Ahrensburg. Gutachter stellen alternative Methoden für Schallschutzund juristische Möglichkeiten gegen Bahn-Pläne vor. Einzelhändler sind besorgt

Es ist für viele Ahrensburger ein Horrorszenario: Eine kilometerlange Mauer von bis zu sechs Meter Höhe zerteilt die Stadt Ahrensburg. Sie könnte entstehen, wenn die Deutsche Bahn beim ab 2020 geplanten Ausbau der neuen Bahnlinie S 4 zwischen Hamburg und Bad Oldesloe ihre vorgesehenen Lärmschutzwände an den Gleisen in Ahrensburg baut. Wie die Stadt die Wände mit welchen Mitteln und Argumenten verhindern kann, war nun Thema einer gemeinsamen Sitzung von Bau- und Umweltausschuss.

Dabei wurden den Ausschussmitgliedern die Ergebnisse von drei Gutachten präsentiert, die die Stadt in Auftrag gegeben hatte: eines für technische Alternativen zum Schallschutz, eines über die Auswirkungen hoher Lärmschutzwände auf den städtischen Einzelhandel sowie eines über die juristischen Möglichkeiten der Stadt.

Welche technischen Alternativen gibt es zur Vermeidung hoher Lärmschutzwände in der Innenstadt?
Bisher hat die Bahn immer wieder betont, dass es keine Alternative zur herkömmlichen Lärmschutzwand gebe. Anders seien die Vorgaben der Bundesimmissionsschutzverordnung und deren Grenzwerte nicht einzuhalten. Demnach gelten für Wohngebiete tagsüber 59 Dezibel dB(A) – das entspricht einem Fernseher auf Zimmerlautstärke – und nachts 49 dB(A).

Im Ausschuss präsentierte nun der Diplom-Physiker Frank Dittmar von der auf Schallmessungen und -prognosen spezialisierten Firma TED Berechnungen dazu, wie sich der Schall der durchfahrenden Züge ausbreitet, wenn die geplanten Lärmschutzwände auf einer Länge von 400 Metern in der Innenstadt unterbrochen werden. In verschiedenen Modellen berücksichtigte Dittmar dabei den Einsatz von drei Alternativen zu den in der Innenstadt geplanten sechs Meter hohen Wänden: niedrigere Schallschutzwände von nur 0,74 Zentimeter Höhe, sogenannte Schienenstegdämpfer und „besonders überwachte Gleise“.

So sieht ein Schienensteg an einem Bahngleis aus
So sieht ein Schienensteg an einem Bahngleis aus © ZB | Peter Endig

Letztere werden von der Bahn besonders auf Unebenheiten kontrolliert, die dann abgeschliffen werden, um Lärm zu reduzieren. Schienenstegdämpfer sind mit Kunststoff ummantelten Resonanzkörper, die in kurzen Abständen direkt an beiden Seiten eines Schienenstegs montiert werden.

Als Ergebnis seiner Berechnungen stellte Physiker Dittmar fest, dass die drei Alternativen gemeinsam den erhöhten Lärmpegel bei fehlenden Schutzwänden wieder ausgleichen – allerdings nicht vollständig. „Es sind weitere passive Schallschutzmaßnahmen nötig“, sagte Frank Dittmar. Diese sind etwa Schalldämmungen an den Gebäuden entlang der Strecke, etwa durch spezielle Fenster. Für deren Umfang bedarf es laut dem Gutachter weiterer Untersuchungen, um die Lärmbelastung „gebäudescharf“, also für jedes einzelne Gebäude, zu bestimmen.

Im Anschluss an den Vortrag wollten die Ausschussmitglieder unter anderem wissen, ob nicht auch durchsichtige Lärmschutzwände als eine Alternative möglich sind. Darauf entgegnete Ahrensburgs Bauamtsleiter Peter Kania, dass diese ungeeignet seien, da sie durch Graffiti und Metallstaub nicht durchsichtig bleiben würden.


Welche Auswirkungen haben die Lärmschutzwände auf den Einzelhandel in Ahrensburg?

Zu dieser Frage nahm Raimund Ellrott vom Marktforschungsunternehmen GMA Stellung. Es hatte 30 Händler in der Innenstadt befragt und die Fußgängerbewegungen dort gezählt. Laut dem GMA-Gutachten werden von hohen Lärmschutzwänden vor allem die Straßenzüge Manhagener Allee und Hagener Allee betroffen sein. Sie würden an einzelhändlerischer und gewerblicher Lagequalität verlieren und Kundenfrequenz sowie Umsatz einbüßen.

Von den befragten Händlern befürchten nach der GMA 29 Prozent einen Umsatzrückgang und 35,5 Prozent einen Rückgang bei der Kundenfrequenz. 35 Prozent wünschen sich eine bessere Optik bei der Lärmschutzgestaltung, 21,4 Prozent würden ganz auf die S 4 verzichten. „Die Stadt Ahrensburg sollte alles daran setzen, technische Alternativen zu den Lärmschutzwänden zu prüfen“, sagte Gutachter Ellrott zu den beiden Ausschüssen.

Welche rechtlichen Möglichkeiten hat die Stadt, die Lärmschutzwände zu vermeiden?
Dazu gab es einen Vortrag von Rechtsanwalt Bernd Uhlenhut von der Kanzlei BSU aus Dortmund. Er stellte mehrfach heraus, dass die Stadt ihre Bedenken gegen die sechs Meter hohen Lärmschutzwände in der Innenstadt im noch ausstehenden Planfeststellungsverfahren des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA) als formelle Einwendungen geltend machen kann und muss. Als ihre Belange könne sie etwa Eigentumsrechte, Abstandsflächen, Denkmalschutz und vor allem ihr Selbstgestaltungsrecht vorbringen. „Die Schutzwände sind ein Eingriff in die historischen Sichtachsen von Ahrensburg und damit in die Prägung der Stadt“, sagte Anwalt Uhlenhut.

Das EBA muss die städtischen Belange gegen die Ansprüche Dritter auf ausreichenden Lärmschutz abwägen und dabei auch technische Alternativen einbeziehen. Gegen einen Planfeststellungsbeschluss könnte dann noch beim Verwaltungsgericht geklagt werden.


Wie geht es nun weiter?
Konkrete Beschlüsse haben der Umwelt- und der Bauausschuss nach dem Vorstellen der Gutachten nicht gefasst. Die Stadt will die geplanten Lärmschutzwände am 26. September bei einer Einwohnerversammlung zum Thema machen und die Meinungen der Bürger hören, bevor sie über das weitere Vorgehen entscheidet. Denkbar ist, dass vorher noch weitere Gutachten zum passiven Schallschutz eingeholt werden.