Grönwohld. Seit 88 Jahren ist ein Einkaufsmarkt beliebter Mittelpunkt des „Büttenwarder“-Dorfs. Bernd Evers führt ihn in dritter Generation.
„Ist mein Mann etwa immer noch bei Dir?“ Bernd Evers hat häufig ungeduldige Ehefrauen am Telefon. Und oft muss er sie noch eine Weile vertrösten. In sein Geschäft, den einzigen Supermarkt in der 1300-Seelen-Gemeinde Grönwohld, kommen viele Kunden nämlich nicht nur zum Einkaufen, sondern auch zum Klönen. „Wer wissen will, was in der Welt und in Grönwohld passiert, erfährt es hier“, sagt Evers.
Der 54-Jährige lacht. Das macht er meistens. Und wenn er einmal nicht lacht, lächelt er. Dem Einzelhändler ist Kundenfreundlichkeit in die Wiege gelegt. Sein Großvater Robert eröffnete 1928 in der Grönwohlder Poststraße 11, schräg gegenüber dem heutigen Standort, ein Geschäft. Auf 100 Quadratmetern verkauften er und seine Frau Meta Textilien. Während des Krieges wurde das Kaufhaus geschlossen, doch schon 1946 öffnete Robert Evers die Türen für seine Kundschaft wieder. Nach der Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft machte Sohn Arnold bei seinen Eltern eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann und ließ sich in Hamburg zusätzlich zum Bettenfachmann ausbilden.
Manche Kunden kommen extra aus anderen Dörfern
1955 stieg Arnold Evers mit seiner Frau Hella in die Geschäftsführung mit ein. „Das war auch der Zeitpunkt, als die Lebensmittel dazukamen“, erzählt Bernd Evers. Milch, Salz, Mehl oder eingelegte Gurken wurden lose verkauft. Aus dem reinen Textilhandel war ein Gemischtwarenladen geworden.
Anno 1960 zogen Evers’ auf die andere Straßenseite, Angebot und Ladengröße wuchsen stetig an. Heute ist Edeka-Evers mehr als sechs Mal so groß wie zu Gründungszeiten. Allein die Frischetheke ist neun Meter lang. Darin liegt unter anderem auch ein Bio-Käse namens „Wilder Bernd“. Die Namensgleichheit ist reiner Zufall. „Trotzdem haben mich meine Angestellten ständig damit aufgezogen, als ich ihn ins Sortiment aufgenommen habe“, sagt Bernd Evers. Wieder lacht er. Die entspannte und familiäre Atmosphäre in seinem Laden ist für viele Kunden Hauptgrund, hierher zu kommen. Heike und Dieter Kuklinski könnten zwar auch in ihrem Heimatort Sandesneben einkaufen. „Aber hier ist es viel persönlicher“, sagt Heike Kuklinski. „In den riesigen Märkten ist man doch nur eine Nummer. Hier werden wir mit Namen begrüßt und mit einem Lächeln verabschiedet.“ Auch Kundin Daniela Daberkow schätzt die aufmerksame Bedienung. Und die Flexibilität. „Ich hatte mir mal Kichererbsen gewünscht – seitdem hat Bernd sie im Angebot“, sagt die dreifache Mutter. Wie fast die Hälfte der Kundschaft duzt sie den Ladenbesitzer. Und bezeichnet ihn als „die Seele des Dorfes“.
Es gibt auch eine Postagentur und eine Lotto-Annahmestelle
Unterschreiben würden das sicherlich auch die Kunden, denen Bernd Evers die Einkäufe nach Hause liefert. „Das hat mein Vater schon gemacht. Der ist in den 50-er Jahren auf die Höfe gefahren und hat den Bauern Blaumänner und Gummistiefel gebracht“, erzählt er. Von ihm habe er gelernt, was guter Service sei.
Arnold Evers ist vor sechs Jahren gestorben. Er hatte noch lange Einfluss auf die Geschäfte, auch, als Sohn Bernd im Jahr 2000 die alleinige Geschäftsführung übernahm. Doch Familienbetrieb bleibt eben Familienbetrieb. Und obwohl der sich über Jahrzehnte hinweg entwickelt und modernisiert hat, weht nach wie vor ein Hauch von Tante-Emma-Laden-Atmosphäre durch die Räume. Besonders in dem Teil des Ladens, den Margret Evers betreut. Die 60-Jährige ist Bernd Evers’ „große Schwester“ und zuständig für den sogenannten Non-Food-Bereich. Neben der Postagentur und einer Lotto-Annahmestelle gibt es bei ihr ein großes Angebot an Kurzwaren, Deko-Artikeln und Arbeitskleidung für Maurer, Zimmerleute und Waldarbeiter. „Viele Kunden lassen hier ihre Kissen maßanfertigen und ihre Federbetten reinigen“, sagt Margret Evers. Auch das ist möglich in dem Grönwohlder Superwundermarkt. „Wir sind die letzten Mohikaner“, sagte schon Bernd Evers’ Vater Arnold.
Sorge bereitet Bernd Evers die Suche eines Nachfolgers
In Zeiten, in denen ein Dorfladen nach dem anderen schließen muss, weil die Kundschaft zu Discountern abwandert, ist dieser Satz heute wahrer denn je. Im Schnitt kann bundesweit nur noch jeder dritte Dorfbewohner einen Supermarkt zu Fuß erreichen. „Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir unseren Laden unterstützen“, sagt die Grönwohlderin Ingrid Lewrenz. Die 64-Jährige ist zwar noch fit und mobil. „Wenn das aber mal nicht mehr so sein sollte, sind wir mit unserem Edeka hier bestens versorgt.“ Vorausgesetzt, Bernd Evers bleibt. „Gar keine Frage“, sagt der. „Ich mach das noch ein paar Jahre.“
Doch irgendwann will auch er sich zur verdienten Ruhe setzen. Das macht ihm heute schon Bauchschmerzen. „Weder meine Schwester noch ich haben Kinder“, sagt er. „Wir müssen also jemanden finden, der von außen kommt und trotzdem mit ganzem Herzblut bei der Sache ist.“ Er wünscht sich, dass das Lebenswerk seines Großvaters und Vaters bestehen bleibt. Und dass auch künftige Generationen in der Grönwohlder Poststraße 10 mit Namen begrüßt, mit Liebe bedient und mit einem Lächeln verabschiedet werden.