Begleichung anderer Verbindlichkeiten genutzt haben.
Pflichtverteidigerin will ihr Mandat loswerden
Zudem wirft die Staatsanwaltschaft ihr vor, Konto- und Kreditkartendaten ihrer Kunden verwendet zu haben, um damit Flüge und Hotelübernachtungen anderer Kunden zu bezahlen. In einem Fall soll sie den Reisepreis, den eine Kundin an ihre Firma überwiesen hatte, für sich selbst verwendet haben.
Für viele Prozessbeteiligte und Besucher ist es am Donnerstag ein Déjà-vu-Erlebnis: Als der Richter um 9 Uhr die Verhandlung beginnen will, ist der Platz neben Pflichtverteidigerin Kirsten Ellerbrock-Roß leer. Auch der neue Wahlanwalt Kemal Su hat eigenen Angaben zufolge keine Ahnung, wo sich seine Mandantin befindet. „Ich habe gerade zweimal erfolglos versucht, sie telefonisch zu erreichen“, sagt der Strafverteidiger aus Hamburg.
Angeklagte legte Gericht ein Attest vor
Auch auf anderen Kommunikationswegen habe er sie vor dem Gerichtstermin nicht kontaktieren können. Ellerbrock-Roß erklärt, ihre Mandantin bislang nicht einmal kennengelernt zu haben. Sie bittet um Entpflichtung von ihrem Mandat, der Richter stimmt zu. „Gutes Gelingen allerseits“, wünscht die Anwältin beim Verlassen des Saals.
Doch davon kann in diesem Fall keine Rede sein. Ulf Thiele skizziert den bisherigen Verlauf seit der Aussetzung der Hauptverhandlung im September 2019. Das Gericht habe kurz danach ein Attest erhalten, in dem ein Arzt die Angeklagte wegen eine Angststörung und einer depressiven Erkrankung für verhandlungsunfähig erklärte. Daraufhin seien die neuen Prozesstermine im Oktober 2019 abgesagt und der damals beantragte Haftbefehl der Staatsanwaltschaft abgelehnt worden.
Auf eine Nachfrage zum aktuellen Gesundheitszustand habe das Gericht Ende vergangenen Jahres keine Rückmeldung von der Geschäftsfrau erhalten und schließlich neue Prozesstermine für März und April anberaumt. Kurz vor dem Start schickte Richter Ulf Thiele erneut ein Schreiben an die Angeklagte, wies sie darauf hin, dass eine eventuelle ärztliche Bescheinigung rechtzeitig eingereicht werden müsste.
Ein Mediziner müsste in dem Fall darlegen, inwieweit die Befürchtung bestehe, dass die Frau bei einer Teilnahme am Verfahren „ihr Leben einbüße oder schwerwiegende Gesundheitsschäden erleide“, sagt Thiele. Und weiter: „Trotz meiner deutlichen Worte gab es keine Reaktion.“
Prozess wurde wegen Corona verschoben
Wegen der Corona-Pandemie fiel die Verhandlung letztlich aus, wurde auf den jetzigen Termin verschoben. Er habe aktuell keine Anhaltspunkte für eine Verhandlungsunfähigkeit, sagt Thiele. Ein Anruf während der Verhandlung bei der behandelnden Ärztin ergibt, dass die Angeklagte dort zuletzt im Februar einen Termin hatte.
Der Richter ordnet an, die Ahrensburgerin polizeilich vorführen zu lassen. „Gerichtsverhandlungen sind kein Wohlfühlort“, sagt er. „Irgendwann muss sie sich stellen.“ Doch wie schon im September vergangenen Jahres können die alarmierten Beamten sie an ihrer Wohnanschrift nicht antreffen.
Opfer sind enttäuscht über geplatzten Prozess
Der Staatsanwalt beantragt daraufhin einen Haftbefehl, den das Gericht auch erlässt. „Da wir nicht wissen, ob und wann die Frau ergriffen wird, und eventuell auch noch eine Überprüfung ihrer Verhandlungsfähigkeit ansteht, hebe ich den geplanten Fortsetzungstermin am 6. August auf“, so der Richter weiter.
Eine neue Hauptverhandlung solle nun in Ruhe vorbereitet werden – auch angesichts der 25 Zeugen, die eigentlich gehört werden sollen. Thiele sagt: „Es gibt noch mehr Geschädigte, die bisher nicht geladen worden sind.“ Einige von ihnen sitzen auf den Zuschauerplätzen. Genervt verlassen sie den Gerichtssaal.
Ahrensburger fordert 12.000 Euro vom Reisebüro
„Sind wir so machtlos bei der Rechtsverfolgung?“, fragt Alfried Haase. „Das macht mich fassungslos.“ Der Ahrensburger hatte sich im Sommer 2018 an das Abendblatt gewandt und schwere Betrugsvorwürfe gegen das Reisebüro erhoben. Er erzählte von Flügen, Hotelübernachtungen und Mietwagen für eine Asien-Reise, die er zum Teil doppelt und dreifach bezahlen musste.
Danach meldeten sich mehr als ein Dutzend weiterer Kunden beim Abendblatt, die eigenen Angaben zufolge Ähnliches erlebt hatten. Haase fordert 12.000 Euro zurück. Ihm sei wichtig, dass endlich alles aufgeklärt werde, „damit ich weiß, wie ich mich in Zukunft vor so etwas schützen kann und damit andere Menschen nicht auf solche Machenschaften hereinfallen.“
Eine andere Ahrensburgerin, die namentlich nicht genannt werden möchte, sagt: „Ich wollte der Frau in die Augen sehen und feststellen, ob sie Reue zeigt.“ Sie habe eine Kreuzfahrt machen wollen, dafür eine Anzahlung bei dem Reisebüro geleistet. Doch die Tour kam nie zustande, eine „hohe vierstellige Summe“ habe sie verloren. Sie sei geschockt und enttäuscht, dass sich jemand durch Fernbleiben einem Prozess entziehen könne.