Ahrensburg. Von „zerrüttetem“ Verhältnis zwischen Rathaus und Wehrführung ist die Rede. Landrat vermittelt. Worum es bei dem Streit geht.

„Explosiv“ sei die Stimmung im Vorfeld der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Sonntag vor einer Woche gewesen, die Lage „dramatisch“, heißt es aus Kreisen der Ahrensburger Feuerwehr. Bürgermeister Eckart Boege war in die Wache an der Straße Am Weinberg gekommen, um vor rund 100 anwesenden Kameraden seine Pläne für eine Reform der Zusammenarbeit zwischen Rathaus und Wehr zu skizzieren.

Mit seinem Auftritt habe der Verwaltungschef eine Eskalation gerade noch so verhindert, erzählen Insider gegenüber unserer Redaktion. Vorausgegangen war ein jahrelanger Streit zwischen der Wehrführung und der Verwaltung, der bislang hinter verschlossenen Türen ausgetragen wurde, nun aber drohte, offen zutage zu treten. Dabei geht es demnach vor allem um die Ausrüstungssituation der Feuerwehr, aber auch um die persönliche Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen im Rathaus.

Feuerwehr Ahrensburg erhebt schwere Vorwürfe gegen Bürgermeister

Die Ahrensburger Wehr mit ihren rund 140 Mitgliedern fordert schon seit Jahren Investitionen in die Erneuerung und Modernisierung ihrer Ausrüstung, Fahrzeuge und Infrastruktur, um ihre Aufgaben effektiv wahrnehmen zu können. „Wir haben einen massiven Investitionsstau“, sagt Florian Stephani, stellvertretender Gemeindewehrführer. Die Ausstattung sei veraltet. Das habe auch Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Ehrenamtler. Gleichzeitig habe die Zahl der Einsätze auf zuletzt rund 500 im Jahr zugenommen.

Die vier Wachen – neben dem Hauptquartier am Weinberg verfügt die Feuerwehr auch über Gerätehäuser in den Stadtteilen Ahrensfelde, Am Hagen und Wulfsdorf – genügten nicht mehr den räumlichen und gesetzlichen Anforderungen, das Gebäudekonzept sei rund 50 Jahre alt. Sechs Einsatzfahrzeuge, die in diesem Jahr beschafft werden sollten, darunter ein Tanklöschfahrzeug, zwei Wechsellader und mehrere Transporter, seien noch nicht ausgeschrieben worden.

Kameraden benötigen neue Atemschutztechnik und Schutzbekleidung

Außerdem benötigt die Feuerwehr laut Stephani unter anderem neue Atemschutztechnik und Schutzbekleidung. Das Investitionsvolumen liege bereits ohne die baulichen Maßnahmen „im hohen sechsstelligen Bereich“. Das Geld dafür haben Ahrensburgs Stadtverordnete – mit Ausnahme der Sanierung und Erweiterung der Wachen – bereits im Haushalt zur Verfügung gestellt. Doch bei der Umsetzung hapert es.

Woran das liegt, dazu möchte sich die Wehrführung auf Anfrage nicht äußern. Auch sonst möchte keiner offen sprechen, man wolle den Burgfrieden nach der jüngsten Mitgliederversammlung nicht gleich wieder gefährden, heißt es. Hinter vorgehaltener Hand erheben aber zahlreiche Kameraden schwere Vorwürfe gegenüber der Verwaltung. Ausschreibungen und Anschaffungen würden verzögert, die Wehr mit Verweis auf Personalengpässe und rechtliche Bedenken wiederholt vertröstet.

Die fachliche Expertise der Wehrführung werde im Rathaus angezweifelt

Die Rede ist auch von „diametral unterschiedlichen Auffassungen“ darüber, welche Investitionen notwendig sind. Die fachliche Expertise der Wehrführung werde angezweifelt, das Verhältnis zwischen Rathaus und Feuerwehr sei „zerrüttet“. Besonders die Zusammenarbeit mit einzelnen Mitarbeitern der Verwaltung sei auf persönlicher Ebene belastet.

Bürgermeister Eckart Boege weilt zurzeit im Urlaub, weshalb Rathaussprecher Fabian Dorow die Anfrage unserer Redaktion beantwortet. Dass es Nachholbedarf bei der Ausstattung der Wehr gibt, erkennt auch die Verwaltung an. „Es gibt in Ahrensburg einen über Jahre aufgelaufenen Investitionsstau bei den Gerätehäusern und der Ausstattung mit Ausrüstungsgegenständen und Fahrzeugen“, so Dorow. Nach der Ursache des Rückstaus gefragt, bleibt er vage. „Die unterschiedlichen Gründe gilt es im Einzelfall zu identifizieren, zu bewerten und zu beheben“, sagt der Rathaussprecher.

Ursprünge des Streits reichen in die Amtszeit von Michael Sarach zurück

Die Ursprünge des Streits reichen nach Abendblatt-Informationen bis in die Amtszeit von Michael Sarach zurück, der vor Boege Verwaltungschef in Ahrensburg war. Der Bürgermeister ist formal der Dienstvorgesetzte der Freiwilligen Feuerwehr.

Niels Pirck (M.) führt die Freiwillige Feuerwehr Ahrensburg gemeinsam mit seinen Stellvertretern Florian Stephani (l.) und Michael Mey.
Niels Pirck (M.) führt die Freiwillige Feuerwehr Ahrensburg gemeinsam mit seinen Stellvertretern Florian Stephani (l.) und Michael Mey. © Juliane Minow

Für Beobachter wurde das angespannte Verhältnis von Feuerwehr- und Verwaltungsspitze während der Beratungen für den Doppelhaushalt 2022/2023 im Herbst 2021 deutlich, als das Rathaus einen Großteil der von den Kameraden angemeldeten Mittel für Investitionen als „nicht notwendig“ aus dem Entwurf gestrichen hatte. Nach einer heftigen Diskussion setzten Ahrensburgs Stadtverordnete damals durch, dass das Geld wieder in den Haushalt aufgenommen wurde. Für Außenstehende schien der Konflikt damit befriedet. Doch dem war offenbar nicht so.

Boege versäumte es nach seinem Amtsantritt, eine Lösung zu präsentieren

Boege als neuer Bürgermeister habe den Konflikt von seinem Vorgänger geerbt, es in den mehr als 13 Monaten seit seinem Amtsantritt Anfang Mai 2022 aber versäumt, sich des Problems anzunehmen, heißt es. Deshalb sei der Frust unter den Kameraden immer weiter gewachsen. Demnach habe zuletzt sogar ein Szenario im Raum gestanden, wonach ein Großteil der Mitglieder die Wehr verlassen könnte, sodass die Wehrführung gezwungen gewesen wäre, die gesamte Feuerwehr bei der Leitstelle als nicht einsatzfähig abzumelden.

Eine solche Drohung möchten weder die Wehrführung noch die Verwaltung bestätigen. Es gibt aber auch kein Dementi. Beide Seiten betonen lediglich, die Einsatzbereitschaft der Feuerwehr sei zu jedem Zeitpunkt gewährleistet gewesen.

In den vergangenen Monaten gab es mehrere Gespräche

Nach Informationen unserer Zeitung hat es zur Entschärfung des Streits in den vergangenen Monaten mehrere Gespräche gegeben, an denen neben Vertretern von Verwaltung und Feuerwehr auch die Vorsitzenden der Fraktionen sowie der Bürgervorsteher teilgenommen haben. Zu den Inhalten halten sich die Politiker bedeckt. Man habe bewusst versucht, ohne öffentliche Aufregung eine Lösung zu finden.

Noch kurz vor der Mitgliederversammlung war die aber offenbar nicht abzusehen. Wie mehrere Gesprächspartner unserer Redaktion bestätigten, sah sich die Feuerwehr zuletzt gezwungen, Stormarns Landrat Henning Görtz und Kreisbrandmeister Olaf Klaus einzuschalten. Am Sonnabendvormittag vor der Versammlung soll Görtz nach Ahrensburg gekommen sein, um zu vermitteln.

Verwaltung spricht mit Blick auf Versammlung von „Gedankenaustausch“

Welchen Kompromiss Boege bei dem Treffen genau vorstellte, auch dazu halten sich alle Beteiligten bedeckt. „Der Bürgermeister hat zugesichert, die Belange der Feuerwehr künftig prioritär zu behandeln“, sagt der stellvertretende Wehrführer Stephani.

Aus dem Rathaus heißt es, bei der Versammlung sei es vor allem darum gegangen, „wie und mit welcher Haltung das Ehrenamt durch die Verwaltung unterstützt“ werden könne. Im Fokus hätten die Beratung und der „Gedankenaustausch“ über den derzeitigen Stand des Ausbaus der Gerätehäuser und die Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen sowie dringende Fahrzeugbeschaffungen gestanden.

Thema Feuerwehr soll innerhalb des Rathauses neu organisiert werden

„Die Gesprächsteilnehmer waren sich einig, dass alle Beteiligten ein großes Interesse daran haben, die Einsatzbereitschaft der Freiwilligen Feuerwehr auf einem gleichbleibend hohen Niveau zu halten und für alle sichtbar weiterzuentwickeln“, sagt Rathaussprecher Dorow.

Darüber hinaus habe man sich verständigt, dem Thema Feuerwehr auch organisatorisch innerhalb der Verwaltung „einen anderen Rahmen“ zu geben. „Konkrete Vorschläge dazu werden von der Verwaltungsspitze in den kommenden Wochen erarbeitet und mit der Gemeindewehrführung der Freiwilligen Feuerwehr vereinbart“, so Dorow.

Feuerwehr pocht auf Umsetzung des vom Bürgermeister Zugesagten

Es liegt nahe, dass damit auch geänderte personelle Zuständigkeiten verbunden sein dürften. Dazu macht die Verwaltung aber keine Angaben. Auf Nachfrage, wie die Feuerwehr die Ergebnisse des Krisentreffens beurteilt, antwortet Stephani ausweichend. „Die Mitglieder haben gesagt: Wir stehen hinter dem, was der Bürgermeister versprochen hat“, sagt er. Nun wolle man gemeinsam in die Zukunft blicken, in der Hoffnung, dass das Zugesagte auch umgesetzt werde.