Ahrensburg/Reinbek. Probleme gibt es in Ahrensburg, Reinbek, Bad Oldesloe, Bargteheide und Reinfeld. Der renommierte Soziologe Dirk Baier gibt Tipps.
Splitter von Glasflaschen auf dem Oldesloer Kunstrasenplatz, ein zerstörter Hallenboden an einer Reinfelder Grundschule, Ärger am Einkaufszentrum in Ahrensburg, Trinkgelage am Bargteheider Schulzentrum, Müll im Reinbeker Schlosspark: Der Kreis Stormarn hat ein Vandalismus-Problem. Über Lösungen hat das Hamburger Abendblatt mit dem renommierten Soziologen Dirk Baier gesprochen. Der sagt: Es muss mehr in die Jugendarbeit investiert werden.
Während der benachbarte Kreis Herzogtum Lauenburg sechs Stellen unterhält, müssen Straßensozialarbeiter in Stormarn mit gerade einmal 20 Stunden pro Woche auskommen. Und das, obwohl zurzeit vermehrt auf öffentlichen Plätzen in Stormarner Städten und Gemeinden offenbar wird, was vernachlässigte Jugendliche anrichten können.
Unbekannte zerstören neuen Hallenboden mit Eisenstangen
Jörg Lembke ist wütend. „Es ist mittlerweile offenbar gesellschaftlicher Konsens, sich nicht mehr an Regeln zu halten“, sagte der Oldesloer Bürgermeister, nachdem zum wiederholten Male in die Skateland-Baustelle am Exer eingebrochen wurde. Nicht der einzige Hotspot: Nur 50 Meter weiter zeugen noch heute Brandlöcher von Party-Nächten am Stadtfest-Wochenende und beim Vogelschießen. Mehrfach musste der Platz jetzt schon für Tausende Euro von Glasscherben befreit werden.
Wie in Bad Oldesloe geht es mittlerweile in vielen Kommunen zu. In Reinfeld zerstörten unbekannte Täter kürzlich einen nagelneuen Turnhallenboden mit Eisenstangen. „Diese Form von Vandalismus ist uns völlig neu“, sagte Bauamtsleiter Stephan Kruse nach einem bis dato „noch nie dagewesenen Akt der Zerstörung“. Das ist ein extremer Fall. Doch Vandalismus ist auch anderenorts wie in Reinfeld zum bitteren Alltag geworden: „Graffiti und Hakenkreuz-Schmierereien hatten wir hier schon häufig an der Schule“, berichtet Stephan Kruse.
Auch in Bargteheide wachsen die Probleme mit Vandalismus und Jugendgewalt. Jüngst erklärte die Polizei das Schulzentrum sogar zum Gefahrengebiet. Seitdem dürfen Personen dort verdachtsunabhängig kontrolliert werden. In den vergangenen Monaten kam es dort immer wieder zu Zwischenfällen.
In Reinbek hinterlassen Rowdys im Schlosspark eine Müllhalde
Eine ähnliche Situation gab es im vergangenen Jahr in Reinbek: Dort vermüllten Rowdys regelmäßig den Schlosspark. Die Stadt reagierte und erhöhte das Budget für einen Sicherheitsdienst. Statt Vandalismus gibt es dort allerdings jetzt ein Drogenproblem. Im Mai hatte die Polizei dort 30 Platzverweise ausgesprochen. Unschöne Szenen gab es auch im und vor dem Einkaufszentrum City Center Ahrensburg (CCA). Mal wurde randaliert, mal gepöbelt. Und in Läden regelmäßig gestohlen. Anwohner beschwerten sich wieder und wieder über alkoholisierte und pöbelnde Jugendliche. Inzwischen sorgt dort ein Sicherheitsdienst erfolgreich für Ordnung.
Warum Jugendliche zu Randalierern werden, hat laut dem Soziologen Dirk Baier verschiedene Gründe. Der Wissenschaftler promovierte in Bremen, war dann wissenschaftlicher Mitarbeiter und später stellvertretender Direktor am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Jetzt leitet er das Institut für Delinquenz und Kriminalprävention der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und erforscht Jugendkriminalität. „Jugendliche treffen sich in Gruppen, trinken Alkohol und machen sich wenig Gedanken darum, dass sie nach ihren Feierlichkeiten Müll hinterlassen, der sogar noch ein Risiko für die Sportlerinnen und Sportler darstellen kann“, sagt Baier, der für das Hamburger Abendblatt die verschiedenen Fälle von Vandalismus analysiert hat.
Im Oldesloer und Bargteheider Beispiel sieht er gewisse Parallelen. Die Jugendlichen erhalten mit ihrem Verhalten Aufmerksamkeit, vor allem in Bargteheide. Die Polizeikontrollen könnten laut dem Kriminologen auch ein Anreiz sein, sich dort zu treffen: „Das kann die Jugendlichen zusätzlich motivieren, Grenzen zu überschreiten. Es scheint in Bargteheide zu einer negativen Entwicklungsspirale gekommen zu sein.“
Vandalismus auf mehreren Ebenen begegnen
Im Reinfelder Beispiel sieht Baier hingegen eine mutwillige und geplante Zerstörung: „Möglicherweise handelt es sich um Personen, die selbst die Schule besucht haben, hier negative Erfahrungen hatten und ihren Frust daraufhin gezielt am Eigentum der Bildungseinrichtung auslebten.“
Um jugendlichen Vandalismus zu reduzieren, braucht es laut Dirk Baier verschiedene Maßnahmen auf lokaler Ebene: „Wichtig ist, dass den Jugendlichen Orte angeboten werden, an denen sie sich treffen können.“ Wenn Jugendliche Plätze gewählt haben, die gänzlich ungeeignet sind, dann werde sich das Problem nur mit einer engmaschigen Kontrolle lösen lassen.
Die Arbeit mit Jugendlichen braucht viel Zeit
Dies bedeutet, dass ein Sicherheitsdienst, die Polizei oder Erwachsene aus dem Ort die Jugendlichen aufsuchen und darum bitten, den Platz zu verlassen – bestenfalls verbunden mit einem Hinweis, wo sie sich stattdessen treffen können. „Für die Jugendlichen sind solche Aufeinandertreffen unangenehm, und sie werden versuchen, sie künftig zu vermeiden, um ungestört unter sich bleiben zu können“, sagt Baier.
Der Soziologe empfiehlt Städten und Gemeinden, mehr in aufsuchende Jugendarbeit zu investieren. Auch wenn dadurch akute Probleme nicht umgehend gelöst werden können. Baier sagt: „Die Arbeit mit Jugendlichen braucht Zeit. Es muss Vertrauen geschaffen werden. Und die Jugendlichen müssen die Jugendarbeiter und –arbeiterinnen zu akzeptieren lernen.“
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