Großhansdorf. Großhansdorf setzt Videoüberwachung im Kampf gegen illegale Müllentsorgung ein. Datenschützer prüfen, ob Vorgehen rechtens ist.
Die Videoüberwachung der Müllcontainer am Waldreiterweg in Großhansdorf verstößt möglicherweise gegen das Datenschutzrecht. Wie Schleswig-Holsteins Landesdatenschutzbeauftragte Marit Hansen auf Anfrage informierte, prüft die Behörde derzeit entsprechende Vorwürfe. Vorausgegangen sei die Beschwerde eines Bürgers.
„Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Wir befinden uns im Austausch mit der Gemeinde“, sagt Hansen. Es gebe noch keine abschließende Bewertung zu dem Fall. Großhansdorfs Bürgermeister Janhinnerk Voß bestätigt, dass die Waldgemeinde wegen der Überwachungskameras mit dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) in Kontakt steht.
Datenschutzbeschwerde: Behörde prüft Kameras an Müllcontainern in Großhansdorf
„Wir haben vom ULD Ende März einen Fragenkatalog erhalten, den wir sehr umfangreich beantwortet haben“, sagt der Verwaltungschef. Ende Mai habe die Behörde weitere Fragen an die Gemeinde gerichtet, auch diese habe die Verwaltung zeitnah beantwortet. „Seitdem haben wir keine weitere Rückmeldung erhalten“, sagt Voß.
Großhansdorf setzt seit Mai 2022 als erste Gemeinde in der Region Kameras im Kampf gegen Müllsünder ein. Zuvor hatten immer wieder Unbekannte große Mengen Sperrmüll und anderen Abfall illegal neben den Containern am Waldreiterweg abgeladen. Rund 3600 Euro hat die Installation der Kameras gekostet.
Beseitigung des illegalen Abfalls kostet rund 400.000 Euro im Jahr
Für das Pilotprojekt arbeitet die Gemeinde eng mit der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) zusammen. Das Unternehmen beklagt seit Jahren eine Zunahme der illegalen Abfallablagerung im Umfeld ihrer Containerdepots. Die Kosten für die Beseitigung des Mülls seien auf inzwischen bis zu 400.000 Euro im Jahr gestiegen.
Auch andere Städte und Gemeinden hatten in der Vergangenheit im Kampf gegen Müllsünder den Einsatz von Kameras erwogen. Wegen datenschutzrechtlicher Bedenken schreckten sie jedoch davor zurück. Die Großhansdorfer Verwaltung hatte sich nach Angaben des Bürgermeisters zuvor intensiv mit dem Thema befasst und auch Rücksprache mit der Datenschutzbeauftragten gehalten, welche die Waldgemeinde gemeinsam mit der Nachbarstadt Ahrensburg beschäftigt.
Datenschutzbeauftragte der Gemeinde hatte keine Bedenken
„Es gab aus ihrer Sicht keinen Anlass zur Beanstandung, die Sache war vollkommen klar“, sagt Voß. Die Gemeinde argumentiert, die Videoüberwachung sei angesichts der immensen Kosten für die Beseitigung des illegalen Abfalls, welche letztlich alle Bürger tragen müssten, verhältnismäßig. Zudem halte sich die Verwaltung an strenge Vorgaben. So könne das Rathaus das Bildmaterial nur anlassbezogen bei der Lübecker Sicherheitsfirma abfragen, welche die Kameras betreibt. Auch sei nur eine Person in der Verwaltung dazu befugt. Nach sieben Tagen würden die Aufnahmen automatisch gelöscht.
Die zwei Kameras am Waldreiterweg werden per Solarzelle mit Energie versorgt und per Bewegungsmelder aktiviert. Eine Hinweistafel klärt über die Videoüberwachung und die Rechte der Betroffenen auf. Die FDP beanstandet, dass auch Personen und Autos gefilmt würden, welche den Containerstandort lediglich passierten, ohne die Behälter zu benutzen. „70 bis 80 Prozent der Aufnahmen haben nichts mit den Containern zu tun“, kritisierte der damalige Fraktionschef Hans-Karl Limberg im Januar.
Verwaltung wertet das Pilotprojekt ebenso wie CDU, Grüne und SPD als Erfolg
CDU, Grüne und SPD werten das Pilotprojekt dagegen ebenso wie die Verwaltung als Erfolg. Seit der Installation der Kameras sei es zu keinen größeren illegalen Müllablagerungen gekommen. Es wird sogar über eine Ausweitung der Überwachung auf andere Containerstandorte diskutiert.
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Auch andere Kommunen, darunter Delingsdorf, Hoisdorf und Oststeinbek befassten sich mit dem Thema. Letztgenannte Gemeinde hat jüngst gegen Kameras gestimmt, nachdem die Verwaltung empfohlen hatte, die Bewertung des Großhansdorfer Projektes durch das Datenschutzzentrum abzuwarten. Erst dadurch war die Prüfung durch die Behörde bekanntgeworden.
Datenschutzzentrum könnte Abschaltung der Kameras verfügen
„Ich habe den Bürgermeisterkollegen geraten, entsprechende Vorhaben zurückzustellen, bis wir Klarheit haben, ob die Überwachung in der Form rechtens ist“, sagt Großhansdorfs Bürgermeister Janhinnerk Voß. Die Videoüberwachung am Waldreiterweg laufe zunächst unverändert weiter.
Sollte das ULD zu dem Ergebnis kommen, dass die Gemeinde mit den Kameras gegen das Datenschutzrecht verstößt, könnte das unterschiedliche Konsequenzen haben. „Die möglichen Maßnahmen des ULD als Datenschutzaufsichtsbehörde können Hinweise, Warnungen, Verwarnungen oder Anordnungen sein“, sagt Chefin Hansen. Denkbar sei, dass die Behörde Änderungen in der Verarbeitung des aufgenommenen Materials anordne, aber auch, dass eine vollständige Abschaltung der Kameras verfügt werde.
Verhängen einer Geldbuße gegen die Gemeinde ist nicht möglich
Nicht möglich sei hingegen das Verhängen einer Geldbuße gegen die Gemeinde. „Unternehmen haben ein Bußgeld-Risiko, Behörden in Deutschland nicht“, erklärt Hansen. Allerdings könnten Bürger in bestimmten Fällen vor einem Gericht zivilrechtlich Schadenersatzansprüche gegenüber der Kommune geltend machen.