In unserer Serie treffen wir Menschen aus Stormarn auf ihrer Bank. Heute ist es in Barsbüttel der Chef der Kreisverwaltung.
Barsbüttel. Klaus Plöger auf einer Bank? Natürlich, es gibt eine Bank in seinem Barsbütteler Garten. Aber man hat nicht den Eindruck, dass sie wirklich benutzt wird. Es passt einfach nicht. Plöger (60), seit 1998 Stormarns Landrat, sitzt nicht gern irgendwo fest. Selbst sein Ausruhen ist mit Bewegung verbunden: Er geht. "Um den Großensee rum oder den Lütjensee", sagt er. Bei jedem Wetter? "Wind macht mir nichts aus, Regen auch nicht. Wind und Regen sind grottig."
Schöner Satz. Ansonsten ist der Versuch, mit ihm über Dinge zu sprechen, die ihm allzu privat sind, schnell zum Scheitern verurteilt. Was er heute zu Frühstück gegessen habe? Plöger glaubt, sich verhört zu haben. "Was soll das denn?", knurrt er. Pause. "Schwarzbrot", sagt er.
Das passt nun wieder. Weiches Weißbrot oder pappige Brötchen hätten nicht gepasst. Man muss den Landrat nur mal bei offiziellen Anlässen reden hören: Es geht schnell, es ist zwischendurch lustig und es ist immer ein bisschen nassforsch. Das Wichtigste: Jede Rede ist ein kleiner Werbespot für Stormarn.
"Stormarn ist wie eine Marke", sagt Plöger. "Da muss man immer wieder sagen, dass wir hier gut sind. Das mache ich nun schon seit mehr als elf Jahren. Jetzt habe ich so langsam das Gefühl, dass sich das rumgesprochen hat. Das dauert eben."
Dass Klaus Plöger einen großen Teil seines Berufslebens als Lehrer vor Schulklassen gestanden hat, kommt ihm bei diesem "Eintrichtern" durchaus zugute. Er sieht das auch so. "Ob sie mit Jugendlichen oder mit Erwachsenen zu tun haben, die Strukturen sind immer dieselben. Sie haben in der Gruppe Gute und Schlechte, und die Schlechten müssen Sie motivieren, besser zu werden. Wenn Sie das schaffen, sind die Leute auch zufriedener." Wenn dann einer in der Gruppe "chaotisiert", habe der keine Chance, andere mitzureißen. "Die Zufriedenen sorgen automatisch für Stabilität."
Klingt einfach, ist es aber nicht. Und Unzufriedenheit entsteht ja auch immer wieder neu.
Da kommt dann wieder so ein nassforscher Satz von Plöger - politisch nicht korrekt, aber treffend: "Eine Bürgerinitiative kann manchmal schwieriger sein als eine verhaltensgestörte Schulklasse." Dieses Ruppige wirkt bei Plöger auf den ersten Blick dominant, ist es aber nicht. Es gibt da eine "pädagogische Klaviatur", auf der er spielt. "Man muss auch mal so tun, als ob man zornig ist. Aber man muss eben auch das Gegenteil beherrschen", sagt er. "Die Kunst ist es, die Leute mitzunehmen und eine Lösung zu finden, die sie akzeptieren. Früher habe ich mir immer vorgenommen: Mein Mathe-Unterricht muss spannender sein als Fernsehen. Am Ende sollen die Schüler sagen: Mathe ist ja doch nicht scheiße. Also müssen Sie rausfinden, wie die Leute ticken, wie Sie sie zum Mitmachen bringen. Das ist eigentlich nichts anderes als Diplomatie."
Angewendet zum Beispiel in der Kreisverwaltung. "Ich habe da jetzt ein viel besseres Team als zu Anfang", sagt er nach elf Jahren beharrlichen Umgestaltens. Hier eine Pensionierung genutzt ("Es gibt ja die Gnade des Ruhestands"), da eine Fortbildung verschrieben, da eine Umbesetzung verordnet. Und immer wieder gepredigt: "Wir haben Dienstleister zu sein."
Was er gut findet: Wenn seine Mitarbeiter mit den Kunden reden. "Wer zum Telefon greift und den Leuten erklärt, was geht und was nicht geht, der ist mir allemal lieber als jemand, der eine Aktennotiz nach der anderen schreibt", sagt er.
Wenn dann einer seine Leute lobt wie neulich der Lidl-Geschäftsführer beim ersten Spatenstich für das Zentrallager in Siek, dann freut sich Plöger so, wie sich eben einer freut, der mit Herzblut dabei ist.
Dabei hätte alles auch ganz anders kommen können. Wenn seine Frau nicht 1979 unbedingt einen Garten hätte haben wollen, wäre das Ehepaar vermutlich nie von Hamburg-Wandsbek nach Stormarn gezogen. Wenn ihn ein SPD-Genosse nicht auf dem stillen Örtchen gefragt hätte, ob er die SPD-Kreistagsfraktion leiten wolle, wäre er nicht stellvertretender Landrat geworden. Und wenn Stormarns Landrat Hans-Jürgen Wildberg nicht 1998 plötzlich keine Lust mehr gehabt hätte, sich der damals neuen Direktwahl zu stellen, wäre Plöger wohl nie Landrat geworden. "Ich wollte eigentlich auch nie Verwaltung machen, sondern Politik", sagt Plöger.
Jetzt, nach elf Jahren, hat er von Verwaltung noch längst nicht genug. Seine Amtszeit endet im kommenden Jahr, aber er tritt noch mal an. Obwohl er die Anstrengungen dieses Jobs deutlicher spürt als vor ein paar Jahren. "Als ich anfing, konnte ich mehr wegarbeiten", sagt er. "Das ist mein Leben, so unter Leuten, das stimmt schon. Aber mitunter kommen alle gleichzeitig. Man hört sich alles an und versucht zugleich schon, eine Lösung mitzudenken. Ab und zu ist da das Maß voll."
Dann geht er raus. Ab in die Barsbütteler Feldmark. Dann weiß er: "Man muss auch aushalten können, dass es manchmal keine Lösungen gibt." Dann findet der ansonsten Ungeduldige, dass er sich auch über kleine Fortschritte freuen darf. "Ich bin ja nicht blöd."
Vielleicht ist an solchen Sätzen am Besten abzulesen, dass aus dem Zufalls-Landrat längst ein Ernstfall-Landrat geworden ist. Und zugleich aus dem Stormarner aus Zufall ein Stormarner aus Überzeugung. Der mit Wucht darüber reden kann, was hier alles gut ist. Besonders, wenn es um Investitionen geht, um Arbeitsplätze. Dann wirkt er manchmal wie eine Kombination aus ein bisschen Heidi Klum, die als schwanengleicher Stormarn-Star berückt, und ganz viel Günter Jauch, der beharrlich die Standortvorteile des Kreises erklärt. Dann ist Stormarn besser als Fernsehen.
Aber das sagen wir dem Landrat jetzt nicht. Vermutlich guckt er sonst nur wieder streng und knurrt: "Was soll das denn?"