Oststeinbek. Serie zum Zustand der Radwege im Kreis: Viele Strecken in der 9000-Einwohner-Gemeinde sind marode. Experten vergeben die Note 5.

Als Radfahrer hat Bernd Petri einiges erlebt. Aber so etwas schon lange nicht: Der Osteinbeker fährt mit seinem Rad den Willinghusener Weg entlang, als er eine der vier Ausfahrten am Gewerbegebiet passiert. Dort will gerade eine Autofahrerin, vom Supermarkt kommend, in den Willinghusener Weg nach rechts einbiegen. Doch sie schaut nur nach links, ob ein Fahrzeug kommt. Aber nicht nach rechts.

Die Bewertung

1. Was wurde im vergangenen Jahr für den Radverkehr getan? Note 6

2.Sicherheit auf Radwegen, an Kreuzungen und die Qualität der Fahrbahn: Note 5

3. Respekt für die Teilnehmer am Straßenverkehr: Note: 2

4. Gibt es Fahrradstraßen, Fahrradstreifen und Schutzstreifen? Note: 6

5. Wie gut sind die Radwege beschildert? Note: 6

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„Fast wäre ich mit dem Wagen kollidiert“, sagt Bernd Petri. „Mein Bein berührte bereits die Stoßstange.“ Die Autofahrerin sei selbst sehr erschrocken gewesen, dass sie ihn übersehen hatte, erinnert sich der Radfahrer. „Fast alle Autofahrer schauen hier nur nach links, ob ein Fahrzeug kommt. Aber nicht nach rechts, ob ein Fußgänger oder Fahrradfahrer unterwegs ist.“

Hartes Gesamturteil für den Ort

Seit Juli nimmt das Abendblatt die Radwege im Kreis Stormarn in Kooperation mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) unter die Lupe. Diesmal dreht sich alles um Oststeinbek – eine Kommune mit gut 9000 Einwohnern, die wohl eher als Autofahrergemeinde gilt. Nur rund 13 Prozent sind regelmäßig mit dem Fahrrad unterwegs.

Bernd Petri, ADFC-Sprecher von Oststeinbek, sein Stellvertreter Sönke Reisener und der stellvertretende ADFC-Kreisvorsitzende Jürgen Hentschke begleiten den Radwege-Test in einem Ort, der offenbar wenig Herz für Biker zeigt. „Schulnote 5“, antworten die drei Experten auf die Frage nach ihrem Gesamturteil.

Der Willinghusener Weg zählt für Radfahrer zum gefährlichsten Pflaster Oststeinbeks. Gerade die vier Ausfahrten mit den Querungen bergen Risiken. „Hier brauchen wir dringend Stoppschilder“, fordern die drei Männer. „Schilder können dazu beitragen, die Unfallgefahr an dieser Stelle zu reduzieren.“

Kaum besser ist der 2,5 Kilometer lange benutzungspflichtige Radweg an der Möllner Landstraße. Radfahrern, die in beiden Richtungen unterwegs sind, steht nur eine Trasse auf einer Straßenseite zur Verfügung. „Dieser Radweg ist für zwei Richtungen zu eng“, sagt Jürgen Hentschke. Und misst auf der Höhe eines asiatischen Restaurants nach: 1,90 Meter. Vor der Gaststätte stehen zudem Poller, die vermutlich Autofahrer vom Parken abhalten sollen. Kaum auszudenken, wenn zwei Radfahrer in der Dunkelheit diese beiden Poller gleichzeitig passieren. Das ist gefährlich.

Mehr noch: Es fehlen Markierungen für den einzigen benutzungspflichtigen Radweg Oststeinbeks. Und der Oberflächenbelag, der wohl aus den 1970er-Jahren stammt, ist so marode, dass die Kanten bei den Einmündungen in die Nebenstraßen zur Sturzfalle werden. Auch die anderen Radwege – bis auf ein 400 Meter langes neues Teilstück – bieten keinen Fahrkomfort. „Grottenschlecht“, sagt Stormarns ADFC-Vize Jürgen Hentschke. Es gibt sogar Abschnitte, die über Kopfsteinpflaster führen. Das killt jeden Komfort. Wie gefährlich Radfahren in Oststeinbek sein kann, zeigt ein schwerer Unfall im Juli. Ein 82-jähriger Autofahrer bog bei grüner Ampel von der Stormarnstraße in die Möllner Landstraße ab und übersah einen zehnjährigen Fahrradfahrer, der die Landstraße queren wollte. Der Junge wurde schwer verletzt.

Auf der Stormarnstraße selbst, die die Verbindung zum Ortsteil Havighorst bildet und für die Kinder dort der Schulweg ist, gibt es keinen Radweg. Biker müssen den schmalen Gehsteig nutzen. „Guckt nur“, ruft Jürgen Hentschke seinen Kollegen zu. „Die Autofahrer rasen ungebremst mit Tempo 70 in den Ort.“ Wer hier unterwegs ist, fahre mit Risiko, zumal ein Schutzstreifen zwischen Fußweg und Straße fehle. Um die Sicherheit zu erhöhen, müsste ein Radweg angelegt und die Trasse verbreitert werden.

Beim Radwegetest gelangen wir schließlich in Oststeinbeks Feldmark: ein Feldweg, Willinghusener Weg, verläuft am Ortsrand abseits der Hauptverkehrsstraßen. Hier könnte ein Radweg als Teil einer Veloroute von Glinde über Oststeinbek bis zur Steinfurther Allee in Hamburg-Billstedt (Haltestelle der U 2) entstehen, hofft der ADFC. Pendler aus Glinde und Umgebung würden so das Fahrrad für den Arbeitsweg nutzen statt mit dem Auto lange im Stau zu stehen.

Fazit: Oststeinbek könnte die Sicherheit für Radfahrer sofort verbessern, wenn die gefährlichen Stein- und Asphaltkanten an den Straßenquerungen repariert und die Poller an der Möllner Landstraße beseitigt werden. „Stopp-Schilder im Gewerbegebiet sind ebenfalls dringend erforderlich“, sagen die ADFC-Experten. Außerdem fordern sie die Sanierung der maroden Radwege und einen Fahrradbeauftragten, der sich für die Interessen des Radverkehrs einsetzt.

Das sagen Fahrradfahrer in Oststeinbek

Radfahrerin Ute Bülow, ehemalige Grundschullehrerin
Radfahrerin Ute Bülow, ehemalige Grundschullehrerin © Edgar S. Hasse | Edgar S Hasse

Ute Bülowlebt seit 58 Jahren in Oststeinbek und hat als Grundschullehrerin gearbeitet. Inzwischen ist die Seniorin mit einem E-Bike unterwegs. „Ich erledige alle Einkaufswege mit dem Fahrrad“, sagt sie. „Aber unsere Radwege sind in einem schlechten Zustand.“ Wenn die Möllner Landstraße saniert wird, hofft sie, dass auch die Qualität der Radwege verbessert wird. „Hier muss dringend etwas getan werden.“ Am liebsten aber ist sie mit ihrem Fahrrad in der Feldmark unterwegs.

Karsten Blockus (39) mit seinem Rad an der Möllner Landstraße
Karsten Blockus (39) mit seinem Rad an der Möllner Landstraße © HA | Lea Pölkow

Karsten Blockus fährt jeden Tag Fahrrad. Er findet, dass die Radwege „breit genug sind.“ Trotzdem bemängelt er, dass nur ein Weg in eine Richtung vorhanden sei. „Die Wege sind sehr ausbaufähig“, sagt der 39-Jährige. So sei der Weg von Glinde nach Oststeinbek schlecht. „Es gibt viel Wurzelgeflecht.“ So bemängelt Blockus auch, dass er bei Tankstellen oft von Autos übersehen werde. „Auch die Kantsteine sind an den Übergängen zu hoch“, dass sei schlecht für die Räder.

Dominik Freudenthal, 24
Dominik Freudenthal, 24 © Edgar S. Hasse | Edgar S. Hasse

Dominik Freudenthal ist gerade mit seinem Fahrrad auf dem Gewerbegebiet unterwegs. Einkaufen im Supermarkt – „unter anderem für meine Katze“, sagt der 24-Jährige. Er ist häufiger in Oststeinbek unterwegs und findet die vielen Kanten an den Radwegen gefährlich. „Das ist jenseits von Gut und Böse“, ärgert er sich. Einige seiner Rennreifen seien dadurch bereits ramponiert worden. Dazu kommen noch die Pflastersteine, auf denen sich Radfahrer fortbewegen müssen. Schulnote: 4.

Die Serie

1. Ammersbek
2. Ahrensburg
3. Glinde
4. Bargteheide
5. Trittau
6. Bad Oldesloe
7. Barsbüttel
8. Großhansdorf
9. Oststeinbek
10. Reinbek
11. Reinfeld