Nach 35 Jahren nimmt Werner Astemer Abschied - ein bisschen wenigstens. Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten - der gebürtige Hesse hat ungezählte Ahrensburger begleitet. In zwei Wochen wird er von seiner Kirche kräftig gefeiert.
Ahrensburg. Dieses Mal kommt er nicht umhin - einmal wird er im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Bei seiner Verabschiedung vom Küsteramt. Werner Astemer mag daran gar nicht denken, weder an den Rummel um seine Person, noch an das Ende seiner Berufszeit.
Jetzt sitzt er auf einer Bank im Garten der Schlosskirche, dem Gotteshaus, das ihm in 35 Jahren fest ans Herz gewachsen ist, das er kennt wie kein anderer. "Seine" Schlosskirche, in die er sich damals auf Anhieb verliebt hat. "Ich kam rein und dachte, sie ist so schön, hier möchte ich arbeiten", erzählt Werner Astemer. Und die Erinnerung verleiht seinem Gesicht für ein paar Sekunden etwas Schwärmerisches. 1974 war das, der gebürtige Hesse 30 Jahre alt und Küster in St. Stephanus in Hamburg-Eimsbüttel. Mit einer Seniorengruppe machte er einen Ausflug nach Ahrensburg, der mit einer Andacht in der Schlosskirche endete. Dass die Stelle in Ahrensburg gerade frei geworden war und sein Wunsch sich erfüllen sollte, wusste er zu diesem Zeitpunkt nicht. Das las seine Frau Heike ein paar Wochen später in einem Inserat im Hamburger Abendblatt. Am 1. Mai 1974 trat Werner Astemer den Dienst an.
Die Kirche habe sein Leben geprägt, sagt der Mann mit den kurzen silbergrauen Haaren und dem festen, offenen Blick. Von Jugend an fühlte er sich ihr verbunden, hat früh ehrenamtliche Aufgaben übernommen. Unter anderem den Küsterdienst in der St. Thomasgemeinde in Frankfurt am Main, den er neben seiner Tätigkeit als Terrazzo- und Kunststeinlegergeselle versah. In der Main-Metropole ist er aufgewachsen, geboren wurde er in Bad Homburg v. d. Höhe im Taunus. In Frankfurt hat er vor 42 Jahren seine Heike geheiratet, 1971 sind sie in ihre Heimat nach Hamburg gezogen, weil er hier als hauptamtlicher Küster Arbeit fand. Astemer: "Den Anstoß hat mir der Pastor meiner Heimatgemeinde gegeben. Nur eine Stelle konnte er mir nicht bieten."
In Ahrensburg hat man ihn anfangs mit leichter Skepsis begutachtet: "Der Hesse, kann der das auch?" Schnell ist das einer anderen Frage gewichen: "Werner, kannst du mal helfen?" Er war immer zur Stelle, wenn irgendwo der Schuh drückte. Sprang nachts aus dem Bett, wenn die Kirchenglocken aufgrund eines Fehlers in der Automatik läuteten - und er ließ sich nie lange bitten, wenn es darum ging, noch eine Hochzeit oder eine Taufe vorzubereiten. Mit Disziplin, Gewissenhaftigkeit und Verlässlichkeit hat er sein Amt versehen. "Küster ist mein Traumberuf. Nein, eigentlich ist es eine Berufung", sagt er. Ein Küster sei das Verbindungsglied zwischen der Gemeinde und dem Pastorat. Das sei eine Vertrauensstellung. Er muss alle Gottesdienste und Feiern in der Kirche und Veranstaltungen im Gemeindesaal vorbereiten. Er legt die Gesangbücher bereit, organisiert den Blumenschmuck, zum Erntedank die Krone, zu Weihnachten den Tannenbaum. Er stellt Stühle für den Chor oder für Konfirmanden auf, lässt den Taufengel herab und wärmt das Taufwasser auf. Von seinem Platz auf der Bank neben dem Altar hat er einen guten Blick über das Kirchenschiff, steuert von seinem Schaltpult die Lautstärke der Mikrofone. Zugleich ist er Hausmeister für die Gebäude der Kirche und kümmert sich um die Grünanlagen. 40 Prozent seiner Arbeitszeit nehmen diese Tätigkeiten ein. "Aber im Mittelpunkt meiner Arbeit stehen die Menschen. Sie sollen sich bei uns wohl fühlen", sagt Astemer. Die größte Sünde wäre für ihn, würde er etwas vergessen. Da kommt er lieber rechtzeitig und kann richten, was zu richten ist. Die Kerzen zurecht rücken oder, wenn sie ausgegangen sind, ersetzen. Auch die Zeit für einen kleinen Klönschnack mit den Besuchern vor den sonntäglichen Gottesdiensten ist ihm heilig.
Sechs Pastoren hat Werner Astemer in den 35 Jahren an der Schlosskirche erlebt, Hunderte von Konfirmanden betreut. "Ich war bei ihrer Konfirmation dabei. Inzwischen habe ich von vielen die Hochzeit und später die Taufe ihrer Kinder miterlebt", sagt er. Für ihn zählte immer, dass alles gut lief. Zur Belohnung gönnte er sich immer hinterher eine Tasse Kaffee.
Er selber hat mit Ehefrau Heike vier Kinder groß gezogen. Sie haben auf den Vater oft verzichten müssen. An den Feiertagen musste er arbeiten. Wenn er jetzt in den Ruhestand geht, kann er zumindest mit seiner Ehefrau künftig den Heiligabend zusammen verbringen.
Apropos Ruhestand: Er freue sich darauf, nicht mehr immer auf dem Sprung zu sein, nicht mehr nach der Uhr zu leben, seine Freizeit planen zu können. "Wenn mir danach ist, setze ich mich auf die Terrasse und lasse den lieben Gott einen guten Mann sein", sagt Werner Astemer und muss schmunzeln. Denn auf seine Schlosskirche wird er natürlich nicht ganz verzichten. Gruppen und Schulklassen wird er auch künftig durch das 450 Jahre alte Gotteshaus führen und ihnen die Geschichte des Grafengestühls, der Kanzel, des Altars und des Glockenturms auf seine ihm eigene, humorvolle Art erzählen. Auch bei der Ahrensburger Tafel will er mithelfen und zur Blutspende gehen, so, wie er es schon seit Jahren macht. Wenn er nur erst seine Verabschiedung hinter sich hätte, sagt ein bescheidener Werner Astemer, der sich lieber ohne viel Aufsehens "verdrückt hätte". Die ist am Sonntag, 12. Juli, um 11 Uhr.