In unserer Serie treffen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: der langjährige Geschäftsführer und Vorsitzende des Vereins Jordsand.
Ahrensburg. Wenn er Zeit hat, schnappt sich der Vorsitzende des Vereins Jordsand, Uwe Schneider, sein altes Fernglas und geht hinaus an den Teich, der gleich hinter dem Vereinsdomizil, dem Ahrensburger Haus der Natur, zwischen alten Bäumen liegt. Dort setzt er sich an einer kleinen Lichtung auf einen dicken, durchgesägten Baumstamm ans Ufer. Das ist seine Lieblingsbank. Eine harte Bank ohne Polster und Lehne, aber dafür mit einem einmaligen Ausblick: Von hier hat Schneider freien Blick auf das Gewässer, auf Kraniche, Haubentaucher und ein Eisvogelpärchen samt Nachwuchs.
Schneider und Wasser, das ist eines. Der junge Uwe Schneider kommt in Blankenese zur Welt und fährt, wie sein Vater auch, zur See. Bereits im Alter von 24 ist er Kapitän. Von der Schiffsbrücke aus beobachtete er die Seevögel. 1965 tritt er in den Verein Jordsand ein. 1976 wird er zum ersten Mal dessen Vorsitzender, drei Jahre lang, bis 1979. Dann wechselt er die Seiten und wird erster hauptamtlicher Geschäftsführer in der Vereinsgeschichte. 2004 geht er in Rente, wird wieder Vorsitzender – und „macht den Geschäftsführer nebenbei mit“. Mittlerweile ist Uwe Schneider fast 70 Jahre alt.
Er schaut hinaus auf den See. Dorthin, wo „die Piepmätze“ sind, wie er Vögel gern nennt. Auch sie haben ihn schon so lange begleitet. Schneider und Piepmätze, auch das ist längst eines. Seine Name und der Verein Jordsand, der sich für den Schutz der Seevögel an Nord- und Ostsee einsetzt, sind seit Jahrzehnten untrennbar miteinander verbunden. Uwe Schneider ist der Verein Jordsand. Eine Trennung zwischen der Privatperson und dem Ornithologen gibt es schon lange nicht mehr.
Der Verein betreut 23 Reservate in vier Bundesländern. 20 Zivildienstleistende, zwölf „FöJler“ (freiwilliges ökologisches Jahr), etwa 200Praktikanten aus aller Welt pro Jahr, drei Heidschuckenherden mit mehr als 150 Tieren und natürlich unzählige Vögel, die immer wieder beobachtet und gezählt werden. Das ist seine Welt. Schneider muss das alles organisieren. Sein eigentliches Arbeitsgerät ist daher mittlerweile das Telefon – und schon lange nicht mehr das Fernglas. Immer wieder muss er Unterlagen ausfüllen. Anträge stellen. Erlaubnisse einholen. „Die Behörden nagen alle an Paragrafen herum“, sagte Uwe Schneider. Er muss auch die Finanzierung des Vereins sicherstellen. „Wir bekommen nur etwa zehn Prozent als Zuschuss. Alle Zivis und FöJler müssen aber auch was essen.“
Schneider ist stets auf der Suche nach Spenden. Versucht, Mitglieder zu gewinnen. „Alle kommen her und loben unsere Arbeit. Davon können wir uns aber nichts kaufen“, sagt er.
Der Papierkram blockiere die eigentliche Arbeit. Das nervt Schneider. Einige der betreuten Reservate haben eine „sechsfache juristische Abdeckelung“ – Stadt, Kreis, Land, Bund, EU, Weltkulturerbe – mit jeweils anderen Anforderungen und Auflagen. „Den Wattwurm interessiert das nicht. Und manchmal ist gar kein Piepmatz mehr da, ehe wir alle Formulare ausgefüllt haben. Wir verwalten uns zu Tode – auch im Naturschutz.“ Schneider ist bekannt für seine direkte Art, für deutliche Worte. Er schaut wieder durch das Fernglas. Das beruhigt.
Doch zurück zu den Piepmätzen: Worin denn der Artenrückgang begründet liege? Vielleicht in der Klimaerwärmung? Schneider winkt ab. „Das Wort kann ich nicht mehr hören. Dieses ständige Negative, das einem andere einreden wollen. Dieser Pessimismus.“ Seiner Meinung nach gibt es da immer mehrere Faktoren. Und würde der Meeresspiegel der Nordsee um zwei Meter ansteigen, wäre seine Arbeit „komplett sinnlos“. Die Halligen und Vogelbrutgebiete gäbe es dann nicht mehr. Als sinnlos will er seine Arbeit aber nicht abstempeln. „Außerdem sind wir einfach viel zu viele Menschen auf der Erde – aber niemand will hier weg.“ Dann nimmt er wieder das Fernglas vor die Augen und schaut hinüber zu dem jungen Kranich, der auf einem Ast vor der Weide sitzt. Das kann doch nicht sinnlos sein?
Seit 1981 hat der Verein seine Geschäftsstelle im Haus der Natur im Ahrensburger Ortsteil Wulfsdorf. Seit ein paar Jahren gehört das Haus, ehemals in Hamburger Staatsbesitz, dem Verein. Auch dafür hat Schneider zäh gekämpft, um den Kaufpreis gefeilscht und um Zuschüsse geworben. Vor ein paar Jahren bei einer Wattwanderung in der Nordsee mit Ole von Beust und Peter-Harry Carstensen nahm er sich die beiden Politiker beiseite. Der Durchbruch.
„Das war ein richtiger Kampf – spannender als eine Scheidung“, sagt er rückblickend. Apropos Scheidung. Uwe Schneider wohnt mit seiner zweiten Frau in dem Haus. Er sagt: „Ich will keine dritte Ehe, denn jede dritte Ehe geht laut Statistik in die Brüche.“ Das ist einer dieser Witze, die ganz nach seinem Geschmack sind.
Und was wünscht sich Uwe Schneider für die Zukunft? „Ich brauche Tischler und Elektriker – junge Leute, die anpacken und auch was können. Mit Kettensägeschein.“ Auf den Halligen und Beobachtungsstellen gibt es immer viel zu reparieren. Die meisten Bewerber sind handwerklich aber kaum talentiert. Ornithologische Kenntnisse bringe auch kaum jemand mit: „Es gibt keine Hobby-Ornis mehr. Zaunkönig oder Gänseblümchen erkennen die meisten Jugendlichen doch schon gar nicht mehr.“
Daher findet er den geplanten Kastenschnitt der Linden in Ahrensburg auch so „zeitgemäß“ – weil die Natur wenigstens gleich in ein monitorfreundliches Format gebracht werde. „Das muss Jugendlichen doch nun wirklich gefallen.“
Alle bisher erschienenen und auch die künftigen Folgen der Serie Bank-Geheimnisse finden Sie im Internet unter
www.abendblatt.de/stormarn