Bargteheide. Erneut Eskalation. Rettungssanitäter mit Flaschen beworfen. 64 Polizisten im Einsatz. 117 Platzverweise ausgesprochen.
Die Polizei hat in Bargteheide eine Versammlung von mehr als 100 Jugendlichen aufgelöst, nachdem es zu Flaschenwürfen und Angriffen auf Rettungssanitäter gekommen war. Die Ermittler haben den Bereich als „gefährlichen Ort“ deklariert, weil es dort immer wieder zu Straftaten wie Raub, Einbruchdiebstahl, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen kam. Hinzu kamen Anzeigen wegen Drogenkonsum. Noch in diesem Jahr will die Stadt ein Maßnahmenpaket vorstellen, wie dem wachsenden Problem durch alkoholisierte und feiernde Jugendliche begegnet werden soll.
Bereits am Donnerstag erhielt die Polizei Hinweise auf eine Geburtstagsfeier im Bereich eines Supermarktes im Stadtkern. Mehrere Hundert Jugendliche hatten sich laut Polizeisprecherin Rena Bretsch über Whatsapp-Gruppen für Freitag zu einer Party unter freiem Himmel verabredet. Einige Gäste rechneten laut Chatverlauf offenbar damit, dass die Polizei die Party auflösen könnte. Bretsch: „Durch Randale sollte im Zweifelsfall gemeinsam gegen die Kontrollen der Polizei vorgegangen werden.“ Die Idee stammte nach den bisherigen Ermittlungen nicht vom Einladenden zur Feier.
Die Beamten in Bargteheide forderten Verstärkung aus dem Bereich der Polizeidirektion Ratzeburg (Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg) sowie einen Zug der Einsatzhundertschaft aus Eutin an. Doch zunächst blieb die Lage am Freitagabend ruhig. „Es hielten sich vereinzelt Gruppen im Stadtgebiet auf“, sagt Rena Bretsch. Gegen 23 Uhr rückten die meisten der 64 eingesetzten Beamten ab.
Stadt will ein umfassendes Konzept bald präsentieren
Gegen 23.30 Uhr traf eine örtliche Streife dann auf eine Gruppe von mehr als 100 zumeist Jugendlichen im Bereich der Straße Am Volkspark. Vorsichtshalber wurden die Polizisten zurück nach Bargteheide beordert. Tatsächlich eskalierte die Situation wenig später. Nach Polizeiangaben kam es zu Ruhestörungen, außerdem wurden Rettungskräfte mit Flaschen beworfen. „Die Versorgung einer offensichtlich nicht ansprechbaren Person musste daraufhin abgebrochen werden“, sagt Rena Bretsch. Die Rettungskräfte wurden durch die Angriffe nicht nachhaltig verletzt, konnten die Behandlung erst unter Polizeischutz fortsetzen.
Die Ordnungskräfte stellten die Personalien von 117 Menschen fest und erteilten allen Platzverweise. Drei alkoholisierte Jugendliche wurden an ihre Erziehungsberechtigten übergeben. Die Ermittlungen zum genauen Tathergang sind noch nicht beendet.
Nach dem Vorfall hat die Polizei Bargteheide angekündigt, auch weiterhin gegen Fehlverhalten aus alkoholisierten Jugendgruppen heraus vorzugehen. Im Stadtgebiet kommt es immer wieder zu Zwischenfällen mit alkoholisierte oder unter Drogeneinfluss stehenden Jugendlichen. Deshalb gilt das Schulzentrum seit Oktober 2017 als „gefährlicher Ort“. Das „Gefahrengebiet“ ermöglicht Einsatzkräften verdachtsunabhängige Personenkontrollen.
Bürgermeisterin unterstützt Vorgehen der Polizei
Dabei mussten immer wieder Strafanzeigen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und Fahren unter Drogeneinfluss gefertigt werden. Auch sind mehrfach alkoholisierte Jugendliche angetroffen und in die Obhut ihrer Eltern übergeben worden.
Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht unterstützt das konsequente Vorgehen der Polizei, will aber auch auf einen gesellschaftlichen Dialog setzen: „Auf Dauer ist dem Ganzen nicht allein durch Polizeipräsenz und Repression zu begegnen“, sagt sie.
Seit mehr als einem Jahr beschäftigt sich auch ein Arbeitskreis mit der Jugendkriminalität in der Stadt. Bis zum vierten Quartal dieses Jahres will die Stadtverwaltung die Ergebnisse vorstellen. Inhaltlich will sich die Bürgermeisterin zu dem Maßnahmenpaket noch nicht äußern. „Es ist ein gesellschaftliches Problem, das gemeinsam angegangen werden muss, mit der Polizei, beteiligten Jugendlichen und den Eltern“, sagt Kruse-Gobrecht.
Zwei Streetworker teilen sich eine halbe Stelle für Stormarn
Auch den Kreis Stormarn sieht sie in der Pflicht, mehr in die Prävention und Jugendarbeit zu investieren. „Wir sind bislang auf uns allein gestellt“, sagt die Bargteheider Verwaltungschefin. In den Maßnahmenpaket werde es auch um die Frage gehen, wie sich der Kreis künftig aufstellt.
Derzeit hält Stormarn nur eine halbe Stelle für die aufsuchende Jugendarbeit vor, die sich zwei Streetworker teilen müssen. Einer von ihnen ist Fabian Josten von der Tohus gGmbh Stormarn. „Die Situation in Bargteheide ist komplex, und es gibt keine einfachen Lösungen“, sagt er.
Der Sozialarbeiter steht mit vielen Jugendlichen in Kontakt und wird in den nächsten Tagen mit Beteiligten der jüngsten Feier sprechen. „Wie es zu dieser Eskalation gekommen ist, kann ich jetzt noch nicht sagen.“ Dass das Schulzentrum von der Polizei als gefährlicher Ort deklariert wurde, hält Fabian Josten für problematisch: „Jugendliche brauchen Räume, sich zu treffen. Durch die verdachtsunabhängigen Kontrollen fühlen sich viele von dort vertrieben. Sie suchen sich dann andere Plätze.“ Auch er hofft, dass der Kreis künftig einen stärkeren Fokus auf die Jugendarbeit vor Ort legt.