Ahrensburg. Christdemokrat Matthias Stern mag es unkonventionell. Doch in Sitzungen legt er Wert auf stringente Abläufe.

Die Ahrensburger Stadtverordneten haben Matthias Stern (CDU) mit großer Mehrheit zum neuen Bürgervorsteher gewählt. Quer durch alle Parteien erhielt der 67 Jahre alte pensionierte Oberstudienrat Zustimmung. Er selbst enthielt sich ebenso wie zwei Vertreter der Linken-Fraktion, aus der auch die einzige Gegenstimme kam. Stern ist Nachfolger seines Parteikollegen Roland Wilde, der Ende Mai nach schwerer Krankheit im Alter von 72 Jahren gestorben war.

Lange graue Haare, offenes Hemd statt Anzug, lockerer Umgangston: Schon in jungen Jahren verpasste die eigene Partei Matthias Stern den Beinamen „Rebell“. Und tatsächlich hat Stormarns größte Stadt (rund 34.500 Einwohner) nun den wohl ungewöhnlichsten Mann im höchsten kommunalpolitischen Ehrenamt landesweit. Dass er bei aller Unkonventionalität viel von einem stringenten Sitzungsablauf hält, zeigte er gleich, nachdem er die Glückwunsch-Blumensträuße zur Seite gelegt hatte. „Ich danke für Ihr Vertrauen“, sagte Stern, „und möchte jetzt eigentlich zügig weitermachen.“

Ein Disput mit Helmut Kohl beendete den Weg zum Berufspolitiker

Ganz so eilig hatte er es dann doch nicht: Vor dem Einstieg in die restliche Tagesordnung dankte er seinem Stellvertreter Horst Marzi (Grüne) für dessen Einsatz. Marzi hatte die Aufgabe, zu der Repräsentationstermine ebenso zählen wie die Sitzungsvorbereitung, in der Übergangszeit seit Mai übernommen. Danach ging es „in medias res“, so der frühere Lehrer für Mathematik und Geschichte. Stern gab auch Bürgermeister Eckart Boege vor dessen Bericht mit auf den Weg: „Er hat versprochen, das knackig zu machen.“ Da lediglich Formalitäten folgten, war Sterns Premierenabend tatsächlich schon nach einer Viertelstunde beendet.

Mit 17 übernahm Matthias Stern den Vorsitz der Jungen Union in seiner Heimatstadt. Schon damals war er bei einem Großprojekt nicht auf Parteilinie: Als stellvertretender Vorsitzender einer Bürgerinitiative kämpfte der Jugendliche gegen eine vierspurige Brücke, die in der Innenstadt über die Bahngleise führen sollte. Mit Erfolg: Statt des „Monsters“ wurde ein Tunnel gebaut. „Das war sicher ein Auslöser dafür, mich so lange in der Kommunalpolitik zu engagieren.“

1978 wurde er in die Ahrensburger Stadtverordnetenversammlung gewählt

Dabei wollten einige Parteigranden den langhaarigen jungen Mann – „Wer so aussah, galt damals automatisch als Kommunist oder Terrorist“, sagt Stern lächelnd – überhaupt nicht in der CDU haben. Es habe sogar schriftliche Einwände gegen seine Aufnahme gegeben. Auf der anderen Seite habe er aber vehemente Fürsprecher gehabt – und so arbeitete Stern bereits als 19-Jähriger in der Fraktion mit. 1978 wurde er schließlich in die Stadtverordnetenversammlung gewählt.

Dass dem Ahrensburger der naheliegende Sprung zum Berufspolitiker verwehrt blieb, liegt für ihn rückblickend vor allem an einem Mann: Helmut Kohl. Anfang der 1990er-Jahre wollte Stern für den Landtag kandidieren, hatte zuvor beim Parteitag allerdings „einen Disput“ mit dem damaligen Bundeskanzler. Dieser vergaß seinen Kritiker aus dem hohen Norden offenbar nicht. „Kohls Atem reichte bis in den kleinsten Ortsverband“, sagt Stern, dessen Landtags-Ambitionen sodann im Keim erstickt wurden.

Das Lehrerpaar ging an die Deutsche Schule nach Südafrika

Wenig später erledigte sich das Thema von selbst. Matthias Stern und seine ebenfalls als Lehrerin tätige Partnerin Anne Hengstler bekamen die Chance, an die Deutsche Schule nach Südafrika zu wechseln. Dort unterrichteten beide von 1992 bis 1995, dort kam ihr zweites Kind zur Welt. „Als Berufspolitiker ist man sehr viel unterwegs und selten zu Hause, das wollte ich nicht“, sagt Stern. Also machte er nach der Rückkehr nach Deutschland als Stadtverordneter weiter.

Dort sind ihm klare Abläufe wichtig. „Wenn wir nicht zielorientiert arbeiten, verkommen die Gremien zu Rentnerparlamenten“, sagt er. Junge Eltern mit kleinen Kindern zu Hause und anstrengenden Berufen hätten nach langen Tagen ganz einfach nicht die Zeit, in abendlichen Sitzungen stundenlang ergebnislos zu diskutieren. „Die verlieren dann die Lust an Kommunalpolitik und hören auf.“

Die Anzüge bleiben auch künftig im Schrank

Er selbst kennt diese Momente nach vier Jahrzehnten im Stadtparlament selbstverständlich – hat aber immer noch Spaß am Ehrenamt. „Es ist ja auch schön, Verantwortung zu tragen“, sagt er über seine zeitintensive Aufgabe als Bürgervorsteher. Die ist zunächst ohnehin befristet: Im Mai nächsten Jahres ist in Schleswig-Holstein Kommunalwahl. Ob Matthias Stern erneut antritt, hat er für sich bisher nicht entschieden. „Das ist alles offen“, sagt er.

Fest steht dagegen, dass ihn die Ahrensburger in seiner neuen Rolle weiterhin eher in Jeans und Hemd sehen werden. „Ich habe zwar auch Anzüge, aber die bleiben im Schrank“, sagt Stern. Denn in dem konservativen CDU-Politiker schlägt auch nach einem halben Jahrhundert das Herz eines Rebellen.