Bad Oldesloe. Bis zu 450 weitere Hilfesuchende muss der Kreis Stormarn nach neuer Prognose des Bundes 2015 aufnehmen. Kommunen sind in großerSorge.
Der Kreis Stormarn wird in diesem Jahr mehr Flüchtlinge aufnehmen müssen als erwartet. War die Kreisverwaltung in Bad Oldesloe bisher von 1620 Menschen aus Krisenregionen ausgegangen, die sie seit Januar und noch bis Ende Dezember auf die Kommunen verteilen muss, steigt die Zahl womöglich auf bis zu 2070. Grund ist eine neue Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, die Innenminister Thomas de Maizière am heutigen Mittwoch vorstellt. Sie geht nach Medienberichten von mindestens 650.000 Asylbewerbern, womöglich sogar 750.000 für Deutschland im Jahr 2015 aus. Bislang hatte die Bundesregierung offiziell mit 450.000 Antragstellern gerechnet.
Diejenigen Kreise in Deutschland, die sich an der Prognose der Bundesregierung orientiert hatten, trifft es noch härter als Stormarn. Denn die Behörde in Bad Oldesloe hatte ihre Zahlen auf eine Prognose des Landes Schleswig-Holstein mit rund 590.000 Flüchtlingen für die Bundesrepublik gestützt. „Was jetzt präsentiert werden soll, überrascht mich nicht“, sagt Edith Ulferts, Fachbereichsleiterin Soziales und Gesundheit bei der Kreisverwaltung. Sie führt das Team „Asyl“ an, das für die Verteilung der Hilfesuchenden zuständig ist. „Für unsere Kommunen, vor deren Arbeit ich großen Respekt habe, ist das eine große Herausforderung.“
In diesem Jahr hat der Kreis 683 Flüchtlinge auf die Kommunen verteilt
Immer freitags meldet sich das Land bei Ulferts und teilt ihr mit, wie viele Personen die Kreisverwaltung zehn Tage später in Stormarn unterzubringen hat – inklusive Nationalität und Namen. Die Flüchtlinge reisen dienstags mit der Bahn von Neumünster nach Bad Oldesloe und müssen sich zuerst bei der Ausländerbehörde melden, bevor sie von Ulferts und ihren Mitarbeitern in Empfang genommen werden.
683 Flüchtlinge haben 2015 in Stormarn ein neues Zuhause gefunden, zusammen beherbergen die Kommunen aktuell 1350. Bisher war Ulferts davon ausgegangen, bis Ende des Jahres weitere 937 Menschen zum Beispiel aus Syrien, dem Irak, oder Afghanistan im Kreis unterzubringen – nun könnten noch einmal 450 dazukommen.
Für viele Kommunen wird es also noch schwerer, ausreichend Wohnraum für die Hilfesuchenden zu schaffen. Ahrensburg bietet derzeit 159 Asylbewerbern Unterschlupf, 25 weniger als vom Kreis angedacht. 318 Flüchtlinge zum Jahresende hatte die Behörde in Bad Oldesloe für die rund 32.000 Einwohner zählende Schlossstadt prognostiziert. Tatsächlich muss sich Ahrensburg auf bis zu 405 einstellen.
Kommunen haben Probleme, ausreichend Wohnraum zu finden
„Wir sind beim Thema Unterbringung am Ende, da geht eigentlich nichts mehr“, sagt Bürgermeister Michael Sarach. An die gesetzlichen Verpflichtungen müsse sich die Stadt aber natürlich halten. Um die Problematik zu analysieren, traf er sich am Dienstagabend mit den Fraktionsvorsitzenden.
„2016 wird sich die Situation noch verschärfen“, fürchtet der Verwaltungschef, der zugleich einen Appell an die Bevölkerung richtet. „Wer in Ahrensburg Wohnraum zur Verfügung stellen kann, möge sich bitte ans Rathaus wenden.“
In Reinbek leben momentan 160 Flüchtlinge und damit vier mehr als vom Kreis gefordert. Um die bisherige Prognose von 269 zu erfüllen, mietet die Stadt Wohnungen an und baut derzeit für 50 Personen jeweils sechs Mobilheime am Freizeitbad sowie an der Feldstraße in Neuschönningstedt, die Mitte Oktober und Anfang November bezugsfertig sein sollen.
„Es wird so schon sehr knapp. Ich mache mir große Sorgen“, sagt Torsten Christ, Leiter des Amtes für Bürgerangelegenheiten. Sollten in Deutschland in diesem Jahr tatsächlich 750.000 Asylanträge gestellt werden, müsste Reinbek 74 Menschen mehr aufnehmen. Christ: „Sie können wir nur in Containern unterbringen.“ Man müsse jetzt zeitnah weitere Standorte schaffen. „Wir werden damit im September und Oktober in die Politik gehen“, sagt der Amtsleiter.
Bargteheide baut im September Mobilheime für bis zu 30 Personen
Für Bargteheide waren für Ende des Jahres 158 Flüchtlinge prognostiziert. Derzeit steht die Stadt mit fünf Aufnahmen im Minus. „Demnächst kommt eine Großfamilie, dann sind wir wieder im Plus“, sagt Bürgermeister Henning Görtz. Etwa die Hälfte der Hilfesuchenden bringt Bargteheide in stadteigenen Gebäuden unter. „Und zum Glück werden uns noch genügend Mietangebote gemacht“, so der Verwaltungschef. Im September startet der Bau von Mobilheimen mit Platz für bis zu 30 Personen. Görtz: „Wenn die Prognose jetzt erhöht wird und wir 30 bis 40 weitere Menschen aufnehmen müssen, wird das ein riesiger Kraftakt.“ Er sei aber optimistisch, dass die Stadt es schaffe.
Sorgen bereitet Bargteheides Bürgermeister der Blick ins kommende Jahr. „Es zeichnet sich ja nicht ab, dass die Zahlen zurückgehen. Ich befürchte, dass die Kommunen dann Alarm schlagen.“ Auch deswegen wünscht sich Kreisfachbereichsleiterin Ulferts, dass das Thema der sicheren Herkunftsstaaten geklärt wird. „Und zwar so, dass diese Gruppe erst einmal nicht umverteilt wird. Das betrifft Menschen aus Balkanstaaten wie Mazedonien oder dem Kosovo.“ Man habe eine extrem hohe Zahl von Menschen aus diesen Ländern, die nicht anerkannt würden. Ulferts: „Hier könnten die Verfahren beschleunigt werden.“