Tremsbüttel. In unserer Serie stellen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank vor. Heute: Stormarns Gleichstelllungsbeauftragte Birte Kruse-Gobrecht.

Da, wo ihre Lieblingsbank stehen sollte, herrscht gähnende Leere. Der Park von Schloss Tremsbüttel ist bereits winterfest gemacht worden. Doch Birte Kruse-Gobrecht sorgt schnell dafür, dass die Bank zurückkehrt. So wie es ihre Art ist: zupackend, lösungsorientiert und optimistisch. Die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Stormarn kommt regelmäßig hierher zum Herrenhaus. Zum Joggen, um im japanischen Garten Kraft zu schöpfen oder um eine Tasse Kaffee im Restaurant des Hotels zu genießen. „Hier kann ich entschleunigen“, sagt Birte Kruse-Gobrecht. „Die Natur schenkt mir Kraft.“

Die braucht sie auch für den täglichen Spagat zwischen Kreisbüro, ihrer Selbstständigkeit als systemische Organisationsberaterin, Trainerin und Coach sowie als Mutter von zwei Kindern. Seit Januar 2009 setzt sich die gebürtige Hamburgerin, die in Glinde groß wurde, für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Stormarns Betrieben ein, unterstützt Frauen beim Wiedereinstieg oder Weiterkommen. Als Arbeitsvermittlerin im Jobcenter Stormarn hatte die gelernte Juristin zuvor hautnah erlebt, „wie groß das Delta zwischen Theorie und Praxis bei der Kinderbetreuung ist“.

2009 gründete die Tremsbüttlerin das Kommunalpolitische Frauennetzwerk

Sie stieg selbst in Teilzeit wieder ein und ebnete sich den Weg zum Kreis. „Der Job war wegen der damit verbundenen Verwaltungserfahrung mein Ticket für die erfolgreiche Bewerbung als Gleichstellungsbeauftragte“, sagt sie. „Ich kannte dadurch die Strukturen und die Spannungsfelder.“ Birte Kruse-Gobrecht schätze den offenen Dialog zwischen dem Kreis und den Kommunen. Und sie weiß, wie wichtig die Pflege von Beziehungen, das Bilden von Netzwerken jenseits der politischen Zugehörigkeit ist. „Die Herren der Schöpfung sind Networking schon vom Bund, der Studentenverbindung oder durchs Engagement für die Rotarier gewohnt“, sagt die 46-Jährige.

Im Jahr 2009 gründet sie das Kommunalpolitische Frauennetzwerk (Kopf) Stormarn, in dem sich Abgeordnete unterschiedlichster politischer Couleur austauschen. Dabei geht es ihr vor allem um gegenseitige Unterstützung, nicht um Abgrenzung gegenüber dem männlichen Geschlecht. „Wichtig sind Netzwerke, in denen Männer und Frauen sich gemeinsam engagieren.“ Die Durchmischung sorge für ein besseres gegenseitiges Verständnis, das gelte auch für Teams im Unternehmen. „Gemischte Teams sind betriebswirtschaftlich am erfolgreichsten“, sagt Birte Kruse-Gobrecht. „Das lässt sich auf die Politik und viele andere Lebensbereiche übertragen.“

Im Fokus: Veränderungsmanagement

Sie wolle Rahmenbedingungen ändern und im Dialog Entscheidungen herbeiführen, die für mehr Gleichberechtigung sorgen. „Es gilt zunächst, die Strukturen zu verstehen und dann Strategien zu entwickeln“, sagt sie mit Blick auf die noch immer mangelnde weibliche Präsenz in den Chefetagen. Wie wichtig ihr Job auch 40 Jahre nach der Frauenbewegung noch ist, belegen Zahlen. 66 Prozent der Paare im Alter zwischen 30 und 45 Jahren wollen partnerschaftlich Gleichberechtigung leben, doch nur sechs Prozent schaffen es tatsächlich. „Es gibt kein Land der Welt, in dem es vorgesehen ist, dass eine Frau oder ein Mann mit dem Kind allein zu Hause bleibt“, sagt Kruse-Gobrecht. „Eine Gesellschaft funktioniert nur, wenn an alle gedacht ist und gleichzeitig jeder Eigenverantwortung übernimmt.“

Nach dem ersten Staatsexamen stellte die angehende Juristin fest, dass sie sich nicht ein Leben lang mit Schriftstücken, Beweislagen und der Frage „Wer hat Recht?“ befassen will. „Ich wollte lieber Lösungen entwickeln“, sagt sie. Gemeinsam mit der Handelskammer Hamburg und anderen Akteuren schafft sie als Geschäftsführerin des ältesten Bioladens in Hamburg den Beruf des Naturkostfachverkäufers – und zieht wieder in die alte Heimat zurück. Erst nach Trittau, später nach Tremsbüttel. Ihr heute zehnjähriger Sohn ist damals zwei Jahre alt, seine große Schwester neun Jahre, als sie sich beruflich neu orientiert, der 60-Stunden-plus-Woche den Rücken kehrt und im Jobcenter anfängt. Veränderung und Weiterentwicklung gehören für Birte Kruse-Gobrecht zum Leben. Sie bildet sich weiter in Mediation, systemischer Organisationsentwicklung und Changemanagement. Stets getrieben von der Frage: Wie gestaltet man Veränderung?

Gründungsgeschäftsführerin der Stiftung Beruf und Familie

2011 wird sie parallel zu ihrem Amt auf freier Basis Gründungsgeschäftsführerin der Stiftung Beruf und Familie, ins Leben gerufen von Stormarner Unternehmen, der Sparkassen-Stiftung Stormarn und der Bürger-Stiftung Stormarn. Kinderbetreuungsangebote sollen arbeitenden Eltern die Vereinbarkeit leichter machen. Im Juli dieses Jahres löste Ines Blunck sie als neue Geschäftsführerin ab. Birte Kruse-Gobrecht bleibt freiberuflich tätig: „Als Beraterin kümmere ich mich in Unternehmen um Personalthemen wie Genderbewusstsein oder Lebensphasenorientierung.“ Doch noch immer hat ihre Arbeitswoche mehr als 40 Stunden. Woher schöpft sie die Kraft für ihr großes Pensum? „Ich habe wertvolle Menschen an meiner Seite, die mich stärken. Und ich gönne mir auch Auszeiten. Dann verbringe ich einen Tag am Meer, im Spa oder gehe anderthalb Tage Segeln. Das hilft mir, den Kopf frei zu bekommen.“ Es sei wichtig, gelegentlich aus dem Hamsterrad auszusteigen und Abstand zu gewinnen.

Kraft schöpfe sie auch aus der Überzeugung, dass alles seinen Sinn hat. „In Krisen frage ich mich: Was ist das Gute darin?“, sagt sie lächelnd. Diese Einstellung dürfte ihr jenen langen Atem bescheren, der nötig ist, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf voranzutreiben.

Denn sie stellt immer wieder fest, dass es in Unternehmen noch an Wertschätzung jenen gegenüber mangele, die versuchten, beides unter einen Hut zu bekommen. „Wir müssen Familie als Teil des Systems begreifen. Eltern geben ihre Familie nicht an der Eingangstür der Firma ab.“ Sie sei sich bewusst, dass Veränderungen Zeit brauchen – und Kultursensibilität. Die Kunst sei, nicht vom eigenen Weltbild auf andere zu schließen und diese als richtig oder falsch zu bewerten, sondern sich um Verständnis zu bemühen.

Ihr Motor sei der Gedanke, die gesellschaftlichen Bedingungen für ihre Kinder zu verbessern. „Es ist wichtig, Kindern Selbstverantwortung vorzuleben in einer fehlerfreundlichen Gemeinschaft.“ Einer Gemeinschaft, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen wie Männer gleichermaßen leicht mache. „Spätestens bei meinen erwachsenen Kindern hoffe ich, dass sie es einmal leichter haben werden damit.“