Ahrensburg. Angeklagte soll sich wegen Untreue und Computerbetrugs vor dem Amtsgericht Ahrensburg verantworten. Doch sie erscheint nicht.

Der Prozessauftakt gegen die Chefin der inzwischen geschlossenen Reisebüros Langeloh in Ahrensburg und Schwarzenbek ist geplatzt. Die Angeklagte erschien nicht zur Hauptverhandlung, die vom Gericht alarmierte Polizei konnte sie an ihrer Wohnanschrift und einer zweiten Adresse nicht finden. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin, einen Haftbefehl gegen die Geschäftsfrau zu erlassen.

Zwölf Zeugen sollten beim Prozessauftakt aussagen

Es ist 9.05 Uhr am Donnerstagvormittag, als Richter Said Evora eigentlich die Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht in Ahrensburg eröffnen will. Die Staatsanwaltschaft wirft der Reisebüro-Inhaberin gewerbsmäßige Untreue in zehn Fällen und Computerbetrug in 19 Fällen vor. Auf diese Weise soll sie von Juni 2015 bis Februar 2018 mehr als 71.000 Euro unrechtmäßig erlangt haben. Zwölf Zeugen hat das Gericht für den ersten Prozesstag geladen.

Knapp 20 Besucher haben sich in Saal 1 versammelt, warten gespannt auf die Angeklagte. Minuten verstreichen. Doch der Platz neben Verteidigerin Kirsten Ellerbrock-Roß bleibt frei. Auf die Frage des Richters nach ihrer Mandantin zuckt die Anwältin nur mit den Schultern. „Ich habe keine Vorstellung, was mit ihr ist“, sagt sie später.

Weitere Gerichtstermine im Oktober sind abgesagt

Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft (Az.: 54 Ls 779 Js 24792/18) soll die Reisebüro-Inhaberin Geld, mit dem Kunden gebuchte Reisen bezahlt hatten, nicht an den jeweiligen Reiseveranstalter beziehungsweise die Fluggesellschaft weitergegeben haben. „Stattdessen soll sie das Geld zweckwidrig zur Begleichung anderer Verbindlichkeiten verwendet haben“, sagte Oberstaatsanwältin Ulla Hingst dem Abendblatt. Zudem wirft die Anklagebehörde der Geschäftsfrau vor, Konto- und Kreditkartendaten ihrer Kunden verwendet zu haben, um Flüge, Reisen und Hotelzimmer anderer Kunden zu bezahlen.

Alfried Haase und Anita Koch wollten die Verhandlung als Zuschauer verfolgen, erhofften sich Antworten auf die Frage nach dem Warum.
Alfried Haase und Anita Koch wollten die Verhandlung als Zuschauer verfolgen, erhofften sich Antworten auf die Frage nach dem Warum. © Janina Dietrich

Das Abendblatt hatte erstmals im Sommer 2018 über die Vorwürfe berichtet, nachdem sich der Ahrensburger Alfried Haase an die Redaktion gewandt hatte. Er berichtete von Flügen und Hotelübernachtungen für eine Asienreise, die er bei dem Reisebüro gebucht habe und zum Teil doppelt bezahlen musste. Anschließend meldeten sich mehr als ein Dutzend weiterer Kunden beim Abendblatt, die von ähnlichen Erfahrungen erzählten und teilweise fünfstellige Geldbeträge von der Firma zurückfordern. Einige sind nun als Zeugen geladen, andere wollen den Prozess als Zuschauer verfolgen, um endlich Antworten auf die Frage nach dem Warum zu erhalten. Doch darauf müssen sie weiter warten.

Angeklagte legte beim Gericht ein Attest vor

Beim Amtsgericht sei am Mittwoch ein Attest der Angeklagten eingegangen, sagt Richter Said Evora. Es handele sich um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. „Eine Verhandlungsunfähigkeit kann ich daraus nicht erkennen“, sagt Staatsanwalt Moritz Ihde, nachdem er das Schreiben begutachtet hat. Der Richter hat kurz vor Verhandlungsbeginn noch mit einem Arzt der Praxis telefoniert, die das Attest ausgestellt hat. „Die Angeklagte soll dort behauptet haben, ein Attest für das Arbeitsamt für mindestens zehn Tage zu benötigen, weil sie nicht arbeitsfähig sei.“ Einen Gerichtstermin habe die Frau nicht erwähnt, so der Richter weiter. Aus Reihen der Zuschauer ertönt bei diesen Worten Raunen und Gelächter.

Das Gericht ordnet an, die Angeklagte durch die Polizei vorführen zu lassen. Doch der Versuch bleibt erfolglos. „Die Ahrensburger Polizei weiß derzeit nicht, wo sich die Angeklagte befindet“, sagt der Richter gut eine Stunde später.

Zuschauer hatten sich vom Prozess Antworten erhofft

Staatsanwalt Moritz Ihde beantragt schließlich, einen Haftbefehl nach Paragraf 230, Absatz zwei, der Strafprozessordnung zu erlassen. „Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist“, heißt es dort. Der Staatsanwalt sagt dazu: „Die Angeklagte war ordnungsgemäß geladen und ist unentschuldigt nicht erschienen.“ Das Gericht will in den nächsten Tagen außerhalb der Hauptverhandlung über den Antrag entscheiden.

Der Platz neben Verteidigerin Kirsten Ellerbrock-Roß bleib frei, ihre Mandantin erschien nicht vor Gericht.
Der Platz neben Verteidigerin Kirsten Ellerbrock-Roß bleib frei, ihre Mandantin erschien nicht vor Gericht. © Janina Dietrich

Fest steht bereits, dass die geplanten Fortsetzungstermine am 15. und 29. Oktober ausfallen werden. Das Gericht hat sie vorsorglich abgesagt und die Hauptverhandlung auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. „Ich kann den eingeplanten zwölf bis 15 Zeugen nicht zumuten, dass sie extra herkommen, und dann findet möglicherweise gar keine Verhandlung statt, weil die Angeklagte wieder nicht da ist“, sagt Evora. Die meisten Zeugen kämen zwar aus dem Umland, einer reise jedoch extra aus Wolfsburg an.

Sollte das Gericht dem Antrag auf Haftbefehl folgen, würde die Reisebüro-Chefin laut Staatsanwaltschaft zur Fahndung und Festnahme ausgeschrieben werden. „Dann ist die Frage, wie lange es dauert, bis sie gefasst wird“, sagt Ihde. Anschließend müsste das Amtsgericht neue Verhandlungstermine festsetzen, die Zeugen wieder vorladen.

Ein Ahrensburger fordert rund 12.000 Euro zurück

Viele Besucher verlassen enttäuscht das Gericht. Sie hatten sich von dem Prozess Antworten versprochen, so auch Anita Koch. Die Ergotherapeutin aus Fuhlenhagen (Kreis Herzogtum Lauenburg) hat seit Jahresbeginn ein Flugverbot bei der Airline Emirates. Der Grund ist eine ausstehende Forderung von rund 3800 Euro für einen Flug nach Australien, den sie über das Reisebüro Langeloh gebucht und bezahlt hatte. Auch sie hat Anzeige bei der Polizei gegen die Chefin erstattet, aber keine Vorladung erhalten. Koch hat sich extra einen Urlaubstag genommen, um die Gerichtsverhandlung verfolgen zu können. Sie gibt sich resigniert. „Eigentlich ist es keine Überraschung, weil sich die Frau bisher immer vor der Verantwortung gedrückt hat“, sagt sie. „Als wir sie damals wegen Problemen bei den Rückflügen kontaktieren wollten, hat sie uns am Telefon geblockt.“

Alfried Haase hat ähnliche Erfahrungen gemacht, trotzdem ist er enttäuscht. „Ich habe keine Reue erwartet, aber wenigstens, dass sie sich der Justiz stellt“, sagt der Ahrensburger, der rund 12.000 Euro von dem Geschäft zurückfordert. „Stattdessen sucht die Frau immer wieder einen Fluchtweg.“