Bargteheide. Polizei verzeichnet 45 Unfälle in einem Jahr. Viele Radfahrer fühlen sich auf der Fahrbahn nicht sicher und nutzen sie daher gar nicht.

Vor zwei Jahren hat Ulrich Bien sein Auto verkauft, seitdem legt er die meisten Wege in seinem Wohnort Bargteheide mit dem Fahrrad zurück. Und das, obwohl er mit den Bedingungen in der Stadt alles andere als zufrieden ist. „Als Radfahrer lebt man hier gefährlich“, sagt der 64-Jährige. „Politik und Verwaltung müssten viel mehr tun.“ Er ist Mitglied der Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) und des TÜV-Teams vom Abendblatt.

Eine Besonderheit Bargteheides, die auch bei unserer Rundtour sofort auffällt: Fast alle Radfahrer vermeiden es, auf der Fahrbahn zu fahren. Dabei gibt es in der Stadt nur drei benutzungspflichtige Radwege: an der L 82 (Hamburger Straße/Am Markt/Lübecker Straße), der L 89 (Südring/Lohe) und am Westring. Dazu kommen eine knappe Handvoll weiterer (Geh-)Wege, die für Radfahrer freigegeben sind.

Rathausstraße: „Die Kennzeichnung der Radwege ist in Bargteheide sehr schlecht und uneinheitlich“, sagt Ulrich Bien. Und verweist dafür als Erstes auf die Rathausstraße. Hier haben Radfahrer laut Radwegeplan der Stadt die Wahl: Sie können auf dem Radweg oder der Fahrbahn fahren. Letzteres hält der ADFC-Experte für zu gefährlich. „Der Durchgangsverkehr nach Tremsbüttel fährt durch die Straße“, sagt er. Dazu viele Bargteheider, die zum Einkaufen oder Bahnhof wollen. Häufig hält auf der Fahrbahn auch noch Lieferverkehr.

Deshalb empfiehlt Ulrich Bien den Radweg, der allerdings „langsam vergammelt“. Die Hinweisschilder wurden abmontiert, die weißen Markierungen auf dem Weg (sie zeigten mal Fahrräder und Pfeile) sind teilweise kaum noch zu erkennen. Apropos Straßenbelag: Dieser ist uneinheitlich gestaltet. „Normalerweise steht eine rote Färbung für Radwege“, sagt Bien. An der Rathausstraße ist aber nur ein Teil rot. In Höhe des Rathauses wechselt der Belag die Farbe.

Kurz vor der Kreuzung „Am Markt“ endet der Radweg plötzlich. Kurios: „An der Fußgängerampel über die L 82 ist wieder ein Radsymbol zu sehen“, sagt Bien. „Das ist verwirrend.“

Bahnhofstraße: Ähnlich uneindeutig geht es an der Bahnhofstraße weiter. Stadtauswärts auf der rechten Seite gibt es einen Bürgersteig und einen getrennt davon verlaufenden roten Weg. Für Radfahrer? Nein. Laut Radwegeplan muss hier die Fahrbahn genutzt werden. Genauso auf der anderen Straßenseite: Der Gehweg ist im Bereich der Ladenzeile rötlich und wird – vielleicht auch deshalb – von vielen Radfahrern genutzt. „Wenn ein Zug am Bahnhof ankommt, herrscht hier Kuddelmuddel“, sagt Bien. „Eine große Gefahrenstelle.“ Am Bahnhof gebe es zudem zu wenig Fahrradstellplätze. „Seit Jahren diskutiert die Politik über ein Parkhaus, aber es passiert nichts.“

Südring: Wer mit seinem Rad am Ende der Bahnhofstraße an der Ampel steht und Richtung Hamburger Straße will, ist geneigt, auf den Südring einzubiegen. „Hier fehlt ein ,Radfahrer verboten’-Schild“, kritisiert Bien. „Auf der Schnellstraße haben Radfahrer nichts zu suchen.“ Zumal es ja einen benutzungspflichtigen Radweg gebe, der etwas abseits des stark befahrenen Südrings durchs Grüne führt und in einem guten Zustand ist.

Alte Landstraße: Auch die Verkehrsführung an der Alten Landstraße könnte nach Ansicht des ADFC-Experten besser gelöst werden. Viele Autofahrer kommen aus Richtung Ammersbek mit hoher Geschwindigkeit in die Stadt. An der Einmündung der Straße „Am Volksdorf“ treffen sie auf zahlreiche Kinder, die vom Freibad oder den dortigen Schulen kommen. Laut Bargteheider Radwegeplan darf der Gehweg bis zur Lindenstraße von Radfahrern stadteinwärts genutzt werden. Vor Ort wird das allerdings nicht deutlich. Es gibt zwar ein „Radfahrer frei“-Schild, dieses zeigt aber zur Straße „Am Volkspark“.

Das Abendblatt und ADFC-Experte Ulrich Bien (64) haben sich angeschaut, wie fahrradfreundlich Bargteheide ist
Das Abendblatt und ADFC-Experte Ulrich Bien (64) haben sich angeschaut, wie fahrradfreundlich Bargteheide ist © HA | Janina Dietrich

„Hier gehört ein benutzungspflichtiger Radweg hin“, sagt Bien. Zumindest bei diesem Punkt ist Besserung in Sicht. Die Stadt plant Schutzstreifen an der Alten Landstraße sowie an der Jersbeker Straße und der Rudolf-Diesel-Straße – allerdings nur einseitig in Richtung Stadtmitte.

Tremsbütteler Weg: Gefahrenpotenzial bietet auch der Tremsbütteler Weg. Hier müssen Radfahrer auf der Fahrbahn fahren. Doch wegen der unübersichtlichen Kurven trauen sich das viele nicht und drängeln sich zwischen den Fußgängern auf dem Gehweg hindurch. Das Problem: „Wenn etwas passiert, hat der Radfahrer Schuld“, sagt Bien.

Im vergangenen Jahr gab es in der Stadt laut Polizei 45 Unfälle mit Radfahrern. Bei vielen Bargteheidern ist der Wunsch groß, dass sich etwas ändert. Erst Ende Juni nahmen Dutzende in der Stadt an der kreisweit ersten Fahrraddemonstration teil.

So wurde Bargteheide benotet – die Kriterien:

1. Was wurde im vergangenen Jahr für den Radverkehr getan? 6 – ungenügend

2. Sicherheit auf Radwegen, an Kreuzungen und die Qualität der Fahrbahn: 5 – mangelhaft

3. Respekt für die Teilnehmer am Straßenverkehr: 2 – gut

4. Gibt es Fahrradstraßen, Fahrradstreifen und Schutzstreifen? 6 – ungenügend

5. Wie gut sind die Radwege beschildert? 6 – ungenügend

Und das sagen die Bargteheider Radfahrer:

„Auf der Straße ist es mir zu gefährlich“

 Frank Heuser (47) sagt: „Auf der Straße fahre ich nicht.“
Frank Heuser (47) sagt: „Auf der Straße fahre ich nicht.“ © HA | Janina Dietrich

Frank Heuser fährt täglich mit dem Rad zur Arbeit. Die drei Kilometer führen ihn quer durch Bargteheide. Der 47-Jährige bleibt dabei immer auf den Geh- und Radwegen. „Auf der Straße ist es mir in Bargteheide viel zu gefährlich“, sagt er. „Ich habe schon viele brenzlige Situationen gesehen.“ Die Radwege müssten besser ausgeschildert und breiter sein, sagt Heuser. An der Rathausstraße seien geparkte Autos eine Gefahr, wenn die Türen Richtung Radweg geöffnet würden.

„Ich nehme meist kleine Schleichwege“

Henrik (11) fährt gern Fahrrad und hat keine Angst in Bargteheide
Henrik (11) fährt gern Fahrrad und hat keine Angst in Bargteheide © HA | Janina Dietrich

Henrik ist gern mit seinem blauen Mountainbike in Bargteheide unterwegs. Täglich fährt der Elfjährige damit zu seiner Schule, dem Kopernikus-Gymnasium. In den Sommerferien steuert er vor allem das Freibad an. Die großen, viel befahrenen Straßen meidet er. „Ich nehme meist kleine Schleichwege“, sagt er. „Aber nicht, weil ich Angst habe.“ Generell fühle er sich in Bargteheide sehr sicher. Nur einmal sei er mit einem anderen Radfahrer zusammengestoßen. „Wir haben beide nicht aufgepasst.“

„In der Innenstadt ist Vorsicht geboten“

Birgit Hoffmann (62) sagt: „In der Innenstadt muss man sehr vorsichtig fahren.
Birgit Hoffmann (62) sagt: „In der Innenstadt muss man sehr vorsichtig fahren." © HA | Janina Dietrich

Birgit Hoffmann ist häufig mit dem Fahrrad unterwegs. „Das ist einfach entspannter als mit dem Auto“, sagt die 62-Jährige. In Bargteheide allerdings nicht immer. „Einige Wege sind schlecht zu befahren – wegen der vielen Schlaglöcher“, sagt sie. „Da habe ich Angst zu stürzen.“ Besondere Vorsicht sei an der Rathausstraße geboten. „Die Radwege sind dort sehr, sehr schmal“, sagt Birgit Hoffmann. „Zudem laufen Fußgänger kreuz und quer. Da müssen Radfahrer gut aufpassen.“

Die Serienteile

1. Ammersbek

2. Ahrensburg

3. Glinde

4. Bargteheide

5. Trittau

6. Bad Oldesloe

7. Barsbüttel

8. Großhansdorf

9. Oststeinbek

10. Reinbek

11. Reinfeld