Grönwohld. Axel Milberg tritt in den neuen Folgen der Kultserie auf. Im Abendblatt-Interview spricht er auch über das Dorfleben.
Es ist mittlerweile Tradition, dass der NDR zu Weihnachten neue Folgen der Kultserie „Neues aus Büttenwarder“ ausstrahlt. So auch in diesem Jahr. Und das Team um die Schauspieler Jan Fedder („Kurt Brakelmann“) und Peter Heinrich Brix („Adsche Tönnsen“) bekommt prominente Verstärkung: Axel Milberg, der unter anderem als „Tatort“-Kommissar Borowski bekannt ist, wird in drei Folgen der nächsten Staffel zu sehen sein, die am 25. Dezember startet (siehe unten). Er spielt den Landwirt Hajo Narkmeyer, der nach 35 Jahren nach Büttenwarder zurückkehrt. Gut möglich ist, dass Milberg auch 2019 wieder dabei ist. Im Interview verrät der Schauspieler unter anderem, wie er die Dreharbeiten in und um Grönwohld erlebt hat.
Sind Sie schon in den Genuss gekommen, die Büttenwarder Spezialität „Lütt un Lütt“ zu probieren?
Axel Milberg: Ich kenne das glaube ich von früher. Kleines Bier und kleiner Schnaps?
Ja, genau. Gab’s das schon bei den Dreharbeiten?
Ich hab’ davon gehört. Meine Figur Hajo Narkmeyer redet zwar mal vom Bier, aber Lütt un Lütt hebbt wie noch nicht getrunken. Spreizt man dabei nicht so die Finger, dass ein Getränk in das andere läuft? Wobei die Dorfbewohner ohnehin sehr verantwortungsvoll mit Alkohol umgehen. Bisher war in keiner Folge irgendjemand betrunken.
Wie ist denn Ihr Kontakt zu Büttenwarder entstanden?
Wir haben uns zunächst aus der Ferne zugewinkt ... Meine Agentin fragte mich dann, wie ich denn Büttenwarder fände. Sie selbst ist nämlich ein Riesenfan. Dann habe ich sehr schnell mit Autor Norbert Eberlein telefoniert, der für Jan Fedder und mich schon früher mal einen Krimi geschrieben hatte, wo wir zwei Halbbrüder in Husum waren. Ich wollte auf jeden Fall jemanden spielen, der in Büttenwarder zu Hause ist. So ist das immer konkreter geworden. Schließlich steige ich in Folge 80 vom Trecker und kehre in mein Heimatdorf Büttenwarder zurück, mit Frau und Kindern.
Um sofort die Seite zu wechseln, denn der „Tatort“-Kommissar wird beinahe zum Golddieb.
Naja, ich bin ja doch von Beruf Schauspieler und nicht Kommissar. Alles was die Sache auffächert und abwechslungsreich gestaltet, ist die Herausforderung und der Spaß.
Ist es eine besondere Herausforderung, in eine Serie einzusteigen, die seit 1997 erfolgreich läuft?
Ich dachte auch, dass das ja wie eine Familie ist, in die ich eindringe. Die kennen sich alle seit 20 Jahren, wie sind die denn so? Aber zwei Dinge haben geholfen. Erstens das Buch von Norbert Eberlein. Ich wollte wie gesagt nicht so ein Geschäftsmann mit der Aktentasche sein und einem Koffer voller Baupläne, der aus der Stadt kommt. Sondern ein einfacher Mensch, einer von denen. Das war mir ganz wichtig. Zweitens das Ensemble, wir haben uns von Anfang an sehr gut verstanden. Ich hatte gehört, dass Peter Heinrich Brix gefragt haben soll, wie denn der Axel Milberg so sei. Ob ich eine so Art Geweih als Platzhirsch bei der Arbeit trage. Das war uns beiden aber nicht wichtig, sondern dass wir miteinander spielen. Wenn man sich das auch nach Jahrzehnten erhalten hat, ist alles gut.
Die Szenen mit Peter Heinrich Brix und Ihnen wirken, als ob Sie viel Spaß hatten.
Ja, absolut.
Sprechen Sie eigentlich Platt?
Ich habe tatsächlich mich selbst auch auf Plattdeutsch synchronisiert. Davor hatte ich es für möglich gehalten, dass man mich wegschickt und sagt: Tu das uns und dir nicht an! Ich habe nie wirklich Plattdeutsch gesprochen, es aber im Ohr. Ich war vielleicht vier oder fünf, als ich meinen ersten auswendig gelernten Text zu einem runden Geburtstag meiner Großmutter vortrug, die von meinem Vater ein Radio geschenkt bekommen hatte. Dieses Gedicht war auf Plattdeutsch. Kindheitserinnerungen habe ich, auch wenn meine Familie Hochdeutsch sprach.
Sie werden häufig als liebenswürdiger, komischer Kauz beschrieben. Das ist doch eigentlich eine Idealbesetzung für Büttenwarder mit den einzigartigen Bewohnern.
Und nun die Frage ...
Stimmt das?
Was ist ein Kauz? Für mich ist das jemand, der nicht darüber nachdenkt, wie er wirkt. Dem das auch egal ist. Der seine Eigenheiten, die ja jeder Mensch hat, nicht verliert, nicht daran denkt: Wie möchte ich, dass die anderen mich sehen. Und das macht das Kauzige für mich so interessant. Wir sollten alle Käuze sein, oder? Das Unterdrücken des Einzigartigen macht Menschen eher gefährlich. Es zahlt sich langfristig aus, wenn wir unsere Kinder als Individuen wahrnehmen und fördern. Das beginnt schon in den ersten Lebensmonaten, wo sie noch gar nicht sprechen können und im mimischen Gegenüber ihrer Eltern Akzeptanz erfahren. Dass sie, wenn sie schreien, nicht liegen gelassen, ausgeschimpft oder gar misshandelt werden, sondern dass diese kleinen Käuze mit ihren Schnäbeln liebevoll ernstgenommen werden. Wir sollten uns nicht immer damit beschäftigen, wie wir auf andere wirken.
Ist das nicht schwierig in der heutigen Zeit, in der viele nur auf Hitparaden, Rankings und Marketingstrategien schauen?
Das mag ja funktionieren zu einem gewissen Teil. Manche sind sogar sehr gut in der Gesichtslosigkeit und halten das auch aus. Mir geht’s besser, wenn ich nicht ständig anderen gefallen muss.
Können Sie sich privat vorstellen, in einem Dorf wie Büttenwarder zu leben?
Nein. Das ist mir doch zu überschaubar. Für Tage und ein paar Wochen herrlich. Aber ich bin auch unruhig, und gewisse Wiederholungen in meinem Leben machen mich nervös.
Haben Sie sich abseits der Dreharbeiten in Grönwohld und Umgebung umgeschaut?
Ich bin sehr viel herumgelaufen, habe die Landschaft und die Häuser beobachtet. Am Dorfrand habe ich gesehen, wie ein Kälbchen bei einer Milchkuh trank. Da dachte ich, irgendwas stimmt mit dem Bild nicht. Ich bin stehen geblieben und habe es sogar fotografiert. Schnell wurde mir klar, warum ich so staunte: Wir sehen sonst nur Milchkühe und die von den Müttern getrennten Kinder. Ich komme ein bisschen aus einer landwirtschaftlichen Familie und weiß, dass die Kühe zwei Wochen brüllen, wenn sie von ihren Kälbern getrennt werden. Auch das Kalb brüllt mindestens zwei Wochen und sehnt sich nach der Mutter. Ganz gemein ist es, wenn sie auf der Weide bleiben und ihnen eine Manschette aus Kunststoff um den Kopf geschnallt wird, damit sie nicht trinken können. Ich hab in dem Moment gedacht, wie grausam vieles ist, was wir Menschen machen. Ich will nicht zu politisch oder ideologisch werden, aber das gehört für mich zu Büttenwarder dazu: die Sehnsucht nach einer überschaubaren Welt. Die Menschen dort haben auch ihre Schwächen und Fehler, aber es findet sich alles zusammen. Dieses Bild mit dem Kälbchen, das am Euter trinkt, hat ein bisschen damit zu tun – mit den Geschichten, die wir erzählen.
Sind Ihnen noch andere Orte in Stormarn bekannt?
Beruflich schon. Da wir den Kiel-„Tatort“ oft von Hamburg aus bespielen, sind wir häufig im Umland in der Nähe von Ahrensburg und Reinbek.
Sie sind in Kiel aufgewachsen. leben jetzt in München. Gibt es drei Dinge, die Ihnen an Schleswig-Holstein besonders gefallen?
Zwei ... (lacht) Ich kenne dieses Nummerieren so gar nicht. Da sind natürlich die Erinnerungen an Menschen, Orte, Plätze, Gerüche. Wenn man an die Kindheit oder Jugend zurückdenkt, gibt es viele Orte mit der Sehnsucht, dort vergeht die Zeit nicht oder langsamer. Das ist aber eine Illusion, ganz klar. Ich mag Schiffe und Geräusche wie das Schlagen vom Hauptfall gegen den Mast auf Segelbooten. Das ist alles vertraut. Aber ich bin auch total begeistert, dass ich immer wieder ganz viel Neues entdecke. Grundsätzlich bin ich gern in der Natur, auch in Bayern an den Seen und im Gebirge.
Passend zu den „Büttenwarder“-Weihnachtsfolgen: Gibt es bei Ihnen zu Hause Rituale zum Fest?
Den Weihnachtsbaum. Wir essen aber kein Fleisch mehr, sondern vegetarisch. Ich versuche meiner Familie zu sagen, dass es ja auch Biogänse gibt, weil ich die mit Rotkohl und Maronen liebe. Ich habe die Hoffnung, dass das Essen am nächsten Tag bei meinen Schwiegereltern auf dem Land auf dem Tisch steht.
Alle Sendetermine im Überblick:
Im Dezember 1997 lief die Folge „Ufos über Büttenwarder“, die als Einzelstück gedacht war. Weil sie allen Beteiligten viel Spaß machte, entstand daraus die Serie „Neues aus Büttenwarder“.
Jetzt zeigt der NDR die neuen Folgen 80 bis 85 sowie mehrere Wiederholungen.
24. Dezember: 16.15 „Weihnachten“, 21.45 „Topptach“, 22.15 „Groggy“; 22.40 „Rosenkrieg“;
25. Dezember:15.35 „Knopfhase“; 16.00 „Der alte Sack“, 21.45 „Black Bronco“, 22.10 „Zwei Steinadler“ (neu); 26. Dezember:15.50 „Sinn“, 16.15 „Oh!“;
27. Dezember:22.55 „Schräger Vogel“ (neu), 23.25 „Unter Dampf“;
28. Dezember:20.15 „Schnupfi“ (neu), 20.45 Uhr „Laborette“, 21.15 „WeWeWe“ (neu);
31. Dezember:14.45 „Guten Appetit“, 13.45 „Survival“, 17.25 „Verdammter Hund“ (neu), 18.40 „Silvester“, 19.10 „Rote Laterne“ (neu).