In unserer Serie treffen wir Menschen auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Franz Thönnes, langjähriger SPD-Bundestagsabgeordneter.

Eine leichte Brise weht an den Timmerhorner Teichen in Ammersbek. Still ist es hier. Nur das Rauschen der Blätter ist zu hören. Ab und zu plätschert das Wasser, weil sich ein Fisch an die Oberfläche wagt oder Äste herunterfallen. Ansonsten: Ruhe. So hat es Franz Thönnes gern. Der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete sitzt hier oft, aufs Wasser blickend, den Alltag vergessend. Mal alleine, mal mit seiner Frau und seinem Hund. Die Atmosphäre erinnert ihn an Skandinavien – jenen Teil der Welt, in den er sich, wie er sagt, vor vielen Jahren verliebt hat.

Orte wie diese, die der Entspannung, der Ruhe dienen, braucht Thönnes. „Es ist wichtig, sich zwischendurch mal nur auf sich selbst zu konzentrieren, die Seele baumeln zu lassen“, sagt der 61-Jährige. „Dadurch wird der Akku wieder aufgeladen.“ Und das sei in seinem Berufsfeld dringend nötig. Neben seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses agiert Franz Thönnes unter anderem als Leiter des Russland-Gesprächskreises der SPD, er war Parlamentarischer Staatssekretär im Arbeitsministerium und ist Mitglied der Ostseeparlamentarierkonferenz.

Dementsprechend voll ist der Kalender des Ammersbekers. Vorletzte Woche standen Termine in Kiew, Moskau und Berlin auf dem Programm, einige Tage später ging es zurück in den eigenen Wahlkreis nach Bargteheide. Dort sprach Thönnes mit Bürgermeister Henning Görtz über die Flüchtlingsproblematik (wir berichteten). „Örtliche Präsenz ist gerade bei diesem Thema sehr wichtig“, sagt er. Als besonders lobenswert sieht der 61-Jährige das ehrenamtliche Engagement an, das Flüchtlingen im Kreis Stormarn entgegengebracht wird.

Geboren und aufgewachsen ist Franz Thönnes in Essen. „Inzwischen bin ich aber hier im Norden verwurzelt“, sagt er und lächelt ein warmes, freundliches Lächeln. „Aus dem Land zwischen den Meeren bekommt mich heute auch keiner mehr weg.“ Es war sein Job, der Thönnes im Jahr 1980 nach Schleswig-Holstein führte. Damals war er Gewerkschaftssekretär der IG Chemie-Papier-Keramik in Hamburg, bei der auch seine Frau in Hannover angestellt war. Gemeinsam zog das Ehepaar nach Delingsdorf. Dort wurde Thönnes Mitglied im Vorstand des SPD-Ortsvereins. Später stieg er zum Kreisvorsitzenden und schließlich zum Kreistagsabgeordneten auf. Schon seit 1994 ist Franz Thönnes Mitglied des Deutschen Bundestages.

Fragt man den Familienvater, wie er zur Politik gekommen ist, denkt er erst lange nach, zögert dann kurz, und holt schließlich weit aus. „Es gab wohl zwei Auslöser für meinen politischen Werdegang“, sagt er. Den einen, so Thönnes, habe er erst als Erwachsener als solchen erkannt. „Ich hatte gerade die Grundschule abgeschlossen“, erzählt der Politiker. „Trotz passablen Zeugnisses wollte mir meine Lehrerin keine Realschulempfehlung geben.“ Dagegen wehrten sich Thönnes´ Eltern. Mit Erfolg. „Ihrem Einsatz habe ich zu verdanken, wer ich heute bin“, sagt er.

Franz Thönnes lernte seine Ehefrau schon als Jugendlicher kennen

Der zweite Auslöser habe sich nach Thönnes´ Ausbildung zum Industriekaufmann ereignet, als er gerade 18 Jahre alt war. „Ich war Mitglied in der Jugendvertretung“, sagt er. „Die Geschäftsführung wollte damals einen Beurteilungsbogen für Mitarbeiter einführen. Man sollte zum Beispiel anhand des äußeren Erscheinungsbildes bewertet werden oder danach, wie ordentlich der Schreibtisch ist.“ Thönnes war, wie viele andere Auszubildene, mit diesen Kriterien nicht einverstanden, rief, um gegen sie vorzugehen, zur Jugendversammlung auf. „Nach monatelangen Verhandlungen konnten wir einen Kompromiss erreichen“, sagt er mit einem Anflug von Stolz in der Stimme. Durch dieses kleine, erste Erfolgserlebnis habe er etwas für ihn wichtiges festgestellt: „Zum einen, dass man sich nicht alles gefallen lassen darf und muss. Und zum anderen, dass es mir Spaß gemacht hat, mich für die Interessen anderer einzusetzen.“ Der Bundestagsabgeordnete: „Mit genug Engagement ist alles veränderbar.“

Dem fünfköpfigen Team der Jugendvertretung gehörte damals auch Thönnes künftige Frau Rita an. „Wir kennen uns schon seit wir 16 Jahre alt sind“, sagt er. „Wir haben im selben Betrieb gelernt. Sie unterstützt mich bei allem, was ich tue und andersherum.“ Ständige Geschäftsreisen und eine Menge Arbeit – dort wo andere Beziehungen womöglich zerbrochen wären, sei die des Ehepaar Thönnes gestärkt worden. „Auch meine Frau arbeitete viel, eine Zeit lang führten wir eine richtige Wochenendbeziehung“, erzählt er. „Aber unsere Arbeit ist das, was uns beide kennzeichnet, deswegen stand sie auch nie wirklich zwischen uns.“ Das Ehepaar hat zwei Söhne. Beide sind inzwischen ausgezogen „Nach der Geburt unseres Jüngsten sind wir von Delingsdorf nach Ammersbek gezogen“, sagt Thönnes. „Früher sind wir jedes Jahr zusammen nach Norwegen, Schweden oder Dänemark gefahren“. In das Land Norwegen habe sich der 61-jährige auf Anhieb verliebt. „Es ist einfach unbeschreiblich schön dort oben“, sagt er.

Neben seiner Leidenschaft zu Skandinavien ist der Bundestagsabgeordnete ein passionierter Ski-Langläufer und Segler. „Wir haben Freunde in Dänemark, die ein 80 Jahre altes Segelschiff besitzen“, sagt Thönnes. „Damit auf dem Wasser unterwegs zu sein, ist natürlich ganz besonders toll.“ Seine rare Freizeit verbringe der Politiker außerdem damit, zusammen mit seiner Frau zu kochen oder stundenlang Krimis zu lesen. „Aber nicht auf einem Tablet oder etwas ähnlichem“, sagt er. „Es muss ein richtiges Buch mit raschelnden Seiten sein, das man aufschlagen muss und weglegen kann.“

Um zu entspannen, geht der Familienvater auch mal im Duvenstedter Brook wandern. „Manchmal, wenn dort gerade mal kein Flug- oder Autolärm zu hören ist, erweckt das fast den Eindruck, als befinde man sich in der Natur Skandinaviens, sagt Thönnes lächelnd, während er in Gedanken versunken aufs Wasser blickt – hier, in der Ruhe an den Timmerhorner Teichen.