Bargteheide. In unserer Serie stellen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank vor. Heute: Küster Eduard Buczkowski in der Kirche in Bargteheide.

„Eddie, Eddie“ schalt es über den Hof. Fröhlich überschlagen sich Kinderstimmen, sobald der 60-Jährige auftaucht. Eddie wird geliebt, von den Dreijährigen ebenso wie von den Senioren. Auch den Damen vom Frauenfrühstück zaubert Eddie stets ein Lächeln ins Gesicht. Seit 30 Jahren ist Eduard Buczkowski Küster in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bargteheide – und für viele die gute Seele der Gemeinde. Kaum eine Taufe, Konfirmation, Hochzeit oder Beerdigung, die nicht auch seine Handschrift trägt. Die Gottesdienste zu Weihnachten, Pfingsten, Ostern wären ohne seinen Einsatz kaum denkbar.

Jeder Winkel der Kirche ist ihm vertraut. Er weiß, welche Stufe beim Betreten knarrt, ob eine Lampe ausgewechselt werden muss oder ob noch genügend Kerzen im Kircheneingang vorhanden sind. Das Gotteshaus und Kirchengelände sind quasi sein Zuhause. Da scheint es nur logisch, dass auch die eigenen vier Wände gleich nebenan sind. „Sobald ich morgens das Handy in die Hand nehme, bin ich im Dienst“, sagt Eddie Buczkowski. „Meine Frau sieht das mit gemischten Gefühlen.“ Verständlich, denn schließlich gelte für Eddie Abend für Abend: „Der Letzte macht das Licht aus.“ Um 22 Uhr prüft er regelmäßig, ob alle Fenster und Türen geschlossen sind, die Alarmanlage eingeschaltet ist.

Im Alter von 29 Jahren wanderte Buczkowski von Polen nach Deutschland aus. „Meine Mutter war Deutsche. Als Kind wurde ich deshalb immer gehänselt“, erinnert er sich. Irgendwann beschloss er, mit seiner Mutter nicht mehr Deutsch zu sprechen, um kein Außenseiter mehr zu sein. Es war die Zeit des Kalten Krieges, die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland angespannt. „Als man mir verbot, mein Studium abzuschließen, war für mich klar, dass ich das Land verlassen muss“, erinnert sich der Küster an einen Wendepunkt seines Lebens. Der gelernte Bautechniker kehrte von einem Besuch im Westen nicht mehr zurück. Mutter und Schwester ließ er schweren Herzens zurück. Erst viele Jahre später kam die Familie wieder zusammen, natürlich in Bargteheide. Über Bonn kam Buczkowski zu einem Onkel, der in Lübeck als Pastor tätig war und Unterstützung benötigte. Schnell zeichnete sich ab, dass die Arbeit mit Menschen für den damals 29-jährigen wie geschaffen schien. Zuhören, sich Zeit nehmen, Interesse am Gegenüber zeigen sind Charakterzüge, die die Menschen an Eddie schätzen.

Ein „Nein“ hört man vom Küster fast nie. Alles wird irgendwie passend gemacht. Buczkowski ist bekannt für kostengünstige, pragmatische Problemlösungen. Wenn er in Bargteheide unterwegs ist – ob als Küster oder als Privatperson – stets hat er für jeden ein offenes Ohr. Privat ist er eigentlich nur, wenn er Urlaub hat. Mindestens einmal im Jahr zieht es ihn zurück nach Stettin. Sobald er das Ortsschild Bargteheide im Rückspiegel sieht und das Handy ausgeschaltet ist, ist Eddie nur für seine Frau Jadwiga und die drei erwachsenen Kinder da. In der Kirchengemeinde ist er das Mädchen für alles. Denn auch die sei ein Teil seines Lebens geworden.

In drei Jahrzehnten hat er viele Pastoren kommen und gehen sehen. „Wäre es nicht so eine großartige Gemeinschaft, ich wäre bestimmt längst nicht mehr hier“, sagt der begeisterte Akkordeonspieler. Der Glaube und die Musik seien Konstanten im Leben von Eduard Buczkowski. Schon im Alter von zehn Jahren spielte er seiner Mutter auf dem Akkordeon Lieder vor. Vier Monatslöhne habe die Mama ansparen müssen, um das Instrument kaufen zu können. „Girl“ von den Beatles sei sein absolutes Lieblingsstück. Zu allen kirchlichen Anlässen greift der Küster gern in die Tasten. Sein Repertoire ist groß: Klassik, Pop oder Volkslied. Und: „Das Tolle ist, man kann das Akkordeon immer dabei haben.“ Gleich drei Schifferklaviere stehen im Musikraum der Familie. Ein „normales, eins für draußen und ein gutes“.

Fremd habe sich Eddie hier nie gefühlt. „Ich habe immer das Gefühl gehabt, willkommen zu sein.“ Was ihm wirklich fehle, seien die Klasyczne Michalki Bonbons. Schokoladenumhülltes Naschwerk mit Nüssen und Creme. Die bringe er regelmäßig aus Polen mit.

Wie denkt der Küster über Menschen? „Jeder ist einzigartig. Man sollte jedem mit offenem Wesen begegnen.“ Auch für straffällig gewordene Jugendliche setzt er sich ein. Seit mehr als 20 Jahren schicken die Gerichte aus Bad Oldesloe, Ahrensburg und Lübeck straffällig gewordene Jugendliche und junge Erwachsene in die Kirchengemeinde, um dort Sozialstunden abzuleisten. „Die kommen eigentlich ganz gern“, sagt Buczkowski. Doch auch einer wie er muss irgendwann einmal abschalten. Am besten funktioniere das beim Tennisspielen. „Früher habe ich mit Leidenschaft Basketball gespielt. In Polen sogar in der Profiliga“, erinnert er sich. Dafür sei er mittlerweile zu alt, und mit 1.77 Meter eigentlich auch zu klein. Auch segelt er gern, als Rentner vielleicht einmal um die Welt. „Ich könnte musikalisch für Stimmung sorgen“, sagt er. Doch eigentlich ziehe es ihn nicht weg von Bargteheide.

30 Jahre im Küsterdienst – da wird selbst eine Frohnatur wie Eduard Bucz­kowski ein bisschen nachdenklich und wehmütig. 30 Mal habe er den Tannenbaum für Heiligabend ausgesucht, aufgestellt und geschmückt. 30 Mal den Basar organisiert, die Buden aufgebaut, die Lichterketten angebracht. 30 Jahre mit ungezählten Kindergartenfesten, Fahrten im Kirchenbus, Tätigkeiten als Dolmetscher oder Stadtführer. Das macht Eddie noch „so nebenbei“, wenn Gäste aus der polnische Partnerstadt Zmigrod zu Besuch in Bargteheide sind.

Eine tiefe Verbundenheit mit der Gemeinde symbolisiert eine etwa 15 Meter hohe Linde im Vorgarten der Familie Buczkowski. Vor 30 Jahren hatte der Küster das damals kleine Bäumchen gerettet und in seinen Garten umgepflanzt, als die Hamburger Straße verbreitert wurde. Noch heute weist ein Schild die Linde als „Eduard Bucz­kowski Linde“ aus.

Am kommenden Sonntag, 8. November, wird die Kirchengemeinde ihrem Küster beim Gottesdienst ab 11 Uhr Dank sagen. Für seinen unermüdlichen Einsatz zum Wohle der Kirche und zum Wohle Bargteheides.