Bargteheide. Polizei geht gegen Jugendkriminalität rund um Schulzentrum vor. Sozialarbeiter haben nur 20 Stunden pro Woche – zu wenig, finden sie.

„Eine Gesellschaft muss Jugendkultur aushalten können“, sagt Fabian Josten, Straßensozialarbeiter der tohus gGmbH in Bargteheide. „Jedoch nicht Sachbeschädigung und Gewalt.“ Erst vor knapp zwei Wochen wurde der Bereich rund um das Schulzentrum erneut Schauplatz eines Großeinsatzes von Polizei, Feuerwehr und Ordnungsamt – wie schon mehrfach in den vergangenen Monaten. 13 Polizisten waren vor Ort, kontrollierten 50 Jugendliche und sprachen Platzverweise wegen unerlaubten Alkoholkonsums, Drogen- und Waffenbesitzes aus.

Die anhaltende Kriminalität in Bargteheide ruft nun auch die Streetworker auf den Plan. Ebenso wie die Ordnungshüter wollen auch sie im Stadtpark und auf dem gesamten Gelände verstärkt Präsenz zeigen – so lange es ihr begrenztes Stundenbudget zulässt. Denn im Unterschied zum Kreis Herzogtum Lauenburg mit sechs Stellen, müssen die Straßensozialarbeiter in Stormarn insgesamt mit 20 Stunden pro Woche auskommen.

„Das Schulzentrum als Brennpunkt der Kriminalität und die Brandmarkung als ,gefährlicher Ort’ sind für die Stadt nicht positiv“, sagt Mehmet Dalkilinc, Vorsitzender der SPD Bargteheide. Als „gefährlichen Ort“ hatte die Polizei den Bereich eingestuft, um eine Rechtsgrundlage für anlasslose Kontrollen zu haben. Bereits bei der Kommunalwahl forderte die SPD ein Gesamtpaket zum Thema Sicherheit ein. Neben einer Notrufsäule und einem Beleuchtungskonzept für den Tunnel am Bahnhof gebe es Gespräche über eine dauerhafte Videoüberwachung des Schulzentrums oder auch die Beauftragung einer Sicherheitsfirma. Auch die CDU ist alarmiert, möchte über einen Kriminalpräventiven Rat in die Pläne der Verwaltung einbezogen werden. „Wir haben in den vergangenen Jahren die Arbeit der Streetworker etabliert“, sagt Mathias Steinbuck, Fraktionsvorsitzender der CDU. „Dies ist aber nicht ausreichend, um der Problematik zu begegnen.“

Drei Mitarbeiter teilen sich eine halbe Stelle

Dies bestätigt auch Fabian Josten, Straßensozialarbeiter der tohus gGmbH. Zwar wollten die Streetworker auf die neue Situation am Schulzentrum angemessen reagieren, doch dafür sei die Zeit zu knapp bemessen. „Die Qualität der Zusammenkünfte im Schulzentrum hat sich geändert“, sagt Josten. „So extrem wie an Himmelfahrt kennen wir das erst seit kurzer Zeit.“

Drei Mitarbeiter der tohus gGmbH teilen sich zurzeit eine halbe Stelle – und versorgen damit die ganze Region. Denn während Bargteheide 20 Stunden im Bereich Straßensozialarbeit eingerichtet hat, sehen Städte wie Ahrensburg und Bad Oldesloe keinen Handlungsbedarf. 2014 lief ein einjähriger Versuch für eine vergleichbare Position in der Kreisstadt ersatzlos aus. „Die Situation wurde in einem Abschlussbericht positiv bewertet“, sagt Jörn Brücken von der tohus gGmbH. „Ich lese das Gegenteil heraus – aber das ist Auslegungssache.“

Aufgaben gehen über die Definition von Streetwork hinaus

Weit hinaus über die klassische Definition von Streetwork gehe der Einsatzbereich der „gemeinwesenorientierten Arbeit“ der tohus gGmbH. Suchtprobleme aber auch Armut und psychische Erkrankungen bei Menschen aus allen Altersgruppen stehen im Fokus. „Wir sind immer dann gefragt, wenn es brennt“, so Brücken. „Dies ist sehr arbeitsintensiv, weil es in unserem Job um Beziehungsarbeit geht.“

Seit Juni dieses Jahres ist der 39-Jährige Erster Vorsitzender der Landesgemeinschaft für Straßensozialarbeit in Schleswig-Holstein, organisiert regelmäßige Treffen mit Kollegen, bekommt Einblick in die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen der Kreise und sagt: „Vorbildlich sind Gemeinden im Herzogtum Lauenburg aufgestellt – und das trotz finanzieller Schwierigkeiten. Dies ist bemerkenswert.“

Dort stockte der Kreis die Stellen seit dem rechtsextremistischen Brandanschlag in Mölln vor 26 Jahren beachtlich auf. Nach Ablauf des Projektes „Streetwork“ konnte sich die Arbeit in sechs Kommunen fest verankern, wo bis heute Hilfsangebote für Jugendliche entwickelt werden. Auch wenn die damalige Situation mit der in Stormarn nicht vergleichbar sei, würden Straßensozialarbeiter hier im Kreis nach Ansicht der Experten dringend gebraucht – und zwar nicht nur im Schulzentrum.

Drogenabhängige kommen sogar aus Hamburg

„Bargteheide hat seit langem eine florierende Drogenszene“, erläutert Fabian Josten. „Hier gibt es alles. Die Abhängigen kommen selbst aus Hamburg.“ Während die Hansestadt Problemfelder drastisch eindämmen konnte, bieten die umliegenden Gemeinden den Dealern durch die Lage am Bahn- und Autobahnnetz die besten Bedingungen für ihre Geschäfte. „Dies war zu meiner Schulzeit schon der Fall“, so Josten. „Geändert haben sich allerdings die Inhaltsstoffe, selbst von Cannabis. Die Konzentration ist in den vergangenen Jahren um 30 Prozent gestiegen, weshalb Fälle drogeninitiierter Psychosen ebenfalls zunehmen.“

Um den Ausschreitungen im Schulzentrum entgegenzuwirken, wollen die Streetworker in Bargteheide nun auf regelmäßigen Touren Präsenz zeigen und die Gespräche mit Jugendlichen suchen – auch in den Abendstunden, so lange es die Zeit zulasse. Um das Vertrauen nicht zu brechen, gehe es ihnen jedoch nicht um Sanktionen. „Es stellt sich generell die Frage, wie Öffentlichkeit auf Vorfälle wie im Schulzentrum reagieren soll“, so Fabian Josten. „Widerstand zieht Jugendliche an, die provozieren wollen. Dessen sollte sich die Polizei bewusst sein.“

Wer mit den Sozialarbeitern in Bargteheide Kontakt aufnehmen möchte, wendet sich per E-Mail an j.bruecken@tohus.alsterdorf.de