Ahrensburg . Wege in Ahrensburg sind uneben und unfallträchtig. Es fehlen auch Fahrradabstell-Anlagen. Autofahrer machen oft keinen Schulterblick.
Am liebsten würde Jürgen Hentschke (64) in Münster leben. Die Stadt, in der fast jeder zweite Einwohner regelmäßig mit dem Fahrrad unterwegs ist, sei geradezu ein Paradies für Radfahrer, schwärmt er. Der Ammersbeker Unternehmer arbeitet ehrenamtlich als stellvertretender Kreisvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Stormarn und muss anstatt in Münster regelmäßig durch eine Stadt radeln, in der sich nur sehr wenig um Radfahrer dreht: Ahrensburg.
Wie gefährlich die Situation ist, nimmt das Abendblatt in Kooperation mit dem ADFC unter die Lupe. Heute geht es um Ahrensburg, wo Autofahrer oft keinen Schulterblick machen und Radfahrer auf Kopfsteinpflaster und altem Radflächenbelag unterwegs sein müssen.
„Seit der ADFC-Umfrage von 2016 hat sich nicht viel Grundlegendes getan“, ärgert sich Hentschke. „Ich bewerte die Gesamtsituation in Ahrensburg deshalb mit der Schulnote 5. Das sind nur zwei Fahrrad-Symbole.“
Bei der Doppeleiche/Kreuzung Reeshoop: Im Frühjahr wurde hier ein 15 Jahre altes Mädchen verletzt. Sie war mit ihrem Fahrrad auf dem Weg zur Schule. An der Kreuzung wurde sie von einem Lastwagen erfasst, der nach rechts in die Straße Reeshoop abbiegen wollte und dabei nach Angaben der Polizei das Mädchen offensichtlich übersah. Die Ampeln zeigten zu dem Zeitpunkt für beide Grün. Der ADFC kritisiert schon seit vielen Jahren die Unübersichtlichkeit an dieser Kreuzung. „Die irritierende Radwegeführung ist nicht akzeptabel“, sagt Jürgen Hentschke.
Möglicherweise wäre der Unfall gar nicht passiert, wenn die Schülerin auf der Straße gefahren wäre. Bereits seit 1997 sieht die Straßenverkehrsordnung das Radfahren auf der Fahrbahn als Regelfall vor und lässt es nur ausnahmsweise zu, Radwege mit dem blauen Radwegeschild als benutzungspflichtig zu kennzeichnen. Der ADFC setzt sich deshalb dafür ein, dass die Benutzungspflicht für Radwege überprüft und gegebenenfalls aufgehoben wird und Schilder in Ahrensburg abgebaut werden.
„Die Radfahrer sollten selbst entscheiden, ob sie auf dem Radweg oder auf der Fahrbahn fahren möchten“, sagt Hentschke. Doch davon sei man in Ahrensburg weit entfernt. Der ADFC favorisiert eine Kombination aus Fahren auf der Fahrbahn, Schutzstreifen und Radfahrstreifen, entsprechend der ERA (Richtlinie für Radverkehrsanlagen).
Hagener Allee: Enge, unübersichtliche und nicht mehr erkennbare Radwege sind Unfallgefahren. Besonders schlimm ist es für Radfahrer auf der Hagener Allee, Höhe Kirchsaal Hagen. Nicht zuletzt die Besucher der Kirchengemeinde klagen dort über unebene, unfallträchtige Wege. Die alte Radverkehrsanlage ist aufgrund des Wachstums der Bäume zu einem schmalen Pfad geschrumpft.
Stadtzentrum/Rondeel: Gemeinsame Geh- und Radwege im Stadtzentrum erweisen sich weiterhin als Nachteil. „Am Bahnhof Richtung Rondeel sollen Radfahrer wie Fußgänger auf der rechten Seite der Bahnhofsstraße sich einen Weg teilen, der auch noch über mehrere Bushaltestelleninseln hinwegführt“, kritisieren Abendblatt-Leser.
Fahrradabstell-Anlagen fehlen in Ahrensburg. Rund 1400 Radfahrer nutzen täglich die 800 Stellplätze am S-Bahnhof – inzwischen viel zu wenig. Schlimmer noch ist die Situation am U-Bahnhof Ost. Viele Radfahrer wünschen sich mehr Komfort, mehr Platz und nach Möglichkeit ein bewachtes Parkhaus. Die Diskussion über eine solche Anlage läuft in Ahrensburg seit Jahren und wird immer wieder verschoben. Hier wünschen sich viele Radfahrer endlich mal Nägel mit Köpfen zu machen und die Umsetzung voranzutreiben.
Imke Bär, Sprecherin der Stadt Ahrensburg, erklärte auf Abendblatt-Anfrage: „Eine Verbesserung der Radverkehrssituation hat in den letzten Jahren definitiv stattgefunden.“ Als Beispiel nannte sie die Veloroute 2 mit dem 2014 fertiggestellten Abschnitt Katzenbuckel. Die Querung des Wulfsdorfer Weges befinde sich in der Planung. Auch werde die Qualität der Fahrradabstell-Anlagen „laufend verbessert“. Der Neubau einer Abstellanlage in der Ladestraße sei geplant.
Das Fazit des Abendblatt-Tests: Was Ahrensburg bisher für den Radverkehr getan hat, ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Stadt tut noch immer zu wenig für Fahrradfahrer. „Vom Velorouten-Konzept wurde bislang erschreckend wenig umgesetzt“, kritisiert Hentschke zurecht. „Helfen würde bereits eine Ausschilderung und Veröffentlichung der im Fahrradkonzept 2010 beschlossenen Velorouten – auch wenn sie nur dürftig umgesetzt sind“, sagt er.
So wurde Ahrensburg benotet – die Kriterien:
1. Was wurde im vergangenen Jahr für den Radverkehr getan? 6 – ungenügend
2. Sicherheit auf Radwegen, an Kreuzungen und die Qualität der Fahrbahn: 6 – ungenügend
3. Respekt für die Teilnehmer am Straßenverkehr: 4 – ausreichend
4. Gibt es Fahrradstraßen, Fahrradstreifen und Schutzstreifen? 4 – ausreichend
5. Wie gut sind die Radwege beschildert? 5 – mangelhaft
Und das sagen die Ahrensburger Radfahrer:
„Die Autofahrer beachten einen nicht“
Maik Siemer ist mit seinem Fahrrad gerade am Rondeel in der Innenstadt. Der 45-Jährige ist sehr unzufrieden mit den Radwegen in Ahrensburg. Seine erste Reaktion auf die Frage nach der Beschaffenheit: „Es ist eine Katastrophe.“ Besonders gefährlich finde er die Bereiche um Kreuzungen. Hier gebe es häufig Gefahrensituationen, das liege insbesondere an Rechtsabbiegern, die in Fahrzeugen sitzen. „Die Autofahrer beachten einen einfach nicht. Das ärgert mich“, sagt Maik Siemer.
„Viele fahren mitten auf der Straße“
Hiltraud Johannsen (l.) ist Anwohnerin der Hagener Allee. Sie klagt: „Der Weg ist sehr schlecht, man erkennt nur noch einen kleinen Streifen der Markierung. Schon 2010 sollte die Straße erneuert werden.“ Die Hagener Allee sei voller Risse und die Fahrradwege daneben kaum als solche zu identifizieren. „Viele Radfahrer sind mitten auf der Straße unterwegs“, sagt Rita Schnellhaus, die mit Hiltraud Johannsen spazieren geht. Das sei für alle Verkehrsbeteiligten sehr gefährlich.
„Die Radwege sind holprig“
Rebecca Neumann ist mit ihrem Kleinkind unterwegs. Sie empfindet die Situation in Ahrensburg nicht als sonderlich dramatisch. „Nur auf der Straße fühle ich mich nicht immer sicher“, sagt die 29-Jährige. Jedoch bemängelt Neumann, dass es häufig nur einen Radweg auf der einen Fahrbahnseite gebe, so müsse man mitunter auf die Straße ausweichen ob des Gegenverkehrs. Sie sagt: „Ich komme eigentlich aus Hamburg, hier in Ahrensburg sind die Radwege deutlich holpriger.“
Die Serienteile
1. Ammersbek
2. Ahrensburg
3. Glinde
4. Bargteheide
5. Trittau
6. Bad Oldesloe
7. Barsbüttel
8. Großhansdorf
9. Oststeinbek
10. Reinbek
11. Reinfeld