Ahrensburg. Nach 41 Jahren zieht sich Ahrensburgs früherer Bürgervorsteher Matthias Stern aus Politik zurück. Warum er in der CDU als Rebell galt.
Schulterlanges, graues Haar, offenes Hemd statt Anzug, lockerer Umgangston – Matthias Stern ist so ziemlich das Gegenteil des typischen CDU-Politikers. Und doch ist der 68-Jährige den Konservativen seit mittlerweile 51 Jahren treu. 41 davon war er für die CDU in Ahrensburg Stadtverordneter.
Zuletzt war Stern von August 2022 bis Juni Bürgervorsteher seiner Heimatstadt. Nun zieht er sich aus der Kommunalpolitik zurück. Zu Beginn der Stadtverordnetenversammlung am Montag hat Bürgermeister Eckart Boege den 68-Jährigen für seinen Einsatz gewürdigt und offiziell verabschiedet.
Ahrensburger Matthias Stern: Der Mann, den Kohl verhindern wollte
„Ich war immer gern Stadtverordneter, aber in den letzten fünf Jahren habe ich gemerkt, dass ich müde bin“, sagt Stern über seinen Rückzug. Zur Kommunalwahl am 14. Mai war der 68-Jährige zwar wieder angetreten, aber im für die CDU schwierigen Wahlkreis 9 im Stadtteil Wulfsdorf, der eine Hochburg der Grünen ist. „Das war eine bewusste Entscheidung, ich habe es nicht auf eine Wiederwahl angelegt“, sagt er.
Begonnen hat Stern seine politische Karriere Mitte der 1970er-Jahre mit 17 Jahren als Vorsitzender des Ahrensburger Ortsverbands der Jungen Union. Die 68er-Bewegung trieb ihn in die Politik. „Mein Vater war Professor für Forstgenetik in Göttingen und hat mit den Aktivisten um Rudi Dutschke sympathisiert“, erzählt Stern. „Und als Jugendlicher habe ich natürlich genau das getan, was mein Vater doof finden würde, und bin der CDU beigetreten.“
Seit 1974 ist der 68-Jährige in der CDU-Fraktion aktiv
1974 wurde Stern Bürgerliches Mitglied der Ahrensburger CDU-Fraktion. Im Ortsverband habe es zunächst heftigen Widerstand gegeben gegen den jungen Mann mit dem wallenden, schwarzen Haar gegeben, dem schon damals der Ruf eines „Rebellen“ anhaftete.
„Es gab eine Stadträtin, die hat mit Händen und Füßen gegen meine Mitgliedschaft interveniert. Für sie hatten nur Terroristen langes Haar“, sagt Stern und schmunzelt. 1978 wurde der Nachwuchspolitiker dennoch erstmals in die Stadtverordnetenversammlung gewählt.
Mit einer Bürgerinitiative stellte sich Stern gegen Bürgermeister und Partei
Zu seinem Ruf beigetragen hat sicherlich auch, dass sich der Neuling gleich bei einem großen Projekt gegen die Parteilinie stellte: Als stellvertretender Vorsitzender einer Bürgerinitiative kämpfte der Jugendliche gegen eine vierspurige Brücke, die in der Innenstadt über die Bahngleise führen sollte. Das Vorhaben wurde auch vom damaligen Bürgermeister Manfred Samusch forciert. Gemeinsam mit Stern stemmten sich mehr als 6000 Bürger dagegen, es war die bis heute größte Initiative der Stadtgeschichte.
Und sie hatte Erfolg: Statt des „Monsters“ weihte Samusch im Juni 1990 den Woldenhorn-Tunnel ein, der noch heute beide Seiten der Gleise miteinander verbindet. „Rückblickend war das wahrscheinlich mein wichtigster Erfolg, der mich auch dazu ermutigt hat, so lang am Ball zu bleiben“, sagt Stern.
Der Ahrensburger setzte sich für Jugendzentrum und Bauspielplatz ein
Trotz des „Rebellen-Images“ habe er vehemente Fürsprecher im CDU-Ortsverband gehabt. Denn auch an anderer Stelle hatte der Ahrensburger von sich Reden gemacht. Gemeinsam mit Mitstreitern machte er aus der früheren Marktschenke auf dem Wochenmarkt, der damals auf der Alten Reitbahn stattfand, ein Jugendzentrum. Daraus entwickelte sich später das JuKi 42 auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Und auch ein anderes Projekt, dessen Treiber der junge Stern war, richtete sich an Kinder und Jugendliche: 1973 entstand unweit des U-Bahnhofs Ahrensburg West ein Bauspielplatz. „Einer der ersten seiner Art in Deutschland“, wie der 68-Jährige gern betont. Aus ihm entstand das Familienzentrum Blockhaus, das im September sein 50-jähriges Bestehen feiert.
Sterns Mutter wünschte sich für ihren Sohn ein Medizinstudium
Die besondere Nähe zu den Wünschen und Bedürfnissen der Jugend war bei Stern auch beruflich bedingt. Bis zu seiner Pensionierung vor drei Jahren unterrichtete er zwölf Jahre lang an der Ahrensburger Stormarnschule Mathematik und Geschichte. Zuvor stand Stern bereits 13 Jahre am Emil-von-Behring-Gymnasium in Großhansdorf an der Tafel.
Dabei hatte seine Mutter eigentlich ganz andere Pläne für ihren Sohn. Medizin sollte er studieren. „Sechs Jahre lang habe ich mich erfolglos beworben“, sagt Stern. Der damalige Direktor des Heimgarten-Gymnasiums, Ludwig Gerstenkorn, habe ihn dann als Aushilfslehrer an seine Schule geholt. „Nach der zweiten Stunde habe ich entschieden, mich nie wieder für Medizin zu bewerben.“
Seine Lebenspartnerin lernte er während des Referendariats kennen
Der Lehrerberuf brachte dem 68-Jährigen nicht nur das berufliche Glück, sondern auch das private. Seine Lebenspartnerin Anne Hengstler, mit der er eine Tochter und einen Sohn hat – letzterer ist ebenfalls Lehrer –, lernte er während des Referendariats in Quickborn kennen. Das Paar unterrichtete später jahrelang gemeinsam an der Stormarnschule. Bis heute sind beide nicht verheiratet, leben, wie sich das für einen „Rebellen“ gehört, in „wilder Ehe“.
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Dennoch gab es einen Moment, in dem Stern bereit war, den Lehrerberuf an den Nagel zu hängen. Mitte der Achtzigerjahre unter Gerhard Stoltenberg engagierte sich der Ahrensburger im CDU-Landesverband, der Sprung zum Berufspolitiker schien zum Greifen nah. Verhindert hat ihn letztlich ein Mann: Helmut Kohl. „Ich hatte auf einem Parteitag einen Disput mit ihm, das war damals quasi Majestätsbeleidigung“, sagt Stern.
Helmut Kohl verhinderte eine Landtagskandidatur des Ahrensburgers
Kohl, dessen Atem „bis in den kleinsten Ortsverband“ reichte, habe seine Ambitionen für eine Landtagskandidatur im Keim erstickt. Stern ging stattdessen gemeinsam mit seiner Frau und der sechs Monate halten Tochter nach Pretoria, Südafrika, wo das Paar von 1992 bis 1995 an der Deutschen Schule unterrichtete. Es waren die einzigen Jahre seines Lebens, die der 68-Jährige nicht in Ahrensburg verbrachte.
Nach seiner Rückkehr machte Stern als Stadtverordneter weiter. Als nach dem Tod des langjährigen Bürgervorstehers Roland Wilde (CDU) im Mai 2022 kurzfristig ein Nachfolger für die verbleibende Zeit bis zur Kommunalwahl gesucht wurde, sprang der 68-Jährige ein.
Als Bürgervorsteher war Stern für stringente Sitzungsleitung bekannt
Als Bürgervorsteher war Stern vor allem für seine stringente Sitzungsleitung bekannt. Unter seinem Vorsitz war eine Zusammenkunft des Kommunalparlamentes trotz umfangreicher Tagesordnung nicht selten nach unter einer Stunde vorbei. „Alles eine Sache der Vorbereitung“, sagt der 68-Jährige.
„Wenn wir nicht zielorientiert arbeiten, verlieren wir die jungen Leute“, ist er überzeugt. Eltern mit kleinen Kindern zu Hause und anstrengenden Berufen hätten weder die Zeit noch die Kraft, am Ende eines langen Tages noch stundenlang in Ausschüssen zu diskutieren.
Trotz hohem Amt sah man den 68-Jährigen selten im Anzug
Auch als höchster politischer Würdenträger blieb Stern seinem Stil treu. Die Sprechstunde des Bürgervorstehers verlegte er kurzerhand von seinem Dienstzimmer im Rathaus in sein Lieblingskaffee am Rondeel, wo der 68-Jährige mehrfach die Woche anzutreffen ist. Im Anzug sah man den Ahrensburger auch bei offiziellen Anlässen selten. Denn Matthias Stern ist auch nach einem halben Jahrhundert in der CDU ein „Rebell“ geblieben.